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Seit genau 10 Jahren führt der Kölner Künstler Boris Sieverts (*1969) durch Stadtlandschaften. Angefangen hat er damit in Köln, auf der rechten Rheinseite, vor seiner Haustür. Es folgten weitere Führungen in Köln, dann eine ganze Reihe im Ruhrgebiet, in Paris, Rotterdam und andernorts. Seit 2000 bietet er diese Reisen über sein Büro für Städtereisen an. Die ein- und mehrtägigen Pauschalreisen des Büros für Städtereisen führen durch jene Zonen unserer Stadtlandschaften, die - abseits der Touristenziele der Innenstädte und der bekannten Ausflugsgebiete – bis dahin als Reiseziele nicht in Betracht kamen. Dabei sind es gerade diese inneren und äußeren Ränder der Metropolen und die Zwischenräume der Ballungsgebiete, die einen binnen kurzer Zeit aus dem eigenen Kulturkreis entführen können und den Blick für die Weite und Vielfalt des Raumes öffnen, die dort möglich sind, wo nichts dargestellt werden muss. Sieverts´ Wanderungen und Radtouren verknüpfen Brachflächen und Siedlungen aller Art, Parkplätze, Abrissszenarien, Baggerseen, Wälder, Wiesen, Gärten, Autobahnen, Schulen, Häfen, Asylantenheime, Gleistrassen, Manöverplätze, Gewerbegebiete, Flughäfen, Tunnel, Tiefgaragen, Sackgassen, Trampelpfade, Flussauen, Deponien und vieles mehr zu wunderschönen bis krassen Raumfolgen.

Für die Ausstellung im Kölnischen Kunstverein hat Boris Sieverts ein Programm aus acht Führungen zusammengestellt, davon sieben in Köln und Umgebung. Einige Touren stammen aus den Anfangsjahren, andere finden zum ersten Mal statt. Alles in allem eine einmalige Gelegenheit für Interessierte, sich in einem konzentrierten Zeitrahmen intensiv diesem in kein Schema passenden Stadtraum und seiner Agglomeration auszusetzen. Sieverts Arbeit stellt das klassische Format einer Ausstellung in Frage und ist als eine funktionierende Form von Kunst als Dienstleistung zu verstehen, wie sie von KünstlerInnen wie Andrea Fraser, Christian-Philip Mülller und Renée Green postuliert wurde. Erfolgreich und völlig jenseits des traditionellen Kunstmarkts etabliert Sieverts diese künstlerische Praxis und wird in diesem Sinne mit seinem Reisebüro in den Kunstverein umsiedeln. Der Kunstverein wird somit zum Ort der Dokumentation und Vermittlung.

An vier Mittwochabenden lädt Sieverts zu so genannten Google-Earth lectures ein: Anhand von virtuellen Flügen und projizierten Bildern wird er mit Gesprächspartnern, deren Vokabular und Interesse in der Auseinandersetzung mit ihrer räumlichen Umgebung er besonders schätzt, über Orte in Nah und Fern sprechen. Das Publikum hat die Möglichkeit, Orte vorzuschlagen und anzusteuern, selber zu kommentieren oder besprechen zu lassen.

Buchungen: Die Touren können schriftlich und telefonisch gebucht werden. Die Preise verstehen sich inklusive Verpflegung, Eintritten und bei zweitägigen Touren Unterkunft, Fahrrädern und Begleitfahrzeug. Buchungen in der Ausstellung, per e-mail an borissieverts@gmx.de. (Bitte geben Sie dabei immer Ihre Telefonnummer an), oder telefonisch im Kunstverein.

BORIS SIEVERTS BÜRO FÜR STÄDTEREISEN Die Touren und Veranstaltungen

Sonntag, 26. August: Rund um das Merheimer Kreuz

Das Merheimer Kreuz im Osten Kölns ist ein - im Zuge von so genannten Flächenausgleichsmaßnahmen kürzlich zurückgebautes - Autobahnkreuz an der A4, dessen geplante Zubringerstraße nach Bergisch Gladbach sowie seine Einbindung in eine rechtsrheinische Ringstraße nie gebaut wurden. Stattdessen verjüngen sich die großzügigen Rampen und Kreisel jäh an ihren Übergängen zu den bescheidenen Landstraßen, die man stattdessen mit ihm kurzgeschlossen hat. Gleichzeitig durchschneidet es ein bedeutendes Sumpfgebiet, erhält dem Dorf Merheim seine gewachsene Gestalt und trennt es zugleich vom Großteil seiner Ländereien. Diese äußerst widersprüchliche Situation führt dazu, dass kleine und mittelgroße Besonderheiten im Aufeinandertreffen und in der Abfolge von Dingen eine erstaunliche Aura bekommen. Es ist die Aura der großen Erzählung von der Technokratie.

Treffpunkt: 11h am Kunstverein (Bustransfer). Ende gegen 17h am Kunstverein. Teilnehmerzahl: max. 20 Personen Teilnehmerbeitrag: 25,- € / 19,- € ermäßigt Mitbringen: Feste Schuhe, lange Kleidung und ggf. Regenzeug Für Verpflegung ist gesorgt.

Freitag, 31. August: Nord-Süd-Fahrt revisited.

Die Peripherie im Inneren der Städte ist die Unwirtlichkeit unserer Städte, der bedeutungslose Raum. Wir sollten solche Räume nicht mehr ohne Verhandlung aburteilen, sondern ihnen eine Chance geben, ihre von der umgebenden, gestalteten Stadt grundverschiedenen Qualitäten auszuspielen und zu entfalten, auch wenn ihre Unwirtlichkeit kein Ergebnis quasi-natürlicher Prozesse ist und somit wie ein Naturereignis akzeptiert werden muss, sondern eine Erscheinung, die einer zeitgebundenen Denkrichtung entsprang, die weder in ihrer Konsequenz unausweichlich noch ohne Widerspruch war; also eine Erscheinung, die man durchaus als gescheitertes Experiment betrachten kann, dessen Überreste man sich nun zu entledigen sucht (Die Zerstörung der Zerstörung?). Das größte Engagement bei dieser Reparaturarbeit beobachtet man bei den Planergenerationen, die seinerzeit entweder als Täter mitgewirkt haben oder als damals Betroffene, die aber noch nicht an der Entscheidung beteiligt waren, Opfer der Verunwirtlichung wurden. Die nachfolgenden, weniger traumatisierten Generationen haben ein entspannteres Verhältnis zur Unwirtlichkeit diffuser Stadträume und sie entdecken dort ungeahnte Qualitäten.

Treffpunkt: U-Bahnhaltestelle Poststraße. Anfangszeit bitte kurzfristig erfragen. Dauer: ca. 6 Stunden. Teilnehmerzahl: max. 20 Personen Teilnehmerbeitrag: 25,- € / 19,- € ermäßigt Mitbringen: Ggf. Regenzeug Für Verpflegung ist gesorgt. Samstag/Sonntag, 1./2. September: Die Schäl Sick

Zweitägige Wanderung und Radtour von Poll über Ostheim und Vingst bis Dünnwald. Mit Grillen am Baggersee und Übernachtung im Autobahnhotel.

Das rechtsrheinische Köln war lange die unbeachtete Seite der Stadt. Im Sichtschatten der Stadtplanung und offiziellen Stadtgestaltung ist hier ein Flickenteppich aus Kiesgruben, Siedlungsinseln, kleinen Wäldchen, Resten alter Kultur- und Sumpflandschaften und gigantischen Verkehrsinfrastrukturen entstanden. Das Durchwandern dieses Territoriums mit seinen zahlreichen Brüchen ist eine einzige Abfolge eindrucksvoller Perspektiven auf scheinbar namenlose Orte. Wer nachhakt und sich länger aufhält, erfährt die Geschichten dieser Orte, ihre Bedeutung für die Menschen, die hier leben, ihre historischen, sozialen und atmosphärischen Schichten. Es entsteht das Bild einer hochkomplexen Landschaft, deren ästhetische Nachhaltigkeit in krassem Gegensatz zu den schnell verwertbaren und sich schnell abnutzenden Kölnbildern des offiziellen Stadtmanagements steht.

Treffpunkt: Samstag, 1.9. um 10.30h Suevenstr./Ecke Alemannenstraße. Ende, am Sonntag gegen 21h in der Innenstadt Teilnehmerzahl: max.17 Personen Teilnehmerbeitrag: 80,- € bei Übernachtung im DZ (60,- € ermäßigt) /100,- € bei Übernachtung im EZ (80,- € ermäßigt) Mitbringen: Schwimmsachen, Wanderschuhe, leichtes Regenzeug, warme Kleidung für den Abend Für Verpflegung ist gesorgt. Mittwoch, 5. September, 20h: Google Earth Lecture 1: Boris Sieverts im Gespräch mit Ralf Schreiber Ort: Kölnischer Kunstverein

Samstag/Sonntag, 8./9. September: Der Kölner Nordwesten

Zweitägige Wanderung und Radtour mit Übernachtung von Niehl über Bocklemünd nach Braunsfeld "Aus dem Elektrozaun sind Schafe ausgebrochen und haben sich auf dem Parkplatz von IBM verteilt. Segelflieger vom benachbarten Segelflugplatz versuchen die Handynummer des Schäfers ausfindig zu machen. Die Schafe haben in den Zaun auffällige Kreise getreten, die man für Spuren von Ufolandungen halten könnte. Die Segelflieger von nebenan würden einen aufklären. Wenn man sie anspricht." Der Kölner Nordwesten dies- und jenseits des Militärrings ist ein Konglomerat aus Brachflächen, auf denen die erstaunlichsten Dinge geschehen. Dazwischen erwarten den Wanderer Orte beunruhigender Leere. Die rauhe Tour.

Geschlossene Führung für eine Schulklasse. Teilnehmerbeitrag: 15,- € pro Schüler Mitbringen: Zelt, Isomatte, Schlafsack, Schwimmsachen, Wanderschuhe, leichtes Regenzeug, warme Kleidung für den Abend Für Verpflegung ist gesorgt. Mittwoch, 12. September, 20h: Google Earth lecture 2: Boris Sieverts im Gespräch mit Wendelin Bottländer Ort: Kölnischer Kunstverein

Samstag/Sonntag, 15./16. September: Der Kölner Süden (in Zusammenarbeit mit Frank Dommert)

Der Kölner Süden gilt als reich, durchgestaltet und geordnet. Doch Villenviertel und Parkanlagen sind nur Enklaven in einem ziemlich durchwachsenen Ganzen. Die zweitägige Wanderung und Radtour führt vom Großmarkt zum Güterbahnhof Eiffeltor, überquert die Villekante und taucht dann ein in die Kiesgrubenlandschaft zwischen Köln und Bonn.

Treffpunkt: Samstag, 15.9. um 10.30h. Treffpunkt bitte kurzfristig erfragen. Ende, am Sonntag gegen 20.30h in der Südstadt Teilnehmerzahl: max. 17 Personen Teilnehmerbeitrag: 80,- € bei Übernachtung im Dreibettzimmer (60,- € ermäßigt) /100,- € bei Übernachtung im EZ (80,- € ermäßigt) Mitbringen: Schwimmsachen, Wanderschuhe, leichtes Regenzeug, warme Kleidung für den Abend Für Verpflegung ist gesorgt.

Mittwoch, 19. September, 20h: Google Earth lecture 3: Boris Sieverts im Gespräch mit Frank Dommert Ort: Kölnischer Kunstverein

Freitag, 21. September: Carambolage - Der Kölner Hauptbahnhof und seine Umgebung

Die Umgebung des Kölner Hauptbahnhofs war von jeher ein Ort funktionaler Zwänge, denn hier müssen der höchste Geländeversprung der Stadt, die Fundamente des Doms und der römischen Stadtmauer, Gleise mit Rheinbrücke und Bahnhof, unterirdische Konzerthallen- und Museumseingänge, Tiefgaragen und Parkhäuser, Busbahnhof, Hauptverkehrsstraßen und noch einiges mehr auf engstem Raum neben-, unter- und übereinander bestehen. Die Folge ist ein Labyrinth aus ungastlichen Passagen mit überraschenden Ausgängen. Betrachtet man diese Umgebung nicht nach ihren Aufenthaltsqualitäten, sondern als architektonische Struktur, so kann man sich ihrer Faszination kaum entziehen.

Treffpunkt: 14.30h vorm Haupteingang Hauptbahnhof. Dauer: ca. 4 1/2 Stunden. Teilnehmerzahl: max. 20 Personen Kölnischer Kunstverein • Die Brücke, Hahnenstraße 6 • 50667 Köln Teilnehmerbeitrag: 25,- € / 19,- € ermäßigt Für Verpflegung ist gesorgt.

Samstag, 22. September: Ein Nachmittag auf Bismarck

Das Gelände der 1967 geschlossenen Zeche Bismarck in Gelsenkirchen reicht so weit wie das Auge. Die deutlich voneinander unterscheidbaren Zonen seiner wilden Sukzessionslandschaft überfordern, auch isoliert betrachtet, teilweise noch das Raumgefühl.

Treffpunkt und Uhrzeit bitte kurzfristig erfragen. Teilnehmerzahl: max. 25 Personen Teilnehmerbeitrag: 25,- € / 19,- € ermäßigt Mitbringen: Wanderschuhe, ggf. leichtes Regenzeug Für Verpflegung ist gesorgt.

Sonntag, 23. September: Schweizer Käse

Die Dörfer Urfeld, Widdig Uedorf und Hersel, am Rhein gelegen zwischen Wesseling und Bonn, führen ein beschauliches Dasein. Der Prozess der Nachverdichtung innerörtlicher Landwirtschaftsflächen geht hier nur langsam und scheinbar auch ungeplant vonstatten. In der Zwischenzeit offerieren sie dem Fußgänger eine Struktur, die so offen ist, wie sie wahrscheinlich niemals war und niemals wieder sein wird. Ein feines System aus Bauerwartungsflächen, aufgegebenen Gärten, zukünftigen Hauszufahrten und alten Fußwegen zum Fluss durchlöchert die zur Hauptstraße hin extrem geschlossenen Ortsbilder wie einen Schweizer Käse. Ziellos herumstehende Doppelhäuser, nackt und ohne Einfriedung, erzählen noch eine Geschichte. Bald werden sie schweigen. Man sollte sie vorher gesprochen haben.

Treffpunkt: In der Zwischenebene der U-Bahnstation Rudolfplatz. Uhrzeit wird noch bekannt gegeben. Maximale Teilnehmerzahl: Steht noch nicht fest. Teilnehmerbeitrag: 25,- € / 19,- € ermäßigt Mitbringen: Ggf. leichtes Regenzeug Für Verpflegung ist gesorgt.

Mittwoch, 26. September, 20h: Google Earth lecture 4: Boris Sieverts fliegt und spricht. Ort: Kölnischer Kunstverein

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