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Vernissage: Samstag, 24. Mai 2008, 18 Uhr

Performance von Heinrich Lüber: Mittwoch, 4. Juni 2008, 20 Uhr

Der Ausstellung liegt das Bild eines physikalischen Vorgangs zugrunde: Ein Backdraft entsteht, wenn ein schwelendes Feuer Sauerstoff ansaugt und mit einem Mal explodiert. Dieses und ähnliche Phänomene gehen mit grossen «Energieverschiebungen» einher, Materie verändert sich innerhalb kürzester Zeit. Ein solcher Zustand ist immer latent, kippt plötzlich, verwandelt sich und bringt neue Situationen hervor. Beim Beschreiben und Reflektieren solcher Momente bleibt immer ein Gefühl von Uneindeutigkeit zurück, die aufgeladene Atmosphäre wird sich – im nächsten Augenblick, aus einem anderen Betrachtungswinkel – stets verändern.

Die Ausstellung «Backdraft» wird kuratiert von der in Zürich lebenden Kuratorin Irene Müller. Sie versammelt sieben künstlerische Positionen, die sich mit Verschiebungen und Verdichtungen, Kompression, Extraktion und Kondensation von Zeit, Raum und Bewegung beschäftigen. In den künstlerischen Arbeiten manifestieren sich vibrierende Momente und latente Spannungszustände. Die Ausstellung untersucht diese Phänomene sowohl in zeitbasierten Medien als auch in installativen Arbeiten, Fotografien und Malerei. Zugleich fragt sie damit nach den Gegebenheiten und Grenzen der menschlichen Wahrnehmung, der Rezeption von zeitlichen Momenten und Dauer, der Auffassung von räumlichen Konstrukten. Wie artikuliert sich die Gleichzeitigkeit von Stillstand und Bewegung in einem Bild? Was bedeuten jähe Unterbrechungen in einem raum-zeitlichen Kontinuum, wie konstituiert sich ein solches Gefüge nach einem abrupten Einschnitt? Und wie verhält es sich mit den scheinbar entleerten Bereichen, die sich am Rand in unsere Wahrnehmung schieben?

Die Performance von Heinrich Lüber (1961, lebt in Basel) befragt das Erleben und Erinnern von Musik. Ein Sänger führt in seinem Kopf Musik auf. Markierung, deutliche Artikulation und fast nur gestisches Memorieren: Die performative Anordnung entwirft eine Struktur im Raum, die Einblicke in den spezifischen Moment einer Aufführung erlaubt, sich einer verbindlichen Praxis aber immer wieder entzieht. Chantal Romani (1971, lebt in Zürich) entwirft mit «via» eine Art Gegenbild: das Ausharren und Verstreichenlassen von Zeit, das eine Aktion plötzlich unterbricht. Dabei entwickelt die Zusammenschau der neun LCD-Monitore einen audiovisuellen Rhythmus, der mit unserer Aufmerksamkeit spielt und zugleich hinterfragt, wie wir das Vorher und Nachher eines Ereignisses wahrnehmen. Zeitliche Strukturen sind auch Thema in der Videoprojektion «balanced» von Nives Widauer (*1965, lebt in Wien). Gefangen in einer endlosen Vorwärts- und Rückwärtsbewegung gleitet ein Skispringer durchs Bild. Während kurzer Momente decken sich die Figur im Video und diejenige auf der Projektionsfläche, einem Videostill aus demselben Video. Die Silhouetten sind für Sekundenbruchteile kongruent. Danach gleitet der Skispringer weiter auf seiner Bahn, während die Figur im Videostill gleichsam als Schatten, als Abdruck seiner Präsenz zurückbleibt.

Andrea Wolfensberger (1961, lebt in Waldenburg BL) beschäftigt sich in ihren Arbeiten mit den Bedingungen von «natürlichen Ordnungen» und der Konstruktion menschlicher Wahrnehmung. Für die Fotoarbeit «Bach» montiert sie einzeln aufgenommene «Naturausschnitte» so zusammen, dass sich beim Abschreiten der langen, schmalen Fotografie der Eindruck von Bewegung gerade nicht einstellt. Vielmehr sucht man nach Halt in einem Bild, dessen Perspektive sich keiner gesamthaften Ansicht unterordnet, sondern immer nur abschnittsweise «funktioniert» und so die «Panoramaansicht» unterwandert. Ähnlich komplex konstruiert Olaf Quantius (1971, lebt in Basel) die (Bild-)wirklichkeit seiner Gemälde. Präzise, differenziert aufgefasst «Wirklichkeitsausschnitte» oder einfache, deutlich umrissene Formen werden von markanten Farbsetzungen begleitet, überlagert, konterkariert. Die so entstehenden Zwischenräume eröffnen im Bild eine Spannung, die in die Tiefe des Bildraums vorzudringen scheint und die einzelnen «Bildelemente» aus ihrem Zusammenhang löst und in neue Bild-immanente Realitäten einbindet. Eine Art Einblick in eine «andere Welt» evoziert auf den ersten Blick auch die Videoskulpturen «Living in a Box 1 – 4» von Anina Schenker (1971, lebt in Zürich). Die Videobilder, in denen eine nackte, weibliche Person in einer Kiste verschiedenen Elementen und Seinszuständen ausgesetzt ist, oszillieren zwischen Beklemmung, eigentümlicher Schönheit und Labor ähnlichem Ambiente. Sie loten die physischen sowie psychischen Befindlichkeiten sowohl seitens der Protagonistin – der Künstlerin selbst – als auch des Publikums subtil aus und involvieren die BetrachterInnen auch auf einer emotionalen, existentielle Fragen berührenden Ebene. Morgane Tschiember (1976, lebt in Paris) setzt sich in ihrer Installation «Open Painting» direkt mit den räumlichen und «atmosphärischen» Gegebenheiten des Ausstellungsraums auseinander. Die in der Regel ortsspezifischen Arbeiten der Künstlerin bewegen sich im Grenzbereich Skulptur, installativen Anordnungen und Malerei, hinterfragen die (technischen, konzeptuellen) Bedingungen dieser Medien und positionieren sich letztlich als künstlerische Formulierungen, die jenseits von eindeutig verorteten medialen Parametern liegen.

«Backdraft» entwirft ein audiovisuelles, räumliches, aber auch konzeptuelles Netzwerk, innerhalb dessen die sieben ausgewählten Positionen individuelle Herangehensweisen an verschiedene Bewegungsmomente sowie Raum- und Zeitauffassungen aufzeigen. Facetten von energetischen Ordnungen, von Dynamik und Stillstand, von aufeinander prallenden visuellen und akustischen «Bildern» verweben sich zu einer dichten Struktur. Die Arbeiten agieren darin autonom, in ihrem Nebeneinander, dem Aufeinandertreffen in einem Raum artikulieren sich latente Beziehungen, gegenseitige Kommentare und Annäherungen, aber auch klare Distanznahmen.

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Backdraft
kuratiert von Irene Müller

mit Heinrich Lüber, Olaf Quantius, Chantal Romani, Anina Schenker, Morgane Tschiember, Nives Widauer, Andrea Wolfensberger