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Adolph Menzel (1815 - 1905) hat zwei Mal die Wand seines Ateliers gemalt: 1852 und 1872. Die frühe Fassung befindet sich in der Alten Nationalgalerie Berlin, die zweite Fassung gehört seit ihrer Erwerbung durch Alfred Lichtwark 1896 zu den Hauptwerken der Hamburger Kunsthalle. In der Ausstellung Adolph Menzel und Lois Renner – Das Künstleratelier, die vom 9. August bis 2. November 2008 gezeigt wird, werden beide Fassungen einander gegenüber gestellt. Die Gouache Friedrich d. Gr. Besucht Pesne in Rheinsberg und acht große Photoarbeiten des 1961 geborenen Malers und Photographen Lois Renner ergänzen die ungewöhnliche Zusammenstellung von Meisterwerken Menzels.

Menzels Bilder stehen für die moderne Ästhetik des Fragments. Ihren radikalen Bruch mit Bildkonventionen seiner Zeit hat Werner Hofmann, ehemaliger Direktor der Hamburger Kunsthalle, erkannt und das Bild als ein „verschlüsseltes Manifest“ bezeichnet. Mit seinen gemalten Objekt-Assemblagen aus Bruchstücken setzte sich der malerische Autodidakt Menzel mit dem Motivrepertoire der Kunst von der Antike bis zur Gegenwart, von den bewährten Formen der klassischen Skulptur bis zu den Abgüssen nach der Natur auseinander.

Die Relativierung ästhetischer Kategorien wird in der unterschiedslosen Reihung der Gipsabgüsse augenfällig. Für Menzel besitzen die Dinge keine unterschiedlichen Wertigkeiten. Damit bildet er eine Voraussetzung für die „surrealistische Gegenstandskombinatorik“ (Werner Hofmann), eine der wichtigsten künstlerischen Darstellungsweisen im 20. Jahrhundert.

Menzels Bilder von seinen Atelierwänden sind darüber hinaus Paraphrasen über die Vergänglichkeit. Die Bruchstücke sind als Zeichen des Todes und zugleich als Relikte für Erinnerung und Gedenken zu lesen. Zum einen dienen die Gegenstände des Ateliers als formaler Gedächtnisspeicher, zum anderen stehen sie in einem direkten Bezug zu Menzels Lebenskreis. Die zentral im Bild wiedergegebene und neben dem Frauentorso platzierte Totenmaske des mit Menzel befreundeten Kunsthistorikers Friedrich Eggers, der im Sommer 1872 gestorben war, verdeutlicht die im Bild enthaltene persönliche Beziehung. Sie macht aus dem in magischer Beleuchtung aufscheinenden Stillleben ein Gedenkbild.

Menzels Werken werden acht große Photoarbeiten des 1961 in Salzburg geborenen, in Wien lebenden Lois Renner konfrontiert. Renner thematisiert in seinen Arbeiten Malerei und Fotografie gleichermaßen. Lois Renner baut die Motive seiner Fotografien aus verschiedenen Fragmenten zusammen. Er inszeniert aus Einzelteilen eine neue Totalität. Sein Verfahren ist der Objekt-Assemblage in Menzels Atelierwand-Bildern, die für ihn einen hohen Anregungswert besitzen, vergleichbar. Seit Anfang der 90er Jahre setzt sich Lois Renner kontinuierlich mit einem einzigen Thema auseinander: sein Atelier als Bühne für fotografische Inszenierungen der Gattungen. Dabei geht es um Wechselspiele und Widersprüche zwischen Realität und Fiktion und um die Frage, welche Rolle die Wahrnehmung dabei spielt.

Mit großer Sorgfalt konstruiert Renner kulissenartige räumliche Szenen, die einen erzählerischen Zusammen-hang andeuten, der sich allerdings nur in Ansätzen erschließt. Sein im Modell nachgebildetes Atelier wird im gro-ßen Format der Fotografien wieder in ein annähernd originalgetreues Größenverhältnis übersetzt, das sich als Bildraum dem Betrachter öffnet. Lois Renner hat Malerei Gerhard Richter studiert und sich insbesondere mit dem Werk Adolph Menzels befasst. In seinen Atelier-Inszenierungen setzt er die Beschäftigung mit dem Thema Künstleratelier, das in Menzels Bildern eine bestürzende Modernität entfaltet, auf sehr individuelle Weise fort.

Zur Ausstellung erscheint ein Katalog.

Kurator: Jenns Howoldt

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Adolph von Menzel und Lois Renner
Das Künstleratelier
Kuppelsaal
Kurator: Jenns Howoldt