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In seinen Skulpturen, Installationen und Performances deutet Benjamin Bergmann immer wieder auf die Ambivalenz der vermeintlichen Realität hin, verschränkt unterschiedliche Sinnebenen miteinander und lässt den Rezipienten mit Zweideutigkeiten allein. Er produziert oft mehrdeutige Parabeln, die durch den Einsatz einer zunächst eindeutigen Bildsprache kombiniert mit einem narrativen Titel, konkrete Situationen heraufbeschwören. Fast immer durchlebt der Betrachter mehrere Stufen der Rezeption: Ein anfänglich unaufgeregter, vertrauter Blick, entwickelt sich zu einer amüsierten Überraschung und gerät oft in eine nachdenkliche Mehrdeutigkeit. Dem Künstler gelingt es, den vertrauten Blick des Betrachters fast heimtückisch zu durchkreuzen und neue Dimensionen des Gewohnten zu präsentieren.Bei Bergmanns Arbeit „Hilfe von oben“ etwa hängt ein dickes, massives Seil aus einem Loch in der Decke. Die Ästhetik des Seils, wie es augenscheinlich locker aus der Decke hängt, übt einen verführerischen Drang aus, daran zu ziehen. Auch der Titel, der eine zweite Ebene der Arbeit öffnet, verspricht reizvoll eine universelle Hilfeleistung, jene: „Hilfe von oben“ für jeden. Doch allein die Materialität der Arbeit – das Seil ist aus Bronze gegossen – zerschlägt die verheißungsvolle Hoffnung des ersten Moments. Es steht die Frage im Raum, was wäre denn überhaupt „da oben“? Gott oder eine andere übernatürliche Kraft? Ein Geldschauer? Die Arbeit ertappt den Rezipienten dabei, ganz individuell und intuitiv auf die zunächst gebotene Verführung zu reagieren und ebenso individuell auf das Rätsel des „oben“ zu antworten. Die Verlockung einer Universallösung für Probleme führt zu der Frage nach unserer aktuellen gesellschaftlichen Bedingung, Prioritäten und Werten. Bei den einen endet es in einem amüsierten Schmunzeln über die List des Künstlers, bei anderen womöglich mit einem flauen Gefühl in der Magengegend.Die direkte Ansprache und Einbeziehung des Rezipienten ist ein immanentes Element in Bergmanns Oeuvre, das seinen Skulpturen und Installationen einen performativen Charakter verleiht. Bei anderen Arbeiten wiederum verschränken sich auffordernder Titel und Arbeit, etwa bei „Ring my Bell“, bei der es eben nicht möglich ist, die beiden mit einem Seil verbundenen Glocken zu läuten – auch wenn es der Titel geradezu fordert.Bei einer der neuesten Arbeiten, die Bergmann präsentiert, zielt der Künstler auf die Wahrnehmung des Besuchers ab. „TWINS“ sind zwei monumentale Gips-Türme, die in ihrer Optik dem ehemaligen World Trade Centre gleichen. Die Oberfläche der Türme ist in strahlendem Weiß gehalten, die Fenster und Stockwerke so gleichmäßig und unzählig, dass die Skulptur eine völlig neue Plastizität erhält. Die über zwei Meter großen Arbeiten sind auf ihre ikonischen Eigenschaften vereinfacht und verdichten das Gefühl von Materialität und Monumentalität. Dass Bergmann die Türme gänzlich weiß und in modellhafter Perfektion gehalten hat, initiiert Assoziationen mit Unschuld und Makellosigkeit. Ebenso wie bei dieser Arbeit, zieht sich eine strenge Dualität thematisch durch die ganze Ausstellung. Bergmann verwendet diese nicht nur formal, sondern auch inhaltlich und methodisch. Zweideutigkeiten sind bewusst gestreut, die Uneindeutigkeit zwischen Tragik und Komik allgegenwärtig und das duale Verhältnis zwischen Werk und Rezipient wichtiger Bestandteil. Bergmann vermag es, seinen Arbeiten einen doppelten Boden einzubauen, der den Besucher gekonnt herausfordert. Wie der Titel der Ausstellung nahelegt, versetzt Bergmann sein Publikum in ein hin und her zwischen „Twist and Shout“ – zwischen himmelhoch jauchzend und zu Tode betrübt. Text: Dana Weschke