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Wohl kaum eine europäische Kulturlandschaft hat in den vergangenen Jahrhunderten auf Künstler, Schriftsteller und Gelehrte eine vergleichbare Faszination ausgeübt wie das mediterrane Italien. Die Schönheit der Natur und das reiche Kulturerbe zogen Reisende nördlich der Alpen in ihren Bann, die häufig beseelt von der Sehnsucht nach einem „besseren“ Leben dort ihre physische und geistige Rekonvaleszenz suchten.

Unter dem Eindruck des südlichen Klimas und Lichtes verwandelte sich das Reiseerlebnis oft zu einem sinnlichen Prozess der Selbstfindung, wie Friedrich Theodor Fischer anlässlich eines Rom-Aufenthaltes 1839 festhielt. „Als ich nach Italien kam, war mein Auge noch ein ungeschliffenes Glas; jetzt fange ich an zu sehen.“

Die klassische Route einer Bildungs- und Vergnügungsreise durch die italienische Halbinsel verlief über Norditalien mit Verona, Turin, Mailand, Genua und Venedig nach Florenz, Rom, Neapel und Pompeji. Der Süden Italiens und Sizilien wurden wegen der beschwerlichen Anreise, den Choleraepidemien und der Gefährdung durch Naturkatastrophen und Brigantenwesen nur gelegentlich aufgesucht. Erst mit dem Aufkommen der organisierten Gruppenreise durch die einschlägigen Reiseveranstalter James Cook und Carl Stangen ab 1870 änderte sich das Reiseverhalten auf der Grand Tour.

Mit der Erfindung und Verbreitung der Fotografie wandelte sich die Kenntnis und das Verständnis Italiens und seiner Kultur grundlegend. Die Ausstellung Bella Italia geht verschiedenen Fragestellungen nach. Zum einen beschäftigt sie sich mit dem wechselvollen Verhältnis von Fotografie und Malerei im 19. Jahrhundert. Die Fotografen der Pionierzeit bis 1870 waren in der Wahl ihrer Motive und deren pittoresken Wiedergabe nachhaltig von der Malerei und Druckgrafik beeinflusst.

Ein weiterer Fokus liegt auf dem Italienbild der Deutschen im 19. Jahrhundert, wie es in zahllosen Reiseberichten auch als Stereotypen überliefert worden ist. Fotografien spielten bei der Konstruktion dessen, was man nördlich der Alpen als typisch italienische Lebenskultur ansah, ebenfalls eine wichtige Rolle. Viele Reisende haben vor Ort Fotografien von Landschaft, Bau- und Kunstwerken als Souvenir erworben und später in Erinnerungsalben zusammengestellt, wo diese Memorabilia der Reise überdauerten. Auf diese Weise konnte man nicht nur den Daheimgebliebenen von den Abenteuern und Anstrengungen anschaulich berichten, sondern sich das vergangene Geschehen auch selber ins Gedächtnis rufen.

Reisefotografien repräsentierten im 19. Jahrhundert ein wichtiges Schaufenster zur Welt. Sie prägten die Wahrnehmung der Fremde ähnlich wie die Reiseführer und -literatur. Wenn man die Fotografien und Reiseberichte miteinander vergleicht, dann stehen diese häufig in einem Spannungsverhältnis, gelegentlich auch im Widerspruch zueinander. Während Reisejournale auch von der täglichen Mühsal des Reisens berichten, blenden die Fotografien Eindrücke wie Schmutz, Lärm und die Folgen der modernen Urbanisierung weitgehend zugunsten eines harmonischen antiquarischen Erscheinungsbildes aus.

Im Kapitel „Risorgimento“ zeigen wir auch ausgewählte Fotografien, die den wechselvollen und langwierigen Prozess der politischen Einheit Italiens dokumentieren. Fotografen wie Stefano Lecchi oder Pompeo Pozzi haben die Niederschlagung der römischen Republik 1849, die Eroberung Palermos durch die garibaldinischen Truppen 1860 und andere Kriegsschauplätze mit der Kamera dokumentiert.

Die Ausstellung Bella Italia, konzipiert von Gerhard Finckh, Ulrich Pohlmann und Dietmar Siegert, präsentiert 210 Originalfotografien und Gemälde aus dem Zeitraum von 1815 bis 1900. Die Gemälde aus dem Von der Heydt-Museum sind fast ausnahmslos in der Spätromantik vor 1840 entstanden. Die Fotografien, von mehr als 50 der bedeutendsten in- und ausländischen Fotografen aufgenommen, stammen aus der Privatsammlung Dietmar Siegert und der Sammlung Fotografie des Münchner Stadtmuseums.

Zur Ausstellung erscheint ein reich bebilderter Katalog (240 Seiten) im Kehrer Verlag, Heidelberg

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Bella Italia
Fotografien und Gemälde 1815-1900
Sammlung Siegert, Münchner Stadtmuseum, Von der Heydt Museum
Kuratoren: Gerhard Finckh, Ulrich Pohlmann, Dietmar Siegert

Künstler: Oswald Achenbach, Carl Blechen, Anselm Feuerbach, Bernhard Fries, Friedrich Overbeck, Carl Rottmann, Hans von Marées, Fratelli Alinari, Gioacchino Altobelli, James Anderson, Alphonse Bernoud, Bisson Freres, Domenico Bresolin, Giacomo Brogi, Giacomo Caneva, Tommaso Cuccioni, Leon Gerard, Wilhelm von Gloeden, Calvert Richard Jones, Jakob August Lorent, Moritz Lotze, Robert MacPherson, Carlo Naya, Carlo Ponti, Roberto Rive, Gabriel de Rumine, Luigi Sacchi, Carlo Baldassare Simelli, Giorgio Sommer