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Die Ausstellung „An die Substanz. Das Material in der zeitgenössischen Kunst“ richtet den Fokus auf den gezielten Einsatz von unterschiedlichen Materialien als künstlerische Werkstoffe. Dreizehn zeitgenössische Positionen verdeutlichen in der Unterschiedlichkeit ihrer Herangehensweisen einerseits den Pluralismus der aktuellen Kunstproduktion. Andererseits verweist die Strategie, das Material als wirkungsmächtigen Schlüssel einzusetzen, grundsätzlich auf einen gemeinsamen Ansatz. Dies gilt ebenso für die klassischen Werkstoffe wie für die einstmals kunstfremden Materialien, einschließlich nicht-materieller Mittel.

Die Bedeutung des Materials für die bildende Kunst hat im Verlauf der Moderne eine merkliche Veränderung erfahren. Namentlich die Avantgarden des 20. Jahrhunderts markieren hierbei die augenfälligen Wendepunkte gegenüber den vorausgehenden Jahrhunderten und bilden damit gleichzeitig die Grundlage des Verständnisses für die Strategien der Materialverwendung in der zeitgenössischen Kunst. In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts wird das Spektrum der Materialien neuerlich und auf noch umfassendere Weise erweitert. Vor allem seit den 1960er Jahren, einhergehend mit der Auflösung klassischer Gattungsgrenzen, ist eine zunehmende Individualisierung in der Wahl der Werkstoffe zu beobachten. Der Werkstoff als solcher wird mit seiner kulturgeschichtlichen Bedeutung zum Wirkungsträger des Kunstwerks und die semantische Qualität des Materials gewinnt somit gegenüber der materialgerechten Form an Relevanz. Mit der Aktions- und Performancekunst tritt auch der menschliche Körper als küns tlerisches Medium auf den Plan.

Heute scheint in der Kunst kein Material mehr fremd, kein Medium unerprobt zu sein. Die Palette der Materialien - um eine Analogie aus dem traditionellen Kunstschaffen zu bemühen - ist dabei mittlerweile ebenso vielfältig wie die Techniken ausgefeilt sind. In der zeitgenössischen Kunst ist eine Ausdifferenzierung jener Strategien der Vor- und Nachkriegsavantgarden zu beobachten. Die Verbreiterung des Auswahlspektrums mündet also keineswegs in eklektizistische Wahllosigkeit. Vielmehr zeigt sich, dass die Moderne eine eigene Materialikonografie zutage gefördert hat, deren Semantik eng mit der westlichen Sozial- und Kulturgeschichte verknüpft ist. Aus deren Repertoire schöpft die aktuelle Kunstproduktion und schreibt deren Entwicklung nicht nur fort, sondern übt zielsicheren Umgang durch kritische Reflektion und zeitgerechte Fortschreibung. Eine konsequente Übersetzung moderner Strategien in den gegenwärtigen Kontext bedeutet dabei nicht zwingend deren Übertragung in neuere Medi en. Von Interesse und Relevanz sind im Gegenteil eher ein reflektierter Umgang mit der überlieferten Semantik von Materialien und partikulare Bedeutungsverschiebungen als Ergebnis sozialer und kultureller Entwicklung.