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Ben Rivers »The Coming Race« beginnt und endet in einer weißen Projektionsfläche – am Nullpunkt des filmischen Bildes. Allmählich lichtet sich Nebel zum Soundtrack undeutlicher Geräusche. Erst in den nachfolgenden Einstellungen, meint man sie als Fußtritte auf Geröllmassen zu identifizieren, bevor ihre Asynchronität zu den Bildern irritiert. Menschen tauchen auf, die meist unscharf und ohne sichtbares Ziel steinernes Berggelände erklettern und immer wieder von Nebelschwaden verschluckt werden. Das Bild einer unbestimmten, rätselhaften, verstörenden Massenpilgerschaft in unklarer Absicht entsteht, die auch das Wissen um Rivers literarischen Bezug auf die titelgebende viktorianische Erzählung von E.G.E. Bulwer-Lyttons über eine unterirdische Superrasse kaum erhellt. Vielmehr wirft sie einen auf Fragen nach der menschlichen Natur, nach Repräsentation und Wahrnehmung zurück, ohne eindeutige Antworten zu geben.

Rivers arbeitet unabhängig, filmt und produziert seine Filme selbst. Wie »The Coming Race« meist auf 16mm gedreht mit einer Bolex, die maximal 30 Sekunden lange Einstellungen ermöglicht, und von Hand entwickelt, erwecken sie oft den Anschein gealterten Archivmaterials. Die so entstehende Distanz erstreckt sich auf reale, aber nicht identifizierbare Räume und Subjekte im Fokus seiner Kamera, auf Zonen utopischen Potentials am Rande heutigen zivilisatorischen Lebens. Rivers spielt mit und löst sich zugleich von Parametern des dokumentarischen und ethnografischen Films wie von fragwürdigen Vorstellungen von Wahrheit. Ebenso sind narrative Spuren in »The Coming Race« erkennbar, verlieren sich aber in endlos loopbaren Bildern außerhalb linear fortschreitender Zeit.

»The Coming Race«, im Rahmen von der Reihe »Subjektive Projektionen« zu zeigen, ermöglicht, den Film sichtbarer zu machen und eine andere Art von Öffentlichkeit herzustellen – »helping the film have a life« wie Ben Rivers sagt – und ihn im besten Falle in diesem Kontext im Austausch mit anderen Arbeiten und ihren künstlerischen Strategien zu sehen. Die Monitor- und Internetpräsentation, aber ersetzen nicht die Erfahrung der filmischen Materialität der Filmprojektion von »The Coming Race«, die ich persönlich vorziehe, hiermit empfehle und die Auswahl des Films nicht als Plädoyer für die Ortlosigkeit des Kinematografischen missverstanden wissen möchte.

Alice Koegel

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Ben Rivers
The Coming Race
Einladung von Alice Koegel, Kuratorin für Gegenwartskunst, Staatsgalerie Stuttgart