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Wie so oft erwies sich auch die Planung dieser Ausstellung mit Fragen befrachtet. Die körperliche Verletzlichkeit der Werke Palermos erschien ebenso groß wie die Erinnerungen im Kreis der alten Freunde und Enthusiasten tief waren. Palermo nach Leipzig? Es bestand nie die Idee, ihn jetzt in der Absicht zurückzugewinnen, als ginge es um etwas Eigenes. Er vollzog Aufsteigen und Fallen in der Nähe zu sich selbst. In der lockeren Düsseldorfer Akademie-Gesellschaft hielt sich Palermo auch zwischen Anatol, Knoebel, Polke, Richter, Ruthenbeck und natürlich dem unberechenbaren Beuys als Solitär, als zurückhaltender Einzelgänger im exzessiven Lebensgang. Die Sachsen am Rhein bildeten einen Zirkel kokettierender Außenseiter, störungsbereit, vorübergehend solidarisch.

Der Künstler war nicht der zersetzenden Beweislast und Sinnkrise ausgeliefert, die viele ostdeutsche Künstler in jenen 60er Jahren aufgerieben hatten. Palermo fand seine Ruhe im Raum, im klaren, gleichwohl sensitiven Gebrauch des künstlerischen Materials. Das schützte ihn wenigstens solange, wie er sein Mandat gebrauchen konnte. Er starb mit den Insignien der Jugend. Man spürt sie heute noch, wenn man vor seinen Werken steht. Palermo liebte die Malerei und die Unvollkommenheit der künstlerischen Arbeit. Er prüfte Farben und Räume mit seinem Körper, seinem >Augen-Maß< ohne dass er zu wissen beabsichtigte, was sie als >Bedeutung< um sich herum verbreiteten. Er fühlte Natur, um sie in ein ästhetisches Maß zu gießen. Es war antiakademisch, dennoch ist in seinem Purismus das >Leben< angelegt. Ein blaues Dreieck über der Mittelsenkrechten einer Wandöffnung genügte zum Einstieg in die Verständigung. Palermo schien sorgfältig darauf zu achten, dass seine Herkunft in den Zeilen blieb. Jetzt, an seinem vermeintlich 50. Geburtstag versucht die Stadt ihm zu sagen, dass sie an seinem Verständnis arbeitet. Nicht mehr, nicht weniger. Wie alle exemplarischen Handelsstädte benötigt sie Zeit für jene Dinge, die sie mit dem so oft bewährten Realitätsgefühl allein nicht prüfen kann. Die >Geschichte< dieser Blätter, Bilder und Objekte ist auch eine Geschichte von Freundschaften. Man sollte sie nicht sentimental vergolden. Aber Geduld und ein sicheres Gefühl dieser Freunde haben das Werk mit durchgesetzt. Die Ausstellung lenkt einen Blick auf das ganze Schaffen. Das gelingt wiederum nur im Ansatz. Es ist auch nicht der große, weiße Raum, der ihn erwartet, und den er liebte. Dafür ist Neugier in uns und das vorsichtige Abtasten, welches die Grenze zwischen Fremdem und Eigenem langsam durchlässiger macht. Mit Freude erlebten wir die immer stärker werdende Anteilnahme vieler Sammler und Museen, die Neugier junger Künstler in dieser Stadt. Beglückend war es für die Veranstalter, dass wir mit der vollständigen Sammlung Fröhlich von Anfang an ein spontanes Versprechen besaßen, dass sich mehr und mehr verzweigte, ergänzte und Gestalt verlieh. Mit einem sachlich gehaltenen Katalog stellen wir der Leipziger Ausstellung einen Begleiter zur Seite, in dem junge Wissenschaftler und >Kenner< zu Wort kommen. Er bietet Ansichten, Quellen, Informationen - mehr nicht. Ein >Leitfaden< ist sowieso entbehrlich. Keine Meinung steht für den einzigen Zugang. In allen seinen Strukturen erscheint etwas, was die diskursive Denkmethodik vor der >letzten Wahrheit< zurückhalten will. Das ist nicht die Metaphysik. Es ist der Künstler selbst. Der Wissenschaftler interpretiert die Folgen. 1974 fand in München eine der wichtigen >Findungs<Ausstellungen über Palermo statt. Der >Kunstraum< als damaliger Träger wird nun eine Auswahl dieser Präsentation in der bayrischen Metropole zeigen. Wir danken allen Leihgebern für Ihre Verbundenheit, allen sonstigen Beteiligten - vor allem den Mitarbeitern des Förderkreises und des Museums der bildenden Künste für ihre konzentrierte Arbeit. Wieder waren die Kulturstiftung der Länder, der Kulturkreis der deutschen Wirtschaft im Bundesverband der Deutschen Industrie, die Stadt Leipzig und andere private Sponsoren zu uneigennütziger Hilfe bereit. Auch die Veranstalter schonten ihre Reserven nicht. Die Trägerschaft beider Institute betrachten wir als Zeichen einer gemeinsam wahrzunehmenden Verantwortung für die Pflege der Kunst in dieser Stadt. Palermo wird nicht mit Scharen zurechtkommen müssen. Doch ist jetzt ein guter Zeitpunkt, zu sehen und zu prüfen und in diesen fragilen Versprechungen einen Sinn zu finden.

Herwig Guratzsch und Klaus Werner

In: Blinky Palermo. Eine Ausstellung des Förderkreises der Leipziger Galerie für Zeitgenössische Kunst in Zusammenarbeit mit dem Museum der bildenden Künste. Ostfildern-Ruit, Edition Cantz 1993, S. 7

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Blinky Palermo
Kurator: Klaus Werner
in Zusammenarbeit mit dem Museum der bildenden Künste Leipzig