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Seit den frühen 1990er Jahren gehört die Künstlerin Alex Bag (*1969, USA) zu den interessantesten Protagonist/innen der Video-Performance. Sie gilt heute für eine ganze Generation jüngerer Künstler/innen als wichtige Referenz. Bekannt wurde sie mit ihren technisch einfach gehaltenen Videos, in denen sie mit Humor die Unterhaltungsindustrie und deren unterschiedliche Formate, aber auch das Kunstsystem mit seiner teils überholt-romantischen Vorstellung vom Künstlerdasein aufnimmt und bearbeitet. Mit bestechender Präzision übt Bag Gesellschaftskritik, formuliert dabei ein tiefes Unbehagen gegenüber unserer heutigen Kultur und tritt meist selber als äusserst wandlungsfähige Akteurin in verschiedenen Rollen auf. Das migros museum für gegenwartskunst zeigt die erste umfassende, institutionelle Präsentation von Bags Arbeiten.

Die Ausgangslage für die Arbeiten von Bag sind zwei thematische Felder, die sich immer wieder überschneiden: Einerseits untersucht Bag die Wechselwirkungen zwischen Hoch- und Populärkultur – andererseits analysiert sie strukturelle Charakteristika und ökonomische Gesetzmässigkeiten des Kunstbetriebs. Gleich mehrere Werke erforschen, wie sich autoritäre Strukturen auf den künstlerischen Werdegang auswirken: Untitled Fall ’95 (1995) thematisiert Kunstakademien, The Van (2001) den Kunstmarkt und Untitled (Project for the Whitney Museum) (2009) und The Artist’s Life (1996) schliesslich den durch den Neoliberalismus institutionalisierten Innovations-, Produktions- und Erfolgsdruck, der heutzutage auf Kunstschaffenden lastet. Formgebender Rahmen für ihre Videos sind unterschiedliche Formate der Fernsehkultur – von der Dating-, Talk- über die Realityshow bis hin zur TV-Reportage und Werbeunterbrechungen: Alles ist Produkt, alles ist Markt, alles kann von der Künstlerin appropriiert werden. Bag nimmt sich der Bilderflut aus der Fernsehwelt an – die sich seit Web 2.0 noch verstärkt beobachten lässt – und legt sie durch verschiedene Verfremdungsstrategien bloss.

Die Künstlerin spielt die meisten Rollen selbst – kostümiert, maskiert und geschminkt. Sie strebt keine naturalistische Performance einer Akteurin an, die sich in ihre Rolle einzuleben versucht (was allgemein als «gutes», «professionelles» Schauspielern gilt und in der Tradition von Konstantin Stanislawskis Schauspieltheorie steht), sondern sucht ein Moment der Differenz, des Zuviels (ein «Overacting», das seine Wurzeln im komödiantischen Schauspiel findet) und des Unfertigen. Dieses Beckett'sche Verfremdungsmoment hat auch die Funktion, die Konzentration auf den gesprochenen Text zu verlagern, der bei Bag ein zentrales Element ist. Bag schreibt die Texte für ihre Videos selbst; die Sprache lehnt sich jeweils dem Format der bearbeiteten Sendungen an und erscheint stellenweise als reines Zitat. Bags «Schreibtechnik» lässt sich mit dem Schaffen postmoderner Autoren vergleichen, die sich durch Sampling mit der Aushöhlung von Bedeutung durch Repetition und Sprachschablonen – die immer mehr unsere Gesellschaft beherrschen – auseinandersetzen. Die Performance dient in erster Linie dazu, den Text szenisch zum Ausdruck zu bringen. Bag verzichtet auf komplexe Settings oder eine aufwendige Kameraarbeit, die spannende Schnittabfolgen ermöglichen würde. Vielmehr setzt Bag für ihre Arbeiten eine Videoästhetik ein, die sich durch Unmittelbarkeit auszeichnet und sich klar von der Hollywood-Filmästhetik und ihrer «Artifizialität» unterscheidet. Das Videobild steht, bedingt durch seine niedrigen Produktionskosten, bis heute auch für ein intimes Bild, da es sich gerade im privaten Rahmen verbreitet hat.

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Alex Bag
Kurator: Raphael Gygax