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Im Zuge einer Doppelausstellung vermittelt das museum kunst palast gemeinsam mit der Photographischen Sammlung/SK Stiftung Kultur in Köln europaweit erstmals einen Gesamtüberblick über das Schaffen des deutsch-amerikanischen Künstlerpaares Andrea Robbins und Max Becher.

Seit fast zwei Jahrzehnten beschäftigen sich Andrea Robbins (1963 in Boston) und Max Becher (1964 in Düsseldorf) auf der Grundlage historischer Recherchen in ihrer fotografischen und filmischen Arbeit mit der geographischen Transformation und kulturellen Translokation von spezifischen Orten. Hierzu gehören z. B. die Spuren des deutschen Kolonialismus in Namibia, die holländischen Landschaften in Michigan, die Bayern in Washington State und die Indianer in Radebeul, die Robbins/Becher unter dem Thema „Transportation of Place“ in insgesamt 13 Werkgruppen in Köln thematisieren (21.10.2005 – 15.01.2006).

In Ergänzung zu diesen weltweit aufzeigbaren „Ortsverlagerungen“ kultureller Identitäten präsentiert die Düsseldorfer Schau unter dem Titel „Brooklyn Abroad“ zwei umfangreiche Photo-Serien, die die jüdischen Ausprägungen in der Diaspora thematisieren und dabei insbesondere die Lubawitscher Bewegung in den Blick nehmen.

Im Mittelpunkt des Zyklus „770“ aus dem Jahre 2005 steht das in roten Ziegeln und neugotischem Stil in Brooklyn erbaute Gemeindezentrum, das bis heute für die Gemeinschaft der Lubawitscher Juden eine bedeutende Rolle spielt. In diesem Hause wirkte das 1994 verstorbene, hoch verehrte siebte Oberhaupt der Chabad Dynastie, Rabbi Menachem M. Schneerson, der „Rebbe“, der weltweit dazu aufrief, als Jude nicht in der Assimilation oder Entfremdung zu versinken. Das Gebäude mit der Adresse 770 Eastern Parkway in Crown Heights, Brooklyn, gilt als Mutterhaus der Lubawitscher Bewegung. Mehr oder weniger getreue Kopien des Gebäudes finden sich in Italien, Argentinien, Brasilien, Australien ebenso wie in den USA und auch in Israel, und bilden hier weitere Zentren für die breit verstreuten Lubawitscher Gemeinden.

Robbins und Becher untersuchen in dieser Werkgruppe, wie historische und religiöse Identitäten mit der Architektur weitergegeben werden. Gerade dadurch, dass die Bauten die Verbindung von europäischer Bautradition mit nordamerikanischer Kultur und jüdischer Religiosität verkörpern, wirken sie an anderen Orten fremd, fast bizarr, besitzen jedoch große symbolische Ausstrahlungskraft.

Die Konzentration auf nur einen Ort spiegelt die jüngst abgeschlossene Serie „Postville“ (2004/2005) wider. Mit ihr dokumentieren Robbins und Becher das Leben einer Kleinstadt, die im Mittleren Westen der USA liegt: Postville in Iowa. Seitdem im Jahr 1987 ein Lubawitscher Unternehmer aus Brooklyn hier eine Fleischfabrik gründete, die sich auf koschere Produkte spezialisiert hat, mutiert der Ort zu einem osteuropäisch geprägten, gleichwohl multikulturellen „Shtetl“, in dem sich Chassidische Juden, russische und mexikanische Einwanderer zusammenfinden.

Die Doppelausstellung - Köln mit rund 100 Arbeiten, Düsseldorf mit etwa 65 Arbeiten - präsentiert den Blick auf ein photographisches Werk, das sich nicht nur durch die Klarheit der Darstellung und die Stimmigkeit der Farbigkeit auszeichnet. Robbins und Becher schildern die Menschen und deren Plätze sehr präzise und durchaus mit Sinn für die den „verschobenen Identitäten“ eigene Komik, ohne dabei jemals respektlos zu sein. Ihr in Deutschland bislang kaum beachtetes Werk trägt durch den feinsinnigen Blick zur Debatte um das „global village“ bei.

Pressetext, 19.Oktober 2005