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Eröffnung Freitag, 17. Oktober 2008, 20 Uhr

Es empfiehlt sich hin und wieder, dass jeder Mensch seinen eigenen, als richtig empfundenen Betrachtungsstandpunkt überdenkt, indem er etwas zur Seite oder nach hinten tritt, um sich so auf eine alternative Perspektive einzulassen und einen frischen, unbefangenen Eindruck zu erhalten. Das ist ein guter Rat für alle Lebenslagen. Dieses einfache Vorgehen zur Kontrolle der eigenen aktuellen Wahrnehmung ähnelt einer künstlerischen Praxis zur Reflektion der alltäglichen Wirklichkeit.

Mittels der Werke in der Ausstellung "–zoom+" wird nicht nur die jeweils einmal eingenommene Sichtweise überprüft. Darüber hinaus bleibt jede Ausgangsposition zur Betrachtung unsicher und die Wahrnehmung selbst wird subversiv irritiert. Zu den künstlerischen Verfahren gehören das bewusste Verschieben der Perspektiven, Dimensionen und Proportionen, das Sich-Annähern oder das Abstand-Einnehmen, das Verschachteln von Ebenen und auch die zeitliche Dehnung oder Beschleunigung einfacher Handlungen oder Prozesse. Gerade alltägliche Dinge und Tatbestände werden so wieder fragwürdig und außergewöhnlich. Zwischen den Polen des Wiedererkennens und der neu entdeckten Merkwürdigkeit in den künstlerischen Arbeiten entsteht eine anhaltende Spannung.

JULIA ARZTMANN, Münster, (Skulptur) "Bunte, gemusterte Stoffe sollen üblicherweise einen dekorativen Zweck erfüllen und hübsch aussehen. Die Konfrontation der Muster und Farben, aber auch die Divergenz zwischen dem „dekorativen“ Stoff und dem Gegenstand, den er umkleidet zielt in meiner Arbeit auf eine Überspitzung. Dabei spielen oft Dimensionenverschiebungen eine wesentliche Rolle, bei denen das eigentlich Große (eine Zeltsiedlung) ins Spielzeugformat transformiert wird und das generell Kleine (eine Suppenterrine) zur monströs-gigantischen Megaform mutiert. Dem Ausstellungsbesucher wird somit buchstäblich eine andere Sichtweise auf unsere „Ding-Welt“ gewährt."

JE-HUN CHOI, Münster, (skulpturale Malerei) und Julia Arztmann Je-Hun Choi und Julia Arztmann erschaffen eine raumgreifende, dynamische Landschaft im Künstlerhaus Dortmund. Der ganze Ausstellungsraum, den Choi mit weißem Pappmaterial bebaut, wird in die Arbeit miteinbezogen: alle darin enthaltenen Elemente wie Wände, Fenster und Heizung fungieren als Materialien für dieses große dreidimensionale Bild. Mit diesem „Bild“ kombiniert werden die bunt-gemusterten Stoffzelte von Julia Arztmann. Diese erscheinen dem Ausstellungsbesucher wie ein auf Spielzeug-Größe geschrumpftes Campingplatz-Idyll, welches außerdem durch die Deformierung sowie die Geschlossenheit der einzelnen Objekte anomal erscheint.

GÜNTER WINTGENS, Münster, (Wandmalerei) "Aus kleinsten schwarzen Farbpartikeln formieren sich die Wandmalereien von Günter Wintgens, denen Ausschnitte fotografischer Porträts zu Grunde liegen - zum Beispiel in Gestalt einer anonymen, extrem vergrößerten Augenpartie. Ausgehend von solchen Vorlagen sind für "white out" zwei Arbeiten vor Ort entstanden, deren Ausdruck nicht nur durch den unterschiedlichen Fokus, sondern auch durch die Proportion der Wandflächen variiert: War es in Bregenz das Gesicht eines Mannes auf annähernd quadratischem Grund, so wählte Wintgens für Saarbrücken die Augen einer Frau, die sich im seitlichen Anschnitt über eine breite, niedrige Stirnwand erstreckten. Angesiedelt auf dem schmalen Grad von plötzlichem Erscheinen und Wieder-Verschwinden, von suggestiver Präsenz und chaotischer Atomisierung der malerischen Bestandteile, nehmen die Wandmalereien, wie von einem medialen Rauschen untermalt, den Charakter von Vexierbildern an, über deren Lesbarkeit allein die Position und Perspektive des Betrachters im Raum entscheiden. Und doch lassen sowohl die radikalen Größenunterschiede als auch die ungerichteten Augen der fragmentarischen Gesichter die Suche nach einem idealen Standpunkt immer wieder ins Leere laufen: eine labile Situation zwischen Anschauen und Angeschaut-Werden, die den Blick reflektiert und auf sich selbst zurückwirft." Stefan Rasche, Berlin, Katalogtext zur Ausstellung "white out" im Künstlerhaus Palais Thurn und Taxis Bregenz und der Stadtgalerie Saarbrücken, 2007

MARKUS ZIMMERMANN, Berlin, (Objekt/Installation) Es handelt sich bei Markus Zimmermanns Beitrag zur Ausstellung -zoom+ um eine Installation, die aus einem Regal besteht, in dem sich sogenannte "Guckkästen" befinden. Dabei fungieren Guckkästen auch als Umrahmung des Regals an der Wand. Am Regal ist rechts und links jeweils eine Leselampe angebracht. Der Betrachter kann einen Kasten aus dem Regal oder von der Wand nehmen, diese unter die Leselampe halten und durch das Guckloch ins Innere des Kastens schauen, wo sich ihm eine neue Welt offenbart.

HYUN GYOUNG KIM, Münster, (Objekt/Installation) Alltägliche, simple Dinge und Erinnerungen werden neu miteinander verknüpft und lassen dem Betrachter Raum für vielfältige Assoziationen. Bei der Skulptur „Eierbecher“ wird zunächst der Eierbecher bzw. ein Strickpullover wahrgenommen. Erst bei näherem Hinsehen offenbart sich der Inhalt, nämlich ein Kopf der sich im Kragen eines Pullovers versteckt. Der Betrachter der Skulptur „Ein sonniger Tag – die Häuser“ erblickt ebenfalls zunächst eine scheinbar alltägliche Szene: Bettzeug wird zum Lüften aus dem Fenster gehängt. Das Haus selbst könnte aber aus Erschöpfung die Zunge rausgestreckt haben. Oder streckt hier ein alter Hund die Zunge raus... ?

JAN KÖCHERMANN, Hamburg, (Objekt/Installation) Jan Köchermann beschäftigt sich seit 1996 mit dem skulpturalen Element Schacht. In den letzten Jahren hat Köchermann viele große Installationen im öffentlichen Raum realisiert. Im Kaispeicher A in der Hamburger Hafencity durchbrach ein 7 Meter langer Schacht den Ausstellungsraum hin zur Elbe (2004). Für die Ausstellung "-zoom+" plant Jan Köchermann eine eigens auf die Situation abgestimmte Schachtinstallation.

CHRISTINE SCHULZ, Dortmund, Projektion Das Auge folgt einer Kugel, die durch Atemluft auf und ab bewegt wird. Das Schweben der Kugel steht für die Erfahrung von Zeit und Endlichkeit.

CHRISTINE ERHARD, Düsseldorf, Fotografie Den Fotografien von Christine Erhard liegt folgendes Verfahren zugrunde: Bildmaterial aus unterschiedlichen Quellen wird gesammelt (Reproduktionen aus Printmedien, eigene Digitalfotografien, etc.). Aus diesem Bilderfundus werden einzelne Elemente isoliert und wenn notwendig, mittels digitaler Bildbearbeitung für die entsprechende Anwendung skaliert, perspektivisch bearbeitet oder vervielfacht. Die so erzeugten Bildoberflächen werden im Modell räumlich zueinander angeordnet. Das Modell wird auf einen gültigen Kamerastandpunkt hin konstruiert. Hierbei werden die fotografischen Oberflächen teilweise auch mit Echtmaterialien wie z. B. Glas, Textilien,Pflanzen, etc. kombiniert. Im letzten Schritt wird dieses Modell wieder fotografiert. Die darin enthaltenen Bildfragmente und Materialien werden durch ihre fotografische Reproduktion zu einem kohärenten räumlichen Verbund auf einer gemeinsamen Bildoberfläche zusammengefaßt. Das Modell fixiert eine Ansicht, die nur dann räumlich plausibel erscheint, wenn der maßgebende Blick- oder Kamerastandpunkt eingenommen wird.

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-zoom+

Künstler: Julia Arztmann, Je-Hun Choi, Christine Erhard, Hyun Kyoung Kim, Jan Köchermann, Chrsitine Schulz, Günter Wintgens, Markus Zimmermann