press release only in german

Birgit Jürgenssen (1949-2003) plante ihre Ausstellungen überaus genau und arbeitete an den Vorbereitungen einer Ausstellung sehr lange. Als akribische, besessene Arbeiterin war sie an jedem kleinsten Detail interessiert. Insoferne war es eine große Herausforderung, diese erste Ausstellung drei Jahre nach dem frühen Tod der Künstlerin zu veranstalten.

Birgit Jürgenssen sagte einmal “Prinzipiell interessiert mich die Darstellung der Beziehungen und nicht die Darstellung der Dinge oder auch anders gesagt: Das natürliche Erscheinen der Dinge wird erst spannend, wenn die Darstellung der Beziehungen in den Vordergrund gerückt ist”. Schon sehr früh, im Alter von 17/18, beginnt Birgit Jürgenssen damit, Maskeraden und Rollen für die selbstauslösende Kamera darzustellen. Die dafür benötigten Kostüme und Objekte werden improvisiert zusammengestellt. Bereits Ende der 1960er Jahre entstehen in ihrer winzigen Atelierwohnung die ersten Selbstporträts, in den Badezimmerspiegel hinein fotografiert, die sie später als Selbstanalysen betitelt. Diese Fotoserien entstehen bis in die 1970er Jahre und sind alle nach dem gleichen Schema entstanden: Jürgenssen steht in unterschiedlicher Alltagskleidung und Aufmachung vor dem Badezimmerspiegel und blickt meist direkt in den Focus der Kamera. Sie bildet sich bei alltäglichen Blicken in den Spiegel ab – nach der Dusche, vor dem Außer-Haus-Gehen, beim Schönmachen mit Gesichtsmaske, mit Lockenwickler, mit Schmuck. “Selbstbespiegelungen in Posen zwischen Realität und Wunschträumen” nennt Markus Mittringer die ersten künstlerischen Experimente mit dem Spiegel und den Maskeraden, die in eine kontinuierliche, konzeptuell anmutende Auseinadersetzung mit scheinbar identischen Repräsentationsformen in ihren Relationsfeldern münden. Bei all diesen Spiegel-und Maskeradenfotos ist und bleibt ein wichtiger Faktor, dass der Auslöser der Kamera selbst betätigt wird, nie für eine andere Person- außer in einer künstlerischen Zusammenarbeit- posiert wird. Die Machtposition über den weiblichen Körper, die in der Kunst meist von männlichen Personen ausgeübt wird, wird hier von der Künstlerin selbst übernommen und damit die objekthafte Position “Frau und weiblicher Körper” zu den eigenen, subjektiven Positionen “Frau und Künstlerin” in Beziehung gesetzt. Birgit Jürgenssen beschrieb ihre fotografische Vorgehensweise so: “Es war bis in die späten 70er Jahre nicht sehr einfach, Fotos und Zeichnungen in künstlerisch gleichem Stellenwert in einer Ausstellung zu präsentieren. So kam ich auf die Idee, Zeichnungen und Fotografien technisch zu kombinieren. 1975 habe ich kleine Zeichnungen (10x10cm) angefertigt, die ich im abgedunkelten Raum mit einem Episkop direkt auf das unbelichtete Fotopapier projiziert habe, oft in Doppelbelichtung, also zwei verschiedene Zeichnungen hintereinander. Die Belichtungszeit wurde nur so geschätzt. 1987 entstanden auch größere Fotogramme (90x90cm) auf Fotoleinen. Parallel zu den frühen Arbeiten entstanden auch Solargrafiken. Diese Arbeiten sind alles Originale, da kein Negativ existiert”.

Die bisher wichtigste Quelle zum Verständnis der fotografischen Arbeiten von Birgit Jürgenssen ist die umfangreiche Diplomarbeit von Doris Linda Psenicnik, Identität, Geschlecht & Konstruktion. Künstlerische Interventionen im Spektrum feministischer Strategien zu Fragen nach der Geschlechtsidentität. Mit einem Schwerpunkt auf dem fotografischen Oeuvre Birgit Jürgenssens. Graz, Institut für Kunstgeschichte an der Karl-Franzens-Universität, 2001, aus der in diesem Text ausführlich zitiert wird.

Texte zu und Arbeiten von Birgit Jürgenssen sind auf der Homepage www.birgitjuergenssen.com zu lesen und zu sehen.

Pressetext

only in german

Birgit Jürgenssen
Fotos, Rayogramme, Polaroids und Solargrafiken aus den 1970ern Jahren