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Die Ausstellung >CHINA NOW< 15.09.06 – 28.01.07 bietet erstmals in Österreich die Gelegenheit, das explosive Potenzial heterogener künstlerischer Positionen in der chinesischen Gegenwartskunst zu vergleichen. Feng Boyi, unabhängiger Kurator und Kritiker, Mitglied der “China Artists’ Association“, präsentiert in der Sammlung Essl über 100 Werke von 42 Künstler/innen. Alle Medien der zeitgenössischen Kunst sind vertreten, neben Malerei und Fotografie auch raumgreifende Installationen und Video.

Diese Werke zeichnen die wichtigsten Entwicklungen der chinesischen Avantgarde in sieben thematisch gegliederten Räumen nach, ein Großteil der Werke stammt aus den Beständen der Sammlung Essl. Prof. Karlheinz Essl setzt sich seit den späten 1990er Jahren mit chinesischer Kunst auseinander. Werke, die er in den letzten Jahren bei seinen Atelierbesuchen in Shanghai und Beijing angekauft hat, bilden die Basis dieser Ausstellung, bedeutende Leihgaben aus China und Europa ergänzen die Schau.

Die zeitgenössische Kunst ist in China ein extrem junges Phänomen. Erst seit den 1990er Jahren und im Zuge politischer und gesellschaftlicher Umbrüche vollziehen chinesische Avantgarde-Künstler einen langsamen und von zahlreichen Rückschlägen gezeichneten Weg vom „Underground“ zu internationalen Shooting Stars. Die Künstlerinnen und Künstler setzen sich kritisch bis humorvoll mit den Veränderungen der chinesischen Gesellschaft auseinander, mit Kapitalismus, Globalisierung, dem Spannungsfeld zwischen Masse und Individuum, aber auch mit der westlichen Kunst. Elemente traditioneller chinesischer Kunst fließen ebenso ein wie Symbole des lange praktizierten Sozialistischen Realismus.

Die sieben Themen der Ausstellung:

Rebellischer Spott Während der Phase des Umbruchs in China brachen einige Künstler schon sehr früh aus dem System der Planwirtschaft aus. Mit rebellischem Spott betonen sie die Individualität des Menschen und kritisieren die herrschende Ideologie. Künstler wie Wang Guangyi oder Wang Dajun spielen in ihren Arbeiten sowohl mit dem pop-sprachlichen Stil der chinesischen sozialistischen Propagandaposter als auch mit der Ästhetik von Werbeplakaten der Konsumgesellschaft. Fang Lijuns Bilderserie der Glatzköpfe und Yue Minjuns grinsende Gestalten legen mit ihrem humorvollen, absurden Ansatz den Finger auf die Wunden der chinesischen Gesellschaft, und Zhang Xiaogangs “Bloodline Series“ reflektiert über die Familie, die Erinnerung und den Stellenwert der chinesischen Kultur.

Gebrochene Leidenschaft Anfang der 1990er Jahre begann eine Gruppe von vor allem jungen Künstlern verstärkt neue Ausdrucksmöglichkeiten einzusetzen. Gebrochene Leidenschaft und ursprüngliche, impulsive Kraft versprühen die Ölbilder Yang Shaobins, die Fotoarbeiten Ai Weiweis und die aktionistischen S/W Fotos des Performancekünstlers Rong Rong.

Individuelle oder kollektive Erfahrung und Erinnerung Sowohl die individuelle als auch die kollektive Erfahrung und Erinnerung bieten Künstlern wie Li Songsong, Hai Bo oder auch dem Künstlerpaar Shao Yinong & Muchen einen kreativen Fundus, aus dem sie schöpfen können. Sie beurteilen aktuelle Veränderungen, indem sie diese historischen Entwicklungen gegenüberstellen. So bringen sie ihre eigene Haltung angesichts solcher Veränderungen zum Ausdruck. Diese sind zutiefst individuelle und persönliche Erfahrungen, gleichzeitig aber auch die kollektive Erfahrung einer ganzen Generation.

Der Widerhall der Stadt Im kulturellen Kontext des heutigen China mutiert die "Stadt“ immer mehr zu einem Kristallisationspunkt in der Aufmerksamkeit von Künstlern. Der Prozess der Urbanisierung gilt nicht nur als symbolischer Ausdruck und materielle Ausprägung der in China stattfindenden Modernisierung, sondern auch als Medium, das die Entwicklung eines neuen humanistischen Wertesystems beschleunigt. Für einige Künstler, wie z.B. Miao Xiachun oder Zhang Dali, bildet das Erkennen, Reflektieren und Kritisieren dieser Zustände den künstlerischen Ausgangspunkt ihrer Arbeiten. Die authentischen, sehr direkten Beschreibungen und Darstellungen dieser Künstler, so etwa Xiauchuns fotografische Stadtlandschaften oder Dalis aufwändige Figureninstallationen, schaffen eine moderne Landschaft der spezifisch chinesischen Urbanisierung.

Ein prachtvolles Chaos Der sich momentan mit Begeisterung vollziehende Aufschwung Chinas hat seinen Ursprung in einem neuen chinesischen Traum: jeder Mensch hat die Möglichkeit zum persönlichen Erfolg und kann dank seiner Fähigkeiten die eigene Zukunft gestalten. Das definiert die Landschaft des neuen China: Es ist das Ergebnis eines nie da gewesenen Wandels und daher von Widersprüchen und Problemen geprägt. Nichtsdestotrotz befindet sich dieses neue China in einem Zustand voller Vitalität und Optimismus. Es ist kein stehendes Gewässer, sondern ein überbordendes, prachtvolles Chaos. Bezeichnend dafür sind etwa Liu Weis chinesische Landschaftsbilder – bestehend aus menschlichen Gliedmaßen und Hinterteilen.

Der dritte Raum Chinesische Künstler die im Ausland leben oder international tätig sind, wie z.B. Qin Yufen und Xu Bing, bewegen sich in ihrem künstlerischen Schaffen in einer „Grenzzone“ zwischen der Kultur ihres Heimatlandes China und ihrem Aufenthaltsort im Ausland. Betrachtet man China als den „ersten Raum“ und das Ausland als den „zweiten Raum“, so ließe sich die Grenzzone dazwischen als „dritter Raum“ interpretieren. Es handelt sich um kulturelle und visuelle Erfahrungen, die diese Künstler, wie etwa, im Zuge ihres Ortswechsels machen. Zudem sind es auch kontrastreiche Erfahrungen, die sie als Teil der aktuellen westlichen Kunst sammeln.

Selbstverwirklichung und Selbstbestimmung Die persönliche kreative Haltung und die künstlerischen Arbeiten von Künstlern wie Chi Peng sind repräsentativ für die aktuelle urbane Kultur, die bereits Teil der Massenkultur geworden ist. Ihre Kunst steht auch für den psychischen Zustand der neuen Generation in China, die in einem positiven Gefühl schwelgt; sie zeichnen sich dadurch aus, dass sie ständig von ihren eigenen Wünschen ausgehen und mit großer Aufrichtigkeit Freude, Schmerz, Liebe und Abscheu ausdrücken. In einer von Marktwirtschaft geprägten Gesellschaft suchen sie nach in Freiheit wurzelnden kreativen Möglichkeiten. “Sprinting Fortward“, Pengs sehr dynamische Bilderserie mit nackt laufenden Menschen, die von roten Flugzeugen verfolgt werden, zeigt dies auf sehr eindrucksvolle Weise.

Zu der Ausstellung erscheint ein umfassender Katalog mit rund 328 Seiten und über 200 Abbildungen in der Edition Sammlung Essl. Autor ist der chinesische Kurator Feng Boyi.

Pressetext

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CHINA NOW
Kunst in Zeiten des Umbruchs
Ausstellungsorganisation: Sini Zein & Günther Oberhollenzer
Kurator: Feng Boyi

mit Wang Guangyi, Wang Dajun, Fang Lijun, Yue Minjun, Zhang Xiaogang, Yang Shaobin, Ai Weiwei, Rong Rong & Inri, Li Songsong, Hai Bo, Shao Yinong & Muchen, Miao Xiachun, Zhang Dali, Liu Wei, Qin Yufen, Xu Bing, Chi Peng ...