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Un poète doit laisser des traces de son passage, non des preuves. Seules les traces font rêver.* (René Char, La Parole en archipel)

Nur durch eine Glaswand geschützt, setzt sich der Raum der Passagegalerie gerade im Winter vielerlei widriger Umstände aus: kaum jemand hat Zeit stehen zu bleiben. Es ist kalt, alle haben es eilig zur U-Bahn zu kommen, den nächsten Termin zu erreichen, nur manche, die sich verabredet haben, warten. Mit freundlicher Hartnäckigkeit fordert Alfredo Barsuglia mit seiner neuen Ausstellung die Passanten dazu auf, sich mit dem Phänomen dessen, was man im französischen „passager“ nennt, auseinander zu setzen. Es ist das Flüchtige, Vorübergehende, Vergängliche, dem der Künstler in seiner Installation „Its very artificiality becomes an attraction“ vor Ort ein Raum gewordenes Bild widmet. Der Titel ist ein Zitat aus einem Buch des niederländischen Architekten Rem Koolhaas: In „Delirious New York“ aus dem Jahr 1978 skizziert er mit diesen Worten den speziellen Charme von Coney Island. Alfredo Barsuglia lebt selbst seit einiger Zeit in New York, doch auch er ist hier einer, der kommt und geht. In seinem Werk generiert der Künstler ständig aktuelle Bezüge zu Lebenssituationen, die er in der Metropole antrifft, so auch in „Un-Pleasantville“, eine Installation in der Ausstellung „Diving Through Realities“ (Galerie Feichtner), eine Hommage an seinen Wohnungsnachbar mit einer Szene aus dem Jahr 1973. Das Bühnenhafte, die Illusion von Realität, spielt bei Alfredo Barsuglia zunehmend eine bedeutende Rolle. Seine exakten Porträtstudien, mit denen er seit einigen Jahren große Aufmerksamkeit auf seine Arbeit lenken konnte, werden erweitert um die Inszenierung des Raumes. Das Weglassen und das Fragmentarische sind dabei wichtige Gestaltungselemente. So deutete er den Grundriss einer fiktiven Wohnung, die er in der Passagegalerie nachbaut, mit einer weiß gestrichenen, geschwungenen Holzbordüre an. Wie die Glasscheiben sind auch hier die Wände transparent und geben den Blick bis ins Hinterzimmer frei. Ob man will oder nicht, betritt man visuell einen privaten Lebensraum, wenn auch einer fiktiven Person. Der voyeuristische Blick ist intendiert, mit der Auflage, sich den Bewohner selbst zu imaginieren. Festmachen lässt sich allein der Charakter eines Mannes Mitte dreißig, der als Abbild über dem Kamin hängt und damit zugleich einen Allgemeinplatz, wo Kunst oftmals im privaten Umfeld positioniert wird, zitiert. Die zarte Gesichtsfarbe des Mannes hebt sich von der Möblierung, die ganz in Weiß gehalten ist, ab und erlaubt einen visuellen Konnex mit dem möglichen Bewohner. Ein blau beleuchtetes Aquarium wird zum Beweis, dass tatsächlich Leben im Raum ist, denn die Fische und Krebse brauchen täglich Betreuung. Licht wird in weiterer Folge als Indiz eingesetzt: in einem 5 bis 20 Minuten Rhythmus blinken die Deckenleuchten auf, es scheint, als würde jemand von Zimmer zu Zimmer gehen, der dem Betrachter dennoch verborgen bleibt, als würden sich in Beobachter und Beobachteter in Paralleluniversen aufhalten. Im Nebenraum liegt ein umgefallener Stuhl, daneben Fischfutter ausgestreut. Etwas ist vorgefallen, ob banal oder dramatisch, wird nicht weiter definiert. Alfredo Barsuglia überlässt den Handlungsspielraum dem Betrachter. Sein Setting könnte ein Tatort sein, aber eben nur theoretisch.

Es sind Spuren, flüchtige wie manifeste, die zurück bleiben. Der Passant wird zum Zeugen. Der Beweis bleibt aus. Text: Theresia Hauenfels