artist / participant

press release only in german

Andreas Siekmann, ABMachine / Ne travaillez jamais

In der vierten Plakat-Ausstellung in der Reihe "Arbeitswelten" präsentiert der Künstler Andreas Siekmann mit "ABMachine" und "Ne travaillez jamais" zwei Passagen aus dem Werkzyklus "Aus: Gesellschaft mit beschränkter Haftung". Die Ausstellung ist von Juni bis August 2002 vor den Gebäuden der Wiener Arbeiterkammer in der Prinz Eugenstraße 20-22 und Plösslgasse 13 in 1040 Wien zu sehen. Die Arbeit wird außerdem in der Tageszeitung DER STANDARD sowie auf INFOSCREENs im Wiener U-Bahn-System präsentiert. Ein Projekt von museum in progress in Kooperation mit der Arbeiterkammer Wien.

Brigitte Huck Über "ABMachine" und "Ne travaillez jamais" von Andreas Siekmann Der deutsche Künstler Andreas Siekmann (geboren 1961 in Berlin) präsentiert mit zwei Passagen aus dem Werkzyklus "Aus: Gesellschaft mit beschränkter Haftung" das vierte Projekt der Ausstellungsreihe "Arbeitswelten", das auf den Plakatwänden vor der Kammer für Arbeiter und Angestellte in der Prinz Eugenstraße, 1040 Wien, stattfindet. Seit einem Jahr realisiert die Wiener Arbeiterkammer in Kooperation mit museum in progress Künstlerprojekte im öffentlichen Raum - der Praxis des mip folgend, auf der Präsentationsfläche Plakat und im Kommunikationsbereich der Medien, auf Infoscreens und in der Tageszeitung "Der Standard".

"Arbeitswelten" trägt das Anliegen der AK, gesellschaftsrelevante Fragen im Format der bildenden Kunst zur Diskussion zu stellen, in den öffentlichen Stadtraum und damit zu den ArbeitnehmerInnen. Die Serie begann im Juni 2001 mit einer für die Thematik entwickelten Arbeit von Helmut und Johanna Kandl: "Your way to the Top" verschränkte historisches Fotomaterial und die modernen Werbestrategien der Wirtschaft. Darauf folgte "Remix", eine Konstruktion des Foto- und Medienkünstlers Herwig Kempinger, der, an der Schnittstelle von Form und Funktion, Schlaglichter auf das Ak-plus Logo warf. Schließlich untersuchte Dorit Margreiter mit "Some Establishing Shots (Arbeit)" den Einfluss der Fiktionen aus der Film- und Fernsehindustrie auf die Wirklichkeit unseres Lebens.

Andreas Siekmann, Teilnehmer der documenta 11, geht es um die höchst sensible Frage der sozialen Expansion von Kunst im öffentlichen Raum. "Aus: Gesellschaft mit beschränkter Haftung" ist eine Zeichnungsserie, die ab1996 als work in progress entstanden und in verschiedensten Ausstellungsformaten gezeigt worden ist. Gleichzeitig mit Wien wird Siekmann auf der d11 einen neuen Arbeitsabschnitt präsentieren, der die bisherige Argumentation durchkreuzt bzw. sich mit ihr verknüpft. Für das Plakatprojekt der AK hat Siekmann die Abschnitte "ABMachine" und "Ne travaillez jamais" ausgewählt: Der Künstler beschreibt in seinen Bildern, wie sich der ökonomische Paradigmenwechsel von der sozialen Marktwirtschaft hin zum Neoliberalismus auf die Gesellschaft auswirkt. ABMachine zeigt einige Maßnahmen, "Arbeitslosigkeit zu bekämpfen": Diszipinierungsprogramme, das Trainig von Dienstleistung im Eventmarketing oder in der Cityimagepflege. "Bekanntlich", bemerkt Siekmann, "schafft technischer Fortschritt nicht Arbeitsfreiheit, sondern Arbeitslosigkeit." Die Parole "Ne travaillez jamais" stand 1959 auf einer Mauer der Rue de Seine in Paris. Der Schriftzug wurde von der Situationistischen Internationale als "Vorprogramm der Bewegung" und Zeugnis ihrer Lebensweise identifiziert.

Auf Siekmanns Filzstift-, Aquarell- und Lackmalstiftzeichnungen wird der öffentliche Stadtraum zur Bühne des sozialen Umbaus. Die Veränderung des Arbeitsbegriffs, der Wandel der Unternehmenskultur und das erschütterte Demokratieverständnis führen zur grundsätzlichen Frage nach der Herkunft von Bildern, ihrer Intention und Rezeption. Die einzelnen Teilserien der Arbeit funktionieren als lineare Bildketten, man kann sie "lesen" und ihren Argumenten folgen. Die "Lesbarkeit" der Zeichnung wird von ihrem comicartigen Stil, ihrer ornamentalen Fülle und der Beschränkung auf drei Farben unterstützt.

Andreas Siekmanns Storyboards auf den Billboards der Kammer für Arbeiter und Angestellte sind eine geradezu ideale Fortsetzung der vor einem Jahr begonnenen, erfolgreichen Zusammenarbeit. Das neue Profil der Kunstförderung der AK Wien findet durch das markante Medium Plakat nicht nur eine adäquate Visualisierung, sondern auch eine Reflexionsfläche für die Transformationen in der heutigen Arbeitswelt, die österreichische und internationale KünstlerInnen immer wieder neu und überraschend kommentieren.

Andreas Siekmann Aus: Gesellschaft mit beschränkter Haftung ist eine Zeichnungsserie, die von 1996 bis 1999 entstand. Sie wurde August 1999 im Portikus, Frankfurt am Main, ausgestellt. In ihr ging es darum, wie sich die in den 90er Jahren umstrukturierten und ideologisch konkurrenzlosen wirtschaftlichen Machtverhältnissen auf den öffentlichen Raum auswirken.

Die Arbeit an den Zeichnungen entstand teilweise auch aus einer gewissen Distanznahme zu einer Praxis von Kunst im öffentlichen Raum, deren Verständnis von Intervention angesichts der verstärkten Einschränkungen von Aufenthaltsrechten und Bewegungsfreiheit im Stadtraum eine falsche Freiheit zu proklamieren schienen. Oft auch schienen gerade Kunst im öffentlichen Raum-Projekte einen Reformwillen nachzuvollziehen, der im Prozess der allgemeinen Gentrifizierung die Seite der Auftraggeber nicht wechseln konnte.

So erschien es notwendig, sich von dieser Praxis erst einmal zurückzuziehen und am Zeichentisch zu rekapitulieren, was unter welchen Bedingtheiten als öffentlicher Raum bezeichnet werden kann. Unter öffentlichem Raum sind dabei nicht nur die Straßen und Plätze einer Stadt zu verstehen, sondern vor allem die Produktion und damit auch die Kontrolle von Bildern und ihrer Bedeutungsmuster, in denen sich eine gesamtgesellschaftliche Tendenz spiegelt, die im letzten Jahrzehnt oft mit dem Begriff "Neoliberalismus" bezeichnet wurde.

"Neoliberalismus" als Ideologie ist äquivalent zu den Standortdiktaten (Senkung der Unternehmens-, Vermögens- und Gewerbesteuern, Tarifdiktate, Massenentlassungen etc.) der Multis in sämtlichen gesellschaftlichen Bereichen nachvollzogen worden. Rationalisierungskuratorien sind ein absolutes "must" für jede Sektion der öffentlichen Belange. Die Stadt - samt ihrer kulturellen und sozialen Teilbereiche - bezeichnet sich als "Unternehmen" und gefällt sich im Effizienz-Posing. Dabei wird - sei es auf Metropolen- oder Landesebene - der sogenannte "freie" Wettbewerb (der Stein der Weisen der Marktwirtschaft) nur mehr simuliert. Fast monatlich sprechen die Kartell-Lobbys der OECD und der G7+1 ihre "Terms of Trade" ab, die den einzelnen Staaten unter dem Gebot der Anschlussfähigkeit an EU oder NATO ihre Wirtschaftspolitik aufoktroyieren. Dies alles wird mit dem Euphemismus der Modernisierung kaschiert. "Diese rationalisierte Mythologie ließe sich ... als wohldurchdachtes Delirium beschreiben. Sie gilt es zu widerlegen, sei es durch Nachdenken oder durch Tatsachen." (Pierre Bourdieu, "Der Tote packt den Lebenden", Stuttgart 1997) ...oder durch zeichnen.

"Aus: Gesellschaft mit beschränkter Haftung" ist in verschiedene Argumentationslinien gegliedert, die den Themen Arbeitslosigkeit, Stadtpolitik, Unternehmensmanagement und deren medialer Präsenz im Stadtraum gewidmet sind. In den Zeichnungen werden deren Auswirkungen, deren Reaktionen und Gegenreaktionen um städtepolitische Entscheidungen und Planungswünsche aufgeführt, um schließlich unter Einschluss einer "Wenn- Dann- Schleife" das Gegenteil zu erproben.

Bekanntlich schafft technischer Fortschritt nicht Arbeitsfreiheit sondern Arbeitslosigkeit. Der Abschnitt ABMachine zeigt einige Maßnahmen "Arbeitslosigkeit zu bekämpfen": Disziplinierungsprogramme, das Training von Dienstleistungen im Eventmarketing oder in der Cityimage-Pflege. Auch wenn die "100.000-Jobs-Initiativen" etc. sich auf dem Arbeitsmarkt als Fake erweisen, dienen sie zur Aufrechterhaltung der Ideologie von Beschäftigung und ihren zahlreichen Befehls- und Gehorsamsstrukturen als gesellschaftlicher Ordnungsfaktor.

NE TRAVAILLEZ JAMAIS stand 1959 auf einer Mauer in Paris und wurde dem Umfeld der "Situationistischen Internationale" zugeordnet