Andreas Siekmann. Falsche Freiheit | The Big Four

Eröffnung Freitag, 17. März, 18–21 Uhr
Öffnungszeiten: Di–Sa, 11–18 Uhr

In seiner fünften Einzelausstellung in der Galerie Barbara Weiss zeigt Andreas Siekmann eine Serie von Aquarellen und eine Installation, die sich auf verschiedene Weisen auf den gesellschaftlichen Raum in seiner gegenwärtigen Situation beziehen. Falsche Freiheit, so der Titel der Aquarellserie, stellt hypothetische Entwürfe für Kunstwerke im öffentlichen Raum dar, die Installation The Big Four unternimmt den Versuch, die Prozesse der Privatisierung in der Ukraine unter der Ägide der Troika von Weltbank, Internationalem Währungsfond und der EU sichtbar zu machen.

Falsche Freiheit entstand in den letzten beiden Jahren, einer Zeit, in der der öffentliche Raum, bzw. die Frage, was der öffentliche Raum eigentlich ist, eine neue Dringlichkeit erfuhr. Andreas Siekmanns Entwürfe für mögliche Kunstwerke, sei es zur Flüchtlingskrise, zu Public-Private-Partnership oder zu trister Investorenarchitektur versuchen politische Realitäten in Repräsentationen zu fassen und zeigen zugleich die Unmöglichkeit auf, dies auf adäquate Weise zu tun. Sie missraten zum leeren Monument, zur Karikatur oder zur Farce. Dieses Missraten betrifft ein Vorstellungsvermögen, das es nicht unterlassen kann, sich auf den öffentlichen Raum als Bezugsgröße künstlerischen Handelns zu projizieren. Die Entwürfe adressieren dieses Verpassen und den darin enthaltenen Wunsch, während sie von lapidaren Schlagzeilen durchkreuzt werden: ein Weltnews-Strom, der sich vor den Projektionsraum schiebt und möglicherweise behauptet, dass das, was wir unter Öffentlichkeit verstehen - die demokratische Teilhabe an gesellschaftlichen Räumen, an Lebensraum und an existenziellen Ressourcen - vorbei oder auch nie gewesen ist. Aber das Wünschen hört nicht auf.

The Big Four ist eine konkrete Fallstudie der Prozesse, die den öffentlichen Raum erodieren. Auf Schnittmustern von Herrenanzügen, die wie Fahnen gezeigt werden, werden Vorgänge in der Ukraine dargestellt. Die Ukraine, seit 2014 durch ein Assoziierungsabkommen mit der EU verbunden, hat in den letzten Jahren auf Druck der Geldgeber – Weltbank, IWF und EU- nicht nur einer weitreichenden und langfristigen Privatisierung zugestimmt, sondern hat sich zu einem Testfeld entwickelt, in dem neue „Sicherheitskonzepte“ und biotechnologische Versuche implementiert werden, die innerhalb der EU gegen geltendes Recht verstoßen würden. Der Ausdruck „The Big Four" bezieht sich auf monopolartige Strukturen innerhalb verschiedener Weltmärkte, in denen häufig vier Akteure einen Großteil des Marktes kontrollieren, Beispiele hierfür wären Unternehmensberater, Ratingagenturen und Saatgutkonzerne. Andreas Siekmann verbindet diesen Begriff in seiner Installation mit den biblischen vier apokalyptischen Reitern, die mit ihrer je eigenen Methode des Terrors über ein Gebiet herfallen. Das Futter der Schnittmuster verbildlicht die wirtschaftlichen Pläne von Unternehmen, Thinktanks und Lobbygruppen aus der EU, USA, Deutschland, China und Saudi Arabien, die sich intensiv und erfolgreich umfangreiche Einflussnahme gesichert haben. Diese Vorgänge sind typisch für einen Prozess, den man seit 1989 unter „Transformationsökonomie" versteht. Die Arbeit besteht aus vier Anzugteilen, die vier verschiedene Charaktere dieser Transformation thematisieren:

Linkes Hosenbein: Die Abschiebeknäste, Pavichno, Zhuravuchi, Martyniwske, Volyn, Mukachevo in den Wäldern im Auftrag der EU. Die erwartete Bereitschaft, zu kooperieren: Orte zum Outsourcen von Folter und unrechtmäßiger Inhaftierung.

Jackenhälfte: Die Troika in der Ukraine besteht aus Weltbank, IWF und EU-Kommission. Sie knüpft die Beitrittsund Kreditaussichten an Bedingungen, die politische Entscheidungsmöglichkeiten und Rechte kommodifizieren. Die nationale Administration mit ihrem kameralistischen Arsenal stellt sicher, dass die Bedingungen zu alternativlosen Tatsachen werden.

Rechtes Hosenbein: Das andere Arsenal besteht aus strukturierten Finanzprodukten, mit denen die Infrastruktur und die Ressourcen eines Landes appropriiert werden. Es sind Jointventure-, Leasing- und Crossborder Abkommen. Hier dargestellt am Beispiel der Flex Crops, genetisch verändertem Saatgut, das sich je nach Weltmarktlage für Nahrungsmittel, Biokraftstoff, Tierfutter oder als humanitäre Hilfe verkaufen lässt, d.h. der Zurichtung der Landwirtschaft zum Faktor im Handel mit Futures.

Pferdekopf : Die SWOT-Analyse ist ein wichtiges Instrument, um die Aussichten und Schwächen eine Landes für die Investoren zu evaluieren. Auf der anderen Seite stehen die möglichen Objekte dieser Analyse und Bewertungen. Die Gewinne, die nun gerated sind, müssen nur noch verifiziert werden.

Eine erste Version von The Big Four entstand für School of Kyiv, Kiev Biennale, 2015.