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Die Ausstellung Abigail O’Brien – Die Sieben Sakramente präsentiert den 2004 vollendeten Werkzyklus der irischen Künstlerin zu den sieben Sakramenten. Abigail O‘Brien, geboren 1957 in Dublin, untersucht in ihren Arbeiten die Funktionen von Ritualen und Riten. Seit 1995 entwickelte sie eine Werkreihe zu den sieben Sakramenten, die sie 2004 vollendete und die nun, nach der Ausstellung im Haus der Kunst in München, in der Lingner Kunsthalle gezeigt wird. Der Zyklus umfasst die sechs raumgreifenden Installationen: The Last Supper (Das Abendmahl, 1995), eine Arbeit zum Sakrament der Ehe; Baptism (Taufe, 1996); Kitchen Pieces - Confession + Communion (Küchenstücke - Beichte + Kommunion, 1998), welche die Sakramente Beichte und Kommunion vereint; Extreme Unction - From the Ophelia Room (Letzte Ölung - Aus dem Ophelia Raum, 2000); sowie die beiden neuesten Arbeiten der Künstlerin Garden Heaven - Holy Orders (Himmlischer Garten - Priesterweihe, 2001-2003) und Martha‘s Cloth - Confirmation (Marthas Tuch - Firmung, 2001-2004). Die sieben Sakramente sind ein wichtiges Motiv in der Kunstgeschichte, und jahrhundertelang haben sich Künstler mit ihrer Darstellung auseinandergesetzt. Rogier van der Weyden etwa schuf den Sakramentsaltar (1453-56) oder Nicolas Poussin zwei berühmte Zyklen zu den Sieben Sakramenten (um 1635; 1644-48) - letztere inspirierten Abigail O‘Brien nachhaltig. Sie setzt die Tradition der Sakramentsdarstellungen in zeitgenössischer Art und Weise fort - mit Fotografien, Skulpturen, realen Objekten, Stickereien und Soundarbeiten. Die einzelnen Sakramente bilden dabei jedoch nur noch das Ausgangsmaterial für ihre Arbeiten - wie ein Stück Stoff, das der Künstlerin als verbindendes Gewebe für ihre Stickereien dient und das in den Hintergrund tritt, sobald es "bestickt" ist. Die Verbindung bleibt jedoch spürbar und schafft die Beziehung zwischen den einzelnen Arbeiten des Zyklus. Die Bezugnahme auf religiöse Rituale dient O‘Brien vor allem als Instrument für die Auseinandersetzung mit dem Alltag, seinen Sitten, Riten und Dogmen. Denn diese bestimmen nach wie vor jeden Bereich unseres Lebens. Abigail O’Briens Alltagsszenen scheinen dabei isoliert, wie durch den kühlen Blick der Künstlerin zum Stillstand gebracht. Durch diesen Moment des konzentrierten Innehaltens, des frozen moments, verliert der tradierte weibliche Alltag mit seinen Tätigkeiten wie Waschen, Kochen, Briefe-Schreiben oder Handarbeit seinen flüchtigen, banalen Charakter und wird in ein Ritual überführt.

Im Schnittpunkt der beiden Sujets - der Alltags- und der Sakramentsdarstellung - lässt die Künstlerin die Frage nach der Rolle der Frau kritisch anklingen. Es ist der Zwiespalt zwischen der vita activa, dem alltäglichen, diesseitsorientierten Leben, und der vita contemplativa, dem geistigen, jenseitsorientierten und von Sakramenten beglaubigten Leben, den O‘Brien am Beispiel der Frau vorführt. In den "sieben Sakramenten" versucht sie, die Diskrepanz von Vergänglichem und Beständigem zu überwinden und eine Balance zwischen dem Irdischen, Alltäglichen einerseits und dem Geistigen, Religiösen andererseits herzustellen. Das Spiel mit Doppeldeutigkeiten, mit Ironie und Ambivalenz ist prägend für den gesamten Werkzyklus Abigail O‘Briens. So stellt zum Beispiel die Arbeit The Last Supper eine Verbindung zwischen dem Sakrament der Ehe und dem Letzten Abendmahl her: Die Rahmenhandlung ist das gemeinsame Mahl, das das Brautpaar mit seinen Gästen oder Christus mit seinen Jüngern abhält. Die Künstlerin erlaubt hier keine eindeutige Aussage oder Bewertung, sie verharrt in der Zweideutigkeit. Die Offenheit bzw. Parallelität der Gefühle, die unterschiedlichen Seiten des Abschieds beim Übergang von einer Lebensphase zur nächsten, diese Ambivalenz kommt hier zum Ausdruck. Die Sakramente stehen denn auch für wichtige Passagen im Leben eines Menschen und für entscheidende Durchgangssituationen, die als solche in diesem Werkzyklus eine tragende Rolle übernehmen.

Die Arbeiten Abigail O‘Briens wurden seit 1993 in zahlreichen internationalen Einzel- und Gruppenausstellungen gezeigt (u. a. in Dublin, Venedig, Warschau, New York, Berlin, Düsseldorf, Lingen und München). Von irischen Kunstinstitutionen mehrfach prämiert, sind ihre Werke heute in zahlreichen öffentlichen Sammlungen vertreten (u. a. im Volpinum, Wien, im Irish Museum of Modern Art, Dublin, oder in der Caldic Collection, Rotterdam).

Zur Ausstellung ist ein Katalog in deutscher und englischer Sprache im Steidl Verlag, Göttingen, erschienen. Pressetext

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Abigail O´Brien – Die Sieben Sakramente