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Die Galerie Guido W. Baudach freut sich, nach two-timers (2008) die zweite Einzelausstellung von Aïda Ruilova zu präsentieren. Die filmischen Werke der 1974 geborenen, in New York lebenden Künstlerin zeichnen sich durch eine schnelle Schnitttechnik, den gezielten Einsatz von Sound, die häufige Wiederholung einzelner Bildsequenzen und eine schroffe Montage aus. Es sind Filme über existenzielle Zustände, über die Macht des Unbewussten, Traumata, Paranoia und Angst, über Charaktere, die in ihren Psychosen und Obsessionen gefangen sind und in deren Übersteigerung oft auch ein humoristisches, groteskes Element sichtbar wird. Thrillern oder Horrorfilmen bzw. den Klischees, mit denen diese arbeiten, nicht unähnlich, versuchen sie, ein tiefliegendes Unbehagen und menschliche Urängste zu adressieren und bedienen sich dabei weniger einer geschlossenen narrativen Struktur, sondern vielmehr der atmosphärischen Dichte unklar verbleibender und beunruhigender Andeutungen. Beruhten Ruilovas frühe Filme auf Gesten, Lauten, Wörtern oder Sätzen, die zu rhythmischen Sequenzen zusammenmontiert wurden, entsteht im Jahr 2006 mit life like ein Werk im Oeuvre der Künstlerin, das diese extrem kurzen filmischen Arbeiten ablöst. Diese Tendenz setzt sich in ihren folgenden Filmen Lulu (2007) und two-timers (2008) weiter fort und findet mit Ruilovas neuestem und wohl am aufwendigsten produzierten Film Meet the Eye (2009) einen vorläufigen Höhepunkt.

Entstanden und erstmals präsentiert im Rahmen des Residency Programms des Hammer Museums in LA (Ausstellung: 16. Juni – 27. September 2009), hat sich Ruilova für dieses 7-minütige Kammerspiel der örtlichen Filmstudioinfrastruktur bedient. In einem antiquierten, schummrigen Motelzimmer haben sich eine hübsch zurechtgemachte, jedoch leicht verlebt wirkende ältere Frau (die Schauspielerin Karen Black) sowie ein Mann mittleren Alters (der Künstler Raymond Pettibon) eingefunden, deren Beziehung von Anfang an seltsam anmutet. Die mental sichtlich verwirrte Frau versucht sich wiederholt und angestrengt an etwas zu erinnern und durchlebt dabei die unterschiedlichsten Gefühle: Verunsicherung, Verzweiflung, Freude, Wut, Angst, Hysterie und Erschöpfung wechseln sich sprunghaft ab. Ihr Gegenüber dagegen wirkt gleichsam teilnahmslos und ein wenig benommen; seine Stimme changiert zwischen einer Stimme in ihrem Kopf und einer Stimme im Raum. Trotz angedeuteter sexueller Handlungen scheint die gegenseitige Anziehung keinesfalls von einer erotischen Spannung auszugehen. Denn schnell wird klar, dass Meet the Eye um ein unsichtbares Zentrum herum kreist, eine unheimliche, verschüttete Erinnerung, zu der die weibliche Protagonistin mit insistierenden und sich delirierend wiederholenden Fragen ein ums andere mal vorzustoßen gedenkt. „What is it?“, fragt sie immer wieder, nur um diese Unsicherheit wenig später bis auf die eigene Identität auszudehnen: „Is it me?“ Diese Irritation des Selbstbewusstseins wird von Ruilova durch immer wieder schnell wechselnde Blickachsen, die oft genug über einen Spiegel gebrochen und fragmentiert werden, gezielter Unschärfe und ein ständiges Wechselspiel der Perspektiven filmisch transformiert. Im Verlauf des Films fällt der Blick der Kamera immer wieder auf ein Loch, das allem Anschein nach der männliche Hauptdarsteller mit einem Messer aus der Wand gekratzt hat. Von mal zu mal wird durch dieses Guckloch das Bild eines zweiten Raumes deutlicher erkennbar, in dem in dichtem Bodennebel ein in Decken verschnürter Körper liegt. Spätestens hier scheint sich die immer wieder geäußerte Frage der Frau, „Which one of them is me?“ auf verstörende Art und Weise zu konkretisieren.

Formal erinnert Meet the Eye sowohl an Michael Powells Filmklassiker Peeping Tom (1960), als auch an Marcel Duchamps Installation Étant donnés (1946-66) – hier wie auch dort verweist das zentrale Motiv des „Gucklochs“ zuvorderst auf die aktive Rolle des Betrachters. Jene Fragen der Identität, die Meet the Eye mit den Mitteln des Horrorfilms formuliert, dehnen sich auf den Status des Zuschauers und seines Blickes aus. Alle, die Frau, der Mann, aber auch die Kamera selbst, werden in den Sog der Unsicherheit hineingezogen. Der Blick durch das Guckloch auf die verschnürte Leiche macht den Betrachter zum Voyeur, wenn nicht gar zum „Mittäter“. Das im Titel genannte „Auge“ (Eye), entpuppt sich am Ende nicht zuletzt als das „Ich“ (I) des Betrachters. Meet the Eye kann somit nicht nur als Infragestellung der Wahrhaftigkeit von Kamerabildern gelesen werden, sondern auch als konkrete Aufforderung, den eigenen Blickwinkel zu reflektieren.

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Aida Ruilova
Meet the Eye