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Für das legendäre 24-Stunden-Rennen von Le Mans 1955 entwarf er einen knallroten Rennwagen in der Form eines Doppel-Torpedos; den Grundriss eines Theaters gestaltete er in der Kontur eines weiblichen Torsos; eine Etage einer Turiner Villa, in der er keine einzige Nacht verbrachte, stattete er als ägyptische Grabkammer für sein Leben im Jenseits aus; als begeisterter Skisportler schrieb er ein Buch über die Technik des Abfahrtslaufs und entwarf Seilbahnstationen und Häuser für die Alpen; der Stil seiner Möbel und Interieurs, für welche Design-Sammler heute Höchstpreise zahlen, wird als „stromlinienförmiger Surrealismus“ bezeichnet; er war ein passionierter Aeronaut und Kunstflugmeister, publizierte unter dem Titel The Message from the Darkroom Italiens erste umfassende Fotografie- Geschichte; er liebte die Antike ebenso wie den Jugendstil und den Surrealismus, und als Fotograf sowie als Verfechter des „organischen Designs“ war er besonders fasziniert von weiblicher Sensitivität und Körperlichkeit – die Rede ist von Carlo Mollino.

Geboren 1905 als Sohn einer wohlhabenden Turiner Baumeisterfamilie, studierte Carlo Mollino Kunstgeschichte und Architektur, um anschließend im Studio seines Vaters als Architekt zu arbeiten. Architekt blieb er zeit seines Lebens, berühmt sind heute aber vor allem seine Möbel, die er für Innenausstattungen entwarf und in stets höchster handwerklicher Qualität anfertigen ließ. Seine im Geist des Gesamtkunstwerks konzipierten Interieurs und Gebäude wurden von ihm bis ins Detail entwickelt und umgesetzt. Im Rahmen der klassischen Moderne vertrat Mollino keinen funktionalistisch geprägten Formalismus, sondern eine dem Organischen angenäherte und das menschliche Wesen ins Zentrum rückende Gestaltung.

Dieser geistigen Haltung stand seine Obsession für die Formensprache des weiblichen Körpers zur Seite – eine Obsession, der er als Fotograf ganz privat nachging: zwischen 1960 und 1973 schuf er etwa 1300 Polaroid-Portraits weiblicher Schönheiten des Turiner Nachtlebens. Für die Aufnahmen seiner erotisch inszenierten Akte und Halbakte hatte er das Innere eines Turiner Hauses komplett neu gestaltet und darin ein anonymes Fotoatelier eingerichtet. Während Mollino in den 1930er-Jahren seine Schwarzweiß-Fotografien in Ausstellungen, Publikationen und Wettbewerben veröffentlichte, hielt er in den 60er-Jahren seine Polaroids vor den Blicken Dritter stets verborgen. Bis heute nehmen sie eine enigmatische Sonderrolle ein in seinem Werk und stehen zugleich für „die andere Seite“ dieses in der Öffentlichkeit gerne als „performer“ agierenden Universalkünstlers.

Die Ausstellung in der Kunsthalle Wien unternimmt den Versuch, diese Ambivalenz zu durchleuchten, indem einer Auswahl von Mollinos Polaroid-Portraits erstmals ausgesuchte Objekte aus der zu seinen Lebzeiten ebenfalls der Öffentlichkeit verschlossenen Casa Mollino gegenübergestellt werden. Entsprangen seine Frauenakte allein seiner männlich-erotischen Phantasie oder spiegeln seine inneren Obsessionen etwas von seiner geistigen und künstlerischen Haltung wider? Einer Haltung, wie sie etwa in Carlo Mollinos Leitsatz zum Ausdruck kommt: „Alles ist erlaubt, solange es fantastisch ist.“

Eine Kooperation mit dem Museo Casa Mollino, Turin.

Kurator: Gerald Matt

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Carlo Mollino
Un Messaggio dalla Camera Oscura
KUNSTHALLE wien project space
Kurator: Gerald Matt