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Die Schirn präsentiert mit „durchnässt“ ein neues Werk von Ayşe Erkmen, das die Künstlerin speziell für die Schirn-Rotunde konzipiert hat. Die Arbeit fügt sich in die Reihe der Werke von Carsten Nicolai, Elmgreen & Dragset, Olafur Eliasson, James Lee Byars und Costa Vece, die bisher an diesem Standort realisiert wurden. Ayşe Erkmen arbeitet im Bereich der Schirn-Rotunde ausschließlich mit den räumlichen Gegebenheiten. Vom kreisrunden Platz vor dem Eingangsbereich der Schirn, der von dicken Betonsäulen umstellt ist, führen Wege in alle Richtungen. Durch Ayşe Erkmens Intervention wird diese panoptische Wartehalle zu einer gefährlichen Bühne, die den Blick auf den Boden zwingt und jeden Schritt nach einer scheinbar zufälligen Partitur choreographiert. Anstatt des in konzentrischen Kreisen angelegten Pflastersteinbodens breiten sich schmutzige Wasserpfützen sowie lehmige und unregelmäßig verteilte Inseln aus. Ausgangspunkt der Arbeit sind Fotos einer ungepflasterten Straße mit barackenartigen Häusern im Hintergrund, die Erkmen in Pristina im Kosovo aufgenommen hat. Die Dislokation eines Raumes oder Gegenstandes und dessen Implementierung in einen neuen Kontext – in diesem Fall in das Zentrum einer westlichen Finanzmetropole – sind ein wesentliches Element im Werk der 1949 in Istanbul geborenen und in der Türkei und in Deutschland lebenden Künstlerin.

Ayşe Erkmens Interventionen operieren nicht nur mit Dislokation und Implementierung, sondern nehmen häufig den Charakter eines Hindernisses an, das physisch überwunden werden muss. Die Künstlerin lenkt die Aufmerksamkeit gezielt auf das körperliche Verhalten eines Betrachters und steigert dadurch die Wahrnehmung für den Kontext, auf den die Gegenstände ausstrahlen. Über ihre minimalen Eingriffe finden an einem spezifischen Ort mehrfach gerichtete Dialoge statt, die allenfalls von den Artefakten, die sie strategisch platziert, ausgelöst, nicht aber zur vollständigen Erklärung ihrer Werke verwendet werden können. Immer steuern Ayşe Erkmens Arbeiten auf künstlerische Widersprüche zu, die sie an einem vorgefunden Ort installiert oder, besser gesagt, durch Modifikationen dieses Ortes betont.

Dabei bedient sich die Künstlerin einer Haltung, die auf künstlerische Produkte im üblichen Sinn weitestgehend verzichtet. Es gibt von Ayşe Erkmen keine Arbeiten – es gab sie. Es sind bis auf wenige Ausnahmen Installationen auf Zeit – Werke, die sie zu einer bestimmten Zeit an einem bestimmten Ort entstehen ließ. Dass man nach Ablauf der Ausstellungen von den Werken nur noch berichten kann, bildet einen wesentlichen Aspekt ihrer künstlerischen Strategie. Diese Vorgehensweise erlaubt es ihr, radikale wie elementare Veränderungen vorzunehmen, denn es wird kein Produkt angestrebt, sondern ein Zustand, der für eine begrenzte Dauer exemplarisch einen Gedanken vor Augen führt. Trotz seiner Verankerung in der Tradition der konzeptuellen Kunst versteht sich Ayşe Erkmens Werk durch die Oszillation zwischen dem künstlerischen Objekt und dessen räumlicher Umgebung jedoch auch als Skulptur. Dies tritt in der beinahe auratischen Inszenierung der Schirn-Rotunde verstärkt hervor. Das plastische Material, eine Art natürliches Relief bildend, obliegt der Veränderung, die das Licht auf der Oberfläche des Wassers und die Bewegungen der Passanten auf dem rohen Sand-Lehm-Gemisch verursachen. Der Ersatz für den ursprünglichen Bodenbelag ist vielmehr seine Betonung, eine Erkenntnis, die allerdings erst nach dessen Wiederherstellung gemacht werden kann.

Ayşe Erkmen wurde 1949 in Istanbul geboren und lebt in der Türkei und in Deutschland. Sie hat eine Reihe von herausragenden Arbeiten realisiert, z. B. für „Skulptur. Projekte in Münster“, 1997, wo sie antike Skulpturen an einem Hubschrauber befestigt über die Stadt Münster fliegen ließ. Für die Reihe „Moment“ der Deutschen Bank realisierte Ayşe Erkmen 2001 das Projekt „Shipped Ships“, für das drei Fähren aus Japan, Italien und der Türkei auf Containerschiffen nach Frankfurt gebracht wurden, um für einen Monat als Personenfähren den Main zu kreuzen. Mit zahlreichen Einzelausstellungen wie in der Wiener Secession 2002 und Beiträgen auf Biennalen in Istanbul, São Paulo, Montreal und Berlin zählt Ayşe Erkmen zu den wichtigsten zeitgenössischen Künstlerinnen unserer Zeit. Seit 2000 ist Ayşe Erkmen Professorin an der Städelschule in Frankfurt.

Pressetext

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Ayse Erkmen „durchnässt“
ORT: Schirn Kunsthalle Frankfurt, Rotunde (Außenraum)