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Die Ausstellung »Documents & Opus (1985–2014)« im Kunstverein Hannover bieteterstmals in Deutschland einen umfassenden Einblick in das vielfältige OEuvre des französischen Künstlers Jean-Luc Moulène (*1955, lebt in Paris). Die künstlerische Arbeit Moulènes ist bestimmt vom Gespür für Zwischenwelten der sogenannten Alltäglichkeit und ihrer plastischen und philosophischen Bewusstmachung in Form visueller Konzepte. Der Topos des Körpers – im Sinne eines Corpus, der als Form je nach Präsentation oder Kontext metaphorische Bedeutung entfaltet, aber auch auratische Momente auslöst – spielt dabei in allen Werken des Franzosen die zentrale Rolle. Sowohl am menschlichen als auch am objekthaften Körper interessieren Moulène die hierin eingeschriebenen Formensprachen, anhand derer kulturelle wie auch zeitgeschichtliche Codes lesbar werden.

Schon Moulènes erste fotografische Arbeiten, mit denen er Ende der 1980er Jahre bekannt wurde, zeugen von seinem Bewusstsein für die Poesie des Alltags. Aus dieser Zeit zeigt der Kunstverein Hannover Bilder der Serie der »Disjonctions« (1984–1995). Es handelt sich um fotografische Analysen der Welt, die heute – in der wiederholten Retrospektive – Fragen über unsere Wahrnehmung von Mensch, Landschaft wie auch Interieur aufwerfen. Diese scheinbar einfachen Stimmungsbilder, die von einem aufmerksamen Beobachter festgehalten wurden, entpuppen sich als Dokumente.

Eine neue fotografische Serie (ohne Titel, 2014), die in Hannover erstmalig zu sehen ist, bildet den Leitfaden des Ausstellungsparcours: Der Künstler sammelte hierfür Gummimasken, die Politker oder Prominente karikieren. Diese Masken hat er mit Beton ausgegossen und zu Skulpturen verarbeitet. Fotografien dieser Köpfe aus Beton, die Titel wie »Joker«, »Flying Monkey « oder »Moonface« tragen, tauchen in der Ausstellung kaleidoskopisch verteilt auf und erinnern an stille Beobachter. Ihnen steht eine Serie von Zeichnungen inhaltlich gegenüber: die »Tetes d’Experts« (2007), die im Kunstverein erstmals wiedervereint ist. Moulène interpretiert den menschlichen Körper als ein Lesebuch, immer wieder tauchen Personen auf, die von einer Atmosphäre des Besonderen umgeben sind, Portraits symbolisieren Zeitzeugen, Repräsentanten oder Spurenträger. Ähnlich werden von Jean-Luc Moulène auch Objekte in den Fokus der Wahrnehmung gerückt.

Der Künstler, der in den 1980er Jahren bei der Entwicklung von U-Booten für die Firma Thomson beteiligt war, vollzieht mit seinem Werk auch eine Analyse der Formensprachen der Industrie. Vor diesem Hintergrund ist seine bisher bekannteste Arbeit »Objets de grève« (1999–2000) zu lesen. Farbfotografien zeigen spezifische Produkte, die von streikenden Arbeitern hergestellt wurden. Durch ihr verändertes Erscheinungsbild machen diese Streikobjekte auf die Forderungen der Arbeiter aufmerksam. Eine ähnlich politische Brisanz impliziert die Serie »Produits de Palestine« (2002–2004), die ausschließlich für den palästinensischen Markt zugelassene Produkte des alltäglichen Lebens dokumentiert.

Auch in Moulènes skulpturalen Arbeiten finden Produkte und deren Formen ihr Echo. Die Bronze- oder Glasplastiken der Reihen »Blown Knot« (2012) und »Noeud« (2011–2012) muten wie organische, florale Gebilde an. Tatsächlich handelt es sich um Abdrücke von Seilen, die zu einem Knoten gezogen werden und deren Negativform anschließend ausgegossen wird. Diese Knotenskulpturen verdeutlichen, dass Moulène über politische und inhaltliche Bedeutungen von Formen hinaus ebenso an rein formalen bzw. physischen Strukturen – als Modelle von Konstruktion – interessiert ist. Jean-Luc Moulènes Blick auf die westliche Welt wird durch das gesamte Spektrum seiner Arbeiten in dieser Ausstellung deutlich. Es sind dokumentarische Analysen, die dem Betrachter durch eine inhärente sinnliche und poetische Ebene die Möglichkeit zum gedanklichen Flanieren eröffnen.

Die Ausstellung entsteht in Kooperation mit der Académie France à Rome – Villa Medici (Ausstellung Mai 2015).

Eröffnung: Freitag, 16. Januar 2015, 20.00 Uhr Der Künstler Jean-Luc Moulène wird anwesend sein.