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"Was ist die Zeit? Ein Geheimnis, - wesenlos und allmächtig. Eine Bedingung der Erscheinungswelt, eine Bewegung, verkoppelt und vermengt mit dem Dasein der Körper im Raum und ihrer Bewegung. Wäre aber keine Zeit, wenn keine Bewegung wäre? Keine Bewegung wenn keine Zeit? Frage nur! Ist die Zeit eine Funktion des Raumes? Oder umgekehrt? Oder sind beide iden-tisch? Nur zu gefragt! Die Zeit ist tätig, sie hat verbale Beschaffenheit, sie 'zeitigt'. Was zeitigt sie denn? Veränderung! Jetzt ist nicht Damals, Hier nicht Dort, denn zwischen beiden liegt Bewegung." Thomas Mann, Zauberberg

Mit “ars viva 2004/05” zeichnet der Kulturkreis der deutschen Wirtschaft in diesem Jahr vier Künstlerin-nen und Künstler aus, die sich mit unterschiedlichen Vorstellungen von Zeit auseinandersetzen. So ein-fach dieses Thema bildnerisch umsetzbar zu sein scheint, so komplex sind doch die Aussage- und Ges-taltungsmöglichkeiten.

Prinzipiell ist jedem Kunstwerk aller Zeiten, Kulturen und Epochen eine jeweils spezifische Vorstellung von Zeit inhärent. Zeitlichkeit kann dabei mit der Produktion, der Form, dem Ausdruck, dem Inhalt oder der Rezeption eines Werkes in Zusammenhang stehen. Ob wir uns die als ‚zeitlos’ konzipierten blockhaf-ten Steinskulpturen der Ägypter oder die als Spiegel eines ‚lebenden Organismus’ verstandenen bzw. in Bewegung eingefroren Statuen des antiken Griechenland anschauen, ob wir die transzendentalen Dar-stellungen in mittelalterlichen Altären oder die Vanitasmotive in der Malerei der Neuzeit als metaphori-sche Umschreibungen verschiedener Zeiträume und zeitlicher Übergänge erfahren oder ob wir schließ-lich in dadaistisch-surrealistischen Ereigniskunstwerken und den bis in die Gegenwartskunst hinein aktuellen Aktionskunstformen Zeit und Veränderung als realen Prozess miterleben: das Thema Zeit ist immer und stets auf unterschiedlichste Art und Weise gegenwärtig. Im 20. Jahrhundert und hier insbesondere in der Kunst seit den 60er Jahren spielt das Phänomen Zeit in der Kunst eine zentrale Rolle. Aktion, Fluxus, Kinetik, Variabilität, Prozess, Ablauf, Messung oder die serielle Dokumentation, menschlichen Handlungen, natürlichen Ereignissen oder gesellschaftlichen Realitäten und Prozessen sind seither zentrale Ansatzpunkte des bildnerischen Denkens und Gestaltens. Erstmals werden objektive Zeiteinteilung und subjektive Zeiterfahrung miteinander verbunden, spielt die Beschäftigung mit dem der Thermodynamik entliehenen Gesetz der Entropie insbesondere bei Werkfor-men mit zunehmend gesellschaftskritischer Ausrichtung eine wichtige Rolle oder sind Kunstformen, die sich als körperliche oder mediale Interventionen verstehen, durch eine spezifische zeitliche Dimension geprägt.

Dass die Ausstellungshäuser in Mannheim, Düsseldorf und Warschau für die diesjährige Präsentation ausgewählt wurden, freut uns nicht nur, sondern darf als ein Hinweis dafür gewertet werden, dass sich an diesen Orten eine Ausstellungspolitik etabliert hat, in deren Zentrum die Auseinandersetzung mit der jungen Gegenwartskunst steht.

Die Zusammenarbeit mit dem Gremium des Kulturkreises unter dem Vorsitz von Dr. Arend Oetker war von großer Kompetenz und Einfühlsamkeit geprägt. Die organisatorische Vorbereitung und Durchfüh-rung der Jurysitzungen und Atelierbesuche durch Isabel Podeschwa sowie ihre sachkundige Vorplanung der Ausstellungen und des Katalogs, die in enger Zusammenarbeit mit den Künstlern geschah, werden das Projekt für die Besucher zu einem besonderen Erlebnis machen. – wir danken ihr für ihr großes Engagement. Unserer besonderer Dank schließlich gilt den Künstler Michael Hakimi, Peter Piller, Katja Strunz und David Zink Yi – wir freuen uns auf ihre Ausstellungsbeiträge.

Nach fast 100 Jahren ihres Bestehens realisiert die Kunsthalle Mannheim seit 2003 programmatisch einen Neuanfang. Unter dem Motto „Lebendigmachen des Kunstbesitzes“ werden ausgewählte Werke der Mannheimer Sammlung mit zahlreichen Leihgaben aus internationalen privaten und öffentlichen Sammlungen zu inhaltlich abgestimmten Werkgruppen verbunden. Dabei steht der kritische Dialog zwi-schen vergangenen Epochen und aktueller Gegenwart im Mittelpunkt. Mit der Kunsthalle verbunden wa-ren stets Auszeichnungen, die der Förderung junger Künstler dienen sollten, wie z.B. der “H. W. & J. Hector Kunstpreis”, der in der langen Traditon des “Kunstpreises der Jugend” und des “Forum junger Kunst” steht - sie haben in den letzten Jahrzehnten stets die neuesten Kunsttendenzen nach Mannheim gebracht.

Auch der Kunstverein für die Rheinlande und Westfalen in Düsseldorf ist gerne Gastgeber der ars viva-Ausstellung und freut sich über die Gelegenheit, vier herausragende junge Positionen zum Themen-schwerpunkt Zeit präsentieren zu können. Seit seiner Gründung vor mehr als 175 Jahren hat sich der Kunstverein, der seine Räume in der Kunsthalle am Düsseldorfer Grabbeplatz hat und mit über 4000 Mitgliedern der größte Kunstverein in Deutschland ist, der Kunst der Gegenwart verschrieben. Verschiedene Aspekte und Ansätze, die in dieser Ausstellung zum Thema Zeit zum Tragen kommen, scheinen in gewisser, sicher nicht zufälliger Weise schon vorbereitet zu sein, durch Projekte von Künst-lern wie Tacita Dean, Sam Durant oder Ohio, die in den letzten Jahren im Kunstverein vorgestellt wurden.

Erstmals findet die Ausstellung „ars viva“ im Nachbarland Polen statt, in einer der bedeutendsten Aus-stellungshäuser für Zeitgenössische Kunst Polens, der Nationalgalerie Zacheta. Nach ihrer Gründung im Jahr 1854 verstand sich Zacheta als Ort, der das nationale Kunstschaffen Polens präsentierte und zugleich durch einen regen Austausch mit dem europäischen Ausland Stilentwicklungen der Nachbarländer vor-stellte. Seit 1994 hat sich der Schwerpunkt verschoben: das Konzept des Sammlungsmuseums wurde aufgegeben zugunsten eines lebendigen Ausstellungshauses für das 19. und 20. Jahrhundert – den Be-suchern steht eine Bibliothek, Videothek und Internet-Arbeitsräume zur Verfügung. Einschlägige Ausstellungen waren unter anderem eine große Schau aktueller chinesischer Kunst und eine Einzelausstel-lung von Maurizio Cattelan.

Pressetext

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ars viva 04/05 - Zeit
Förderpreisträger des Kulturkreises der deutschen Wirtschaft im BDI"

mit Michael Hakimi, Peter Piller, Katja Strunz, David Zink Yi

Stationen:
10.10.04 - 09.10.04 Kunsthalle Mannheim
19.02.05 - 24.04.05 Kunstverein Düsseldorf
Zacheta Gallery, Warschau