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Eröffnung am 11.Oktober 2007, ab 20 Uhr Performance von Kelly Warman und Absinth Bar

Traditionell gilt die Figur des Künstlers/der Künstlerin als Antithese zum fleißig arbeitenden Bürger. Das moderne Künstlersubjekt, wie es sich im 19. Jahrhundert entwickelte, agiert außerhalb der kapitalistischen Gesellschaftsordnung und jenseits von materialistischen Wertvorstellungen. Sein Lebens- und Produktionszusammenhang gilt als geprägt von einer sich frei entfaltenden, kreativen Individualität, von eigenbestimmtem Handeln, aber auch von prekären Lebensbedingungen. Prototypisch dafür steht bis heute die künstlerische Bohème des beginnenden 20. Jahrhunderts.

In den letzten Jahren findet in Wirtschafts- und Managementkreisen eine kontinuierliche Umwertung dieser Rollenverteilung statt. Kulturschaffende werden wirtschaftspolitisch instrumentalisiert. In Zeiten von immer unsicherer werdenden Beschäftigungsverhältnissen und des Rückzugs des Sozialstaates werden KünstlerInnen zum Vorzeigemodell des modernen und flexiblen Arbeitnehmers. Die oben genannten Faktoren künstlerischer Arbeit werden zum Anreiz stilisiert, sich immer schwieriger werdenden Arbeitsbedingungen bewusst auszusetzen.

Doch wie sehen Künstler selbst ihre Arbeits- und Lebensbedingungen? Die Ausstellung „Bohemian Work Out“ führt exemplarisch Arbeiten zusammen, die Modelle künstlerischer Produktion und Selbstdarstellung in Zusammenhang mit der kapitalistischen Arbeitswelt kritisch reflektieren oder humorvoll-ironisch hinterfragen.

Im Zentrum der Ausstellung, die im setting eines stilisierten Künstlertreffpunkts stattfindet, stehen drei Videoarbeiten. Kelly Warman (in Kollaboration mit Tobias Laukemper) greift in Win Win Präsentationsmethoden und Phrasen von Selbstmotivationsseminaren und Selbstvermarkuntstrategien für Manager auf. In der Manier einer Powerpoint- Präsentation animiert sie Sätze wie „ We´re good at inspiring ourself and our team“ und unterlegt sie mit einer von den Künstlern gesungenen Karaoke-Version des 80er Jahre-Hits “It´s hip to be square“. Nur vordergründig affirmativ, verweist die Arbeit auf die stetig wachsenden ökonomischen Anforderungen an KünstlerInnen, sich den Regeln des Marktes unterzuordnen und sich mit einem selbstbewußt-unternehmerischen Habitus im Konkurrenzkampf zu behaupten.

In work/arbeit/rabota verknüpfen szuper gallery Textpassagen über die eigene Geschichte als Künstlerduo, Begriffsdefinitionen von Arbeit und Prekariat mit marxistischem Gedankengut und fordistischer Wirtschaftsideologie, mit Schattenwirtschaft, der Hierarchie im Museums- und Ausstellungswesen, sowie Bedingungen und Veränderungen des zeitgenössischen Arbeitsmarktes. Im Ambiente eines abgedunkelten Innenraumes in einem Londoner Nobelviertel rezitieren Künstlerkollegen und professionelle Schauspieler dieses dichte Referenzgeflecht. Zugleich legen szuper gallery ihre Produktionsmethode offen, indem Verzögerungen, Textunsicherheiten, das Sprechen der Akteure auf Kommando, Geräusche im Hintergrund und die Bewegung der Kamera ganz offen gezeigt werden. In ihrem Video A Portrait of the artist as worker (rmx) thematisiert Ina Wudtke, angelehnt an die Ästhetik eines Videoclips, die Bandbreite ihrer eigenen künstlerischen Tätigkeit. In Gestalt eines Clowns, der – ähnlich wie der Künstler – traditionell als Freigeist und Außenseiter der Gesellschaft gilt, benennt sie eine Vielzahl an weiteren Aktivitäten, die sie zur Existenzsicherung ausübt und kommentiert ironisch die für KünstlerInnen finanziell aufwendige Teilnahme am internationalen Ausstellungsgeschehen.

Hat das Modell der Bohème als künstlerischer Selbstentwurf aber auch als soziales Netzwerk endgültig ausgedient? Wie sehen KünstlerInnen heute ihre eigene Position, ihr Lebens- und Produktionsumfeld? Mit welchem Künstlerhabitus versuchen sie sich zu positionieren? Eigens für „Bohemian Work Out“ entstandene Videoessays von KünstlerInnen aus München (u. a. von Anna McCarthy, Veronika Dimke und Melanie Stiehl) stellen sich dieser Frage.

Die Archivinstallation von K2 Aufbauorganisation, einer Gruppe von Studenten der Klasse Prof. Dillemuth, liefert die Verknüpfung zum historischen Bezugspunkt der Ausstellung, der künstlerischen Bohème des beginnenden 20. Jahrhunderts.

Veranstaltungen:

Do 11.10., 20 Uhr: „Die Künstler sind anwesend“ Eröffnung der Ausstellung mit einer Sprachperformance von Kelly Warman, Absinth Bar Sa, 20.10., 20 Uhr “Bohème ist…” Zusammenschnitte von Künstlerbildern im Film (Lange Nacht der Museen) Mi, 24.10., 20 Uhr „Bohos in Hell“ Künstlergespräch mit Stephan Dillemuth zur Bohème Fr 30.11., 20 Uhr „Bohème reloaded“ Soziologin Dr. Kira Marrs und weitere Gäste über Bedingungen und Möglichkeiten künstlerischer Produktion im Zeitalter neuer Medien

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BOHEMIAN WORK OUT
Modelle künstlerischer Produktion und Selbstdarstellung
Ort: Laden
Kuratiert von Yvonne Leinfelder, Heidi Mühlschlegel, Maria Schindelegger, Annette Schemmel

mit Szuper Gallery , Kelly Warman / Tobias Laukemper, Ina Wudtke, K2 Aufbauorganisation , Anna McCarthy, Veronika Dimke, Beate Engl, Melanie Stiehl