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Christian Eisenberger und Karl Karner

Christian Eisenberger und Karl Karner sind zwei Künstler, die auf den ersten Blick nicht verschiedener sein könnten. Der eine hat sich in den letzten Jahren zunehmend der Malerei verschrieben, die er in expressiv-gestischer Manier in scheinbar rauschhaften Prozessen massenhaft hervorbringt. Der andere hat sich als profunder Bildhauer und meisterlicher Gießer einen Namen gemacht, der in stoischer Ruhe dem Feuer enigmatische Plastiken abtrotzt. Gemeinsam ist ihnen das Experiment, eine spezifische Materialästhetik, die informell-expressive Formensprache und die Suche nach einem eigenständigen künstlerischen Ausdruck in Medien, die so alt sind wie die Kunst selbst.

Experiment Karl Karner hat sich als Bildhauer auf Gusstechniken spezialisiert, in denen er es aufgrund seiner Versatilität zu wahrer Meisterschaft gebracht hat. Die dünnsten Flächen und fragilsten Formen vermag er in Bronze zu gießen. Wenige Plastiker haben zudem das Spektrum der Oberflächenbehandlung durch mechanische Eingriffe und Beimengung von Chemikalien derartig eindrucksvoll ausgeschöpft wie Karner. Mit quasi-wissenschaftlicher Methode sucht er nach immer neuen Farbqualitäten und Oberflächenstrukturen, und durch gezielte Änderungen im Werkprozess zu neuen Texturen zu kommen. Charakteristisch für Eisenbergers Zugang zur Malerei ist die Suche nach unkonventionellen Methoden des Farbauftrags, das Experimentieren mit der Reaktionsfähigkeit von Farben unterschiedlicher chemischer Zusammensetzungen (Acrylfarben, Lacke, Sprühfarben etc) und der hohe Grad an Aleatorik. Farbe wird durch Gitterformen und Textilien gesprüht, aus Tuben und Spritzen gepresst, aus Eimern und Dosen geschüttet, mit Folie um Bildträger gewickelt oder zwischen Glasplatten gepresst. Seinem Erfindungsreichtum scheinen keine Grenzen gesetzt, so hat im Bild o.T. 2013, 100x80cm beispielsweise Farbausdrucke auf Folien chemisch behandelt, auf Leinwand abgezogen und anschließend übermalt.

Material Bei beiden Künstlern steht das Material mit seinen inhärenten Eigenschaften und gestalterischen Möglichkeiten im Zentrum des künstlerischen Schaffens, ist gleichsam Ausgangspunkt ihrer Arbeiten. In der Kunst nach 1945 nimmt gerade die Materialästhetik eine zunehmende Bedeutung ein, da Material nicht mehr nur als technische Gegebenheit angesehen wurde, sondern als Bedeutungsträger erkannt wurde. Eisenberger kreiert Versuchsanordnungen, in denen die Farbe selbst gestalterische Autonomie erfährt. Er inszeniert sowohl ihr Verhalten nach physikalischen Gesetzmäßigkeiten wie auch nach chemischen Gesichtspunkten. Farbe wird auf die Leinwand, die nie auf einer Palette steht, sondern immer auf dem Boden liegt, geschüttet, gespritzt und getropft. Hernach wird das Bildgeviert in Bewegung versetzt und die noch rinnende Farbe in neue Richtungen gelenkt. Die Farbe sucht sich unter Anleitung des Künstlers ihre Form auf der Leinwand und geht je nach chemischer Zusammensetzung neue Verbindungen ein, stößt sich ab oder reagiert miteinander. Mitunter wird der Bildträger gewendet, sodass die flüssige Farbe auf eine weitere, darunter liegende Leinwand abtropfen kann und ein neues Bild generiert: Farbe von Farbe, Bild von Bild. Es entsteht ein Abbild in nuce, eine rudimentäre Kopie, die nicht als solche erkannt wird. Nur durch das Gesetz der Gravitation und die chemische Konsistenz der Farbe wird ein neues Bild erzeugt. Der Künstler nimmt sich aus dem Prozess der Bildentstehung dabei weitgehend zurück. Das Wissen um die Kunst des Gießens, mit ihren Tricks und Geheimnissen, die handwerkliche Kompetenz, die er sich über die Jahre erarbeitet hat und die technische Perfektion, die er anstrebt, spiegeln sich in den Arbeiten von Karl Karner. Aluminium, Bronze, Eisen oder Kunststoff sind gemeinhin Materialien, die einen spontanen und expressiven Formprozess nur bedingt ermöglichen. Karner vermag es, das Wachs im Wasserbad in jene fließenden, informellen Gebilde zu bringen, die den Eindruck des Unmittelbaren erwecken, und diese mitunter hauchdünnen Formen in Bronze zu gießen. Er bedient sich eines uralten Mediums und Materials, das als „für die Ewigkeit“ gilt und trotzt ihnen unbekannte Formen ab, die den zugleich Ausdruck des Neuen wie des Uralten tragen.

Tradition und Variation Beide Künstler stehen mit ihren individuellen künstlerischen Ansätzen natürlich in langjährigen kunsthistorischen Traditionen, die sie reflektieren, paraphrasieren, ironisieren oder versuchen zu erweitern. Eisenberger hat von der expressiven Malerei den Ausdruck, vom Action Painting den Gestus, von den Expanded Painting-Tendenzen der 1960er Jahre den Innovationsgeist und die Experimentierfreudigkeit und von der Postmoderne das kaltschnäuzige „anything goes“ und den Hang zum ironischen Zitat übernommen. Er adaptiert und variiert in diesem Sinne Formen des Porträts, Elemente der Street Art und Strukturen des abstrakten Expressionismus. In der Skulptur ironisiert er die pathetischen Formensprachen des letzten Jahrhunderts, setzt den eigenen Körper ärmlichen Materialien aus, destruiert das Readymade und kombiniert in humorvoller Weise objets trouvés. Karner, aus der Disziplin der Bildhauerei kommend, verhandelt die Grundprobleme skulpturalen Gestaltens: Raum, Form, Material, Volumen. Dabei überprüft er mit künstlerischen Mitteln immer wieder die von Vorgängern gefundenen Lösungen, sei es die Darstellung der menschlichen Figur, die Potentialität abstrakter Formgestaltung, die ästhetische Qualität des Readymades, die Tragfähigkeit von Materialästhetiken, die Einbettung in einen performativen Kontext oder die Erweiterung hin zur Architektur in Installationen.

Eisenberger Eisenberger gelangt in seiner Malerei ob bewusst oder unbewusst immer wieder zu einer Paraphrase des Porträts. Es scheint als würde die Form des Kopfes seinen Farb- und Malereiexperimenten Halt und Orientierung geben, als wäre sie der Rahmen seiner Versuchsanordnungen. In seltenen Fällen wie den Bildern o.T., 2011, 120x100cm, erfahren die Darstellungen durch Hinzufügung von eindeutig identifizierbaren oder konnotierbaren Zeichen eine inhaltliche Präzisierung im Sinne einer Narration oder Allusion. In den erwähnten Bildern sind den Kopfdarstellungen attributive Zeichen wie Stahlhelm, Davidsterne oderHakenkreuz beigestellt, die den Gemälden einen politischen Kontext geben, durch ihre willkürlich scheinende Setzung jedoch rätselhaft bleiben, so ist ein Davidstern auf einem Stahlhelm angebracht und sieht eine Figur mit einem Auge ein Hakenkreuz und mit dem anderen einen “Judenstern“. In einer weiteren Bilderserie hat er Würfelzucker in der Form eines Kreuzes und eines Totenschädels auf die Leinwand montiert und anschließend mit dem Lötkolben zum Schmelzen gebracht. Der karamellisierte Zucker entfaltet durch seine goldgelbe Farbe und seine Textur einen eigenwilligen Reiz, der von der Gefahr des Feuers kündet und Eisenbergers Streben nach ungewöhnlichen und sich selbst generierenden Oberflächengestaltungen nachkommt. Ausgangspunkt seiner Überlegungen waren die Hitzekacheln des amerikanischen Spaceshuttles, die beim Wiedereintritt in die Atmosphäre an die 2000 °C aushalten müssen und schmelzen und erst dadurch Sicherheit und Schutz gewährleisten. Man könnte in Bezug auf Eisenbergers Bilder formulieren, dass der Zucker auf der Leinwand diese vor den Flammen schützt.

Karner Karl Karner präsentiert in der Ausstellung eindrucksvolle Skulpturen aus seiner neuesten Serie „Samtkasten“. Irgendwo zwischen informeller Plastik, postapokalyptischer Landschaft, dramatischem Bühnenbild, unheimlichen Wesen und zeichenhaftem Objekt angesiedelt, sind die unbetitelten Plastiken erneut Zeugnis für die meisterlichen Handwerklichkeit von Karner. Die Qualität der Arbeit erschließt sich erst durch die Hinwendung zu ihren vielfältigen Details und Elementen. Eine großformatige Plastik von Karner ist ein eigener Kosmos von Formen, Texturen, Ebenen und Analogien, die ebenso viele Assoziationen und Deutungen evozieren ohne jedoch die hermetische Rätselhaftigkeit und dunkle Semantik aufzuklären. Textile Faltenwürfe treffen auf vulkanische Emanationen, Weinstockreste auf Geweihfragmente, Perlenreihen auf stumpfe Klingen, Verstrebungen auf Verspannungen, Zoomorphes auf Biomorphes. Das enigmatische Referenzsystem das Karners Plastiken konstituiert, nimmt seinen Ausgangspunkt in gegenständlichen Formen, die durch den Prozess des Abgießens, Modifizierens und Kombinierens eine Abstraktion erfahren, die sie im Zwischenraum zwischen Bedeutungsträger und bloßer Form verorten. Dadurch entsteht eine Textur sich überlagernder und durchdringender Narrationen, deren Vokabular in den symbolhaft wiederkehrenden Motiven und Formen zu finden ist, die von Erinnerung und Fitkion künden. Mit dem Titel „Samtkasten“ verweist er einerseits auf die samtene Oberfläche der Arbeiten aus dieser Serie, andererseits lässt er den Sandkasten als Ort des spielerischen Formens, Bauens und Imaginierens fremder Wesen und unbekannter Welten anklingen.

Die Zusammenschau der beiden Künstler bietet einen Einblick in den kreativen Prozess der Formfindung, der impulsiv, direkt und aleatorisch wie bei Eisenberger oder langwierig, bedächtig und überlegt wie bei Karner ausfallen kann. Die Qualität der Arbeiten, kann man wie immer nur in natura erkennen.

Roman Grabner

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