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Innenwelten der Malerei

Vor der Malerei, die schon viele große und tausend kleine Tode gestorben ist, gab es schon immer eine Malerei, die unabhängig von diesem medienspezifischen Sterben und Auferstehen ein erstaunlich lebendiges Dasein führte. Die Künstlerin Almut Heise arbeitet seit mehr als dreißig Jahren auf dieser Seite und beschäftigt sich beständig mit zwei zentralen Gattungen der Malerei: dem Portrait und der Interieurdarstellung.

Ihre Einzel- und Gruppenportraits verweisen in ihrem klaren Realismus subtil auf die wechselvolle Geschichte der Malerei. So erinnern beispielsweise Posen und Attitüden an die Bildfindungen von Otto Dix, und direkte Zitate, wie etwa Max Beckmanns Rumänin, lassen das grandiose und doch auch gestrandete Material der Moderne aufscheinen. Mitten in den erhitzten und auch ermüdenden Debatten um eine neue Malerei scheinen Almut Heises Bilder genauso aktuell zu sein, wie sie jenseits modischer Diskursivität unaufgeregt dem Betrachter ins Auge fallen. Mit einer erstaunlichen Kontinuität ist ihr Werk über Dekaden vorangeschritten und kreist doch immer um das Thema der Innenwelten. Portraits und Interieurs breiten eine Erzählung des Privaten, fast Intimen aus. Das Private spielt sich in den Welten geschlossener Räumlichkeiten ab. Auch ist das Private an eine Gegenständlichkeit gebunden, es setzt sich aus Dingen, Personen und Gesichtern zusammen. So definieren sich Almut Heises Bilder durch eine Ähnlichkeitsbeziehung zur Welt – im Sinne einer malereihistorischen Tradition also über genau diese minutiöse Deskription der Dinge, die der Gattung immer schon eignet, und die Almut Heise gegen alle Trends absolut gesetzt hat. Doch das Bild verharrt nicht in dieser Gegenständlichkeit, sondern positioniert sich klar in der gattungspoetischen Konvention, welche die Darstellung der Räume, Oberflächen, Dinge und Menschen an eine Beschreibung im Sinne ihres Zustandes gebunden hat. Sowohl das Interieur als auch das Portrait schildern die abgebildeten Gegenstände, indem sie ihre Zuständlichkeit ausloten, und so entstehen bei Heise Innenräume und Welten, die schon früh als „psychische Interieurs“ beschrieben wurden. Sie partizipieren an den Ausdruckswerten von Orten, Objekten und Figuren. Sie beschreiben eine Welt, ein Milieu, das das Typische hervorhebt. Die Gegenwelt dieser Innenwelten ist das Außen, das Exterieur, die Oberflächen. Und so, wie die Malerei seit Leon Battista Alberti ein geöffnetes Fenster zur Welt sein wollte, ist sie doch nicht mehr als eine Oberfläche geblieben, hinter der wir einen Sinn vermuten. Almut Heises Malerei bietet die vollkommene Projektionsfläche, auf der sich vielgestaltige Sinnschichten für den Betrachter öffnen. Wenn abstrakte Kompositionen Kandinskys über dem Schlafzimmerbett eigentümliche Ähnlichkeiten zu den Vorhang- und Tapetenmustern aufweisen, dann entfalten die Interieurdarstellungen ihren Hintersinn mittels reichhaltiger Verweise, die kulturgeschichtlich auf die Moden und kunsthistorisch auf die Moderne zielen. Hier verbinden sich die Oberflächen von echten und falschen Hölzern, Stoffen, Kacheln, Tapeten und Bildern zu einer Camouflage aus Kunst und Alltagskultur; Original, Imitation und Surrogat verschwimmen in der malerischen Wiederholung: Heise erschafft „psychische Interieurs“, in denen die Gesetze der Ähnlichkeit im Ähnlichen außer Kraft gesetzt werden.

Matthias Mühling, August 2005

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