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Eröffnung: Fr, 13.03.2009, 19 Uhr im ZKM_Foyer

Nach einem Jahrhundert zunehmender Spezialisierung des Wissens, haben sich die Kenntnisse um die Wirklichkeit immer mehr in Einzelteile zerlegt. Um diese fragmentierten Erfahrungs- und Wissenselemente wieder miteinander verbinden zu können und ihrer Komplexität gerecht zu werden, stellt uns die Gegenwart vor die Aufgabe, neue Denkmodelle, Methoden und Werkzeuge zu entwickeln. Denn Tatsache ist, dass große Teile der politischen, ökonomischen, sozialen und kulturellen Probleme heute kaum mehr isoliert gelöst werden können. Die Frage nach offenen und damit flexiblen und entwicklungsfähigen Systemen wird heute in vielen Bereichen neu gestellt. Querverbindungen und gezielte Öffnungen zuvor hermetisch abgeschlossener Erfahrungs- und Wissensbereiche bringen dabei neue Erkenntnisse um die Struktur und Funktion vernetzter Systeme.

In der spanischen Wissenschaft ist die Theorie von Netzwerken erstmals von dem Mediziner und Neuroanatomen Santiago Ramón y Cajal am Ende des 19. Jahrhunderts vorgedacht und visualisiert worden. Seine Neuronentheorie zeigte, dass neuronale Netze die Informationsarchitekturen unseres Gehirns und Nervensystems bilden. Cajal erkannte als Erster, dass neuronale Nervenzellen als selbständige, elementare Signaleinheiten des Gehirns fungieren. Diese Neuronen ermöglichen die Kommunikation zwischen den einzelnen Zellen über ihre Empfangselemente (Dentriden) und Senderelemente (Axone). Das neuronale Netz als Ganzes ist also eine entwicklungsfähige und veränderbare Struktur, in der nicht die Zelle an sich, sondern die jeweilige Verbindung zwischen den Zellen entscheidend für die Art der Wahrnehmung, des Denkens und des Handelns ist. Damit ist die Idee eines dezentralisierten und verteilten Informationssystems schon seit der Geburtsstunde der modernen Neurowissenschaften ein wichtiger Aspekt der Forschung.

In den 1990er-Jahren geht es auch bei der von Manuel Castells untersuchten Informationsgesellschaft um das Phänomen netzbasierter Informationsarchitektur. Als Soziologe und Urbanist verortet er diese Informationsarchitekturen jedoch nicht mehr im Hirn, sondern in den vernetzten Stadtgebieten und der globalen Internetstruktur, die heute die ökonomische Produktivität, kulturelle Hegemonie und politisch-militärische Macht bestimmt. Denken und Handeln hat somit innerhalb der kommunikationstechnologischen Entwicklung ein neues Aktionsfeld gefunden. Dabei liegt die Vermutung nahe, dass sich die Informationsarchitektur des Gehirns in globalen Kommunikationsnetzen und urbanen Lebensräumen materialisiert. Dies käme einer Externalisierung und Erweiterung unserer Gehirnstrukturen gleich.

Von neuronalen Mikrowelten zur globalen Dynamik digitaler Vernetzung führt uns in diesem Zusammenhang die Ausstellung Banquet_nodes and networks. Sie zeigt aktuelle Positionen spanischer Medienkunst, die sich mit vernetzten Systemen auseinandersetzen und stellt dadurch eine vertiefende Ergänzung zur vorangegangenen Ausstellung Der diskrete Charme der Technologie dar. In den Arbeiten dieser Ausstellung werden Verbindungen von biologischen, sozialen und kulturellen Netzwerken visualisiert und partizipativ erfahrbar gemacht. Dabei geht es um die Wahrnehmung des Lebens als ein vernetztes System – vom Wasser-Molekül bis hin zum globalen Ökosystem. Es geht um die Untersuchung menschlicher Existenz als Teil dieses komplexen, sich selbst organisierenden und erhaltenden Gewebes; als Schnittstelle zwischen den mikro- und makroskopischen, den endo- und exosomatischen Phänomen des Lebens sowie auch als Interface zwischen den biologischen, technologischen oder soziokulturellen Bedingungen und Entwicklungen menschlichen Seins.

Die Beziehungen und Spannungen zwischen lokal verbundenen Gemeinschaftsformen einerseits und globalen Gesellschaftsstrukturen andererseits werden kritisch hinterfragt und neu formuliert. Anhand von über dreißig digitalen und interaktiven Projekten wird die Komplexität der Netzstruktur als gemeinsame Matrix erfahrbar. Dabei entstehen neue Querverbindungen, die von Santiago Ramón y Cajals neuronaler Netztheorie vom Ende des 19. Jahrhunderts bis hin zu Manuel Castells aktueller netzbasierter Theorie der Informationsgesellschaft führen.

Zur Ausstellung erscheint ein zweisprachiger Katalog (englisch/spanisch) mit Beiträgen aus den Bereichen Architektur, Biologie, Kunsttheorie, Mathematik, Neurowissenschaft, Philosophie, Soziologie und Urbanistik, u.a.

Idee und Konzeption: Karin Ohlenschläger und Luis Rico Kuratorin: Karin Ohlenschläger Projektleitung: Andreas F. Beitin

Ausstellungsproduktion: LABoral, Centro de Arte y Creación Industrial, Gijón, Spanien Organisation der Wanderausstellung: SEACEX

www.banquete.org

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Banquet_nodes and networks.
Vernetzte Systeme in der digitalen
Kultur Spaniens
Kuratorin: Karin Ohlenschläger

Künstler: Aetherbits , Antoni Abad, Eugenio Ampudia, Marcelli Antunez, Pablo Armesto, Jose Manuel Berenguer, Clara Boj / Diego Diaz, Daniel Canogar, Alvaro Castro, Alfredo Colunga, Escoitar , Zush Evru, Joan Fontcuberta, Dora Garcia, Marta de Gonzalo / Publio Perez Prieto, Hackitectura , Ricardo Iglesias, Influenza , Concha Jerez / Jose Iges, Konic Thtr, Laboratorio de Luz , Joan Leandre, Neokinok TV , Marina Nunez, Pedro Ortuno, Raquel Paricio / J. Manuel Moreno, Platoniq , Francisco Ruiz de Infante, Agueda Simo