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Die erste umfangreiche Retrospektive von Christian Rothacher (1944-2007) stellt einen Aarauer Künstler vor, der um 1970 zu den Protagonisten der jungen Schweizer Avantgarde zählte, sich aus grundlegender Skepsis aber früh vom Kunstbetrieb zurückzog und im Stillen ein überaus poetisches Werk schuf. Die Ausstellung im Aargauer Kunsthaus erschliesst Christian Rothachers Schaffen anhand zentraler Themen- und Motivgruppen und spannt einen Bogen von den frühen Pop Art Bildern bis zu späten Intarsien und Aquarellen.

Christian Rothacher bezieht 1967 neben Heiner Kielholz, Max Matter, Markus Müller und Hugo Suter ehemalige Fabrikräume am Ziegelrain in Aarau. Im Freiraum der bis 1975 bestehenden, losen Ateliergemeinschaft wird mit zeitgenössischen Kunstrichtungen - Pop Art, Anti-Form und Konzeptkunst - experimentiert. Christian Rothacher erprobt nach einer intensiven Auseinandersetzung mit der englischen Pop Art den Ausstieg aus dem Bild und arbeitet mit bewusst armen Materialien wie Holz, Fell, Leder und Gaze. Dabei mischen sich konzeptuelle Überlegungen und existentielle Erfahrungen, die bereits ab 1970 zu einer eigenen, durchaus auch verspielten und humorvollen Bildwelt führen. In der Folge entstehen im Wechselspiel zwischen Zeichnung und Objektkunst Werkgruppen, die um bildnerische Fragen kreisen und dabei alltägliche Momente berühren oder umgekehrt den eigenen Lebensraum spiegeln und zugleich künstlerische Reflexionen implizieren. Die Offenheit und Auseinandersetzung mit grundlegenden Fragestellungen und Entwicklungen der zeitgenössischen Kunst bescheren den Protagonisten des Ziegelrains bald grosse Beachtung: 1971 vertritt Christian Rothacher zusammen mit Heiner Kielholz und Alfred Hofkunst die Schweiz an der 11. Biennale in São Paolo. Er bekundet jedoch zunehmend Mühe mit dem Kunstbetrieb und zieht sich mehr und mehr zurück. Abseits einer breiten öffentlichen Wahrnehmung entwickelt er in präzisen Werkgruppen seine eigenständigen Bildwelten weiter. Er erweist sich dabei als stupender Techniker, der die Fähigkeiten des gelernten Handwerks in all seinen Arbeiten offenbart, ohne inhaltliche Dimensionen zu vernachlässigen.

Das Aargauer Kunsthaus hat 2006 eine Auswahl früher Arbeiten von Christian Rothacher in der Ausstellung Ziegelrain '67-'75 gezeigt. Nun würdigt es sein Schaffen mit einer umfangreichen Retrospektive: Anhand zentraler Themen- und Motivgruppen, in denen viele der Werke erstmals vereint sind, wird ein Bogen von den frühen Pop Art Hinterglasmalereien zu den Intarsien mit Alltagsmotiven aus dem Spätwerk gespannt. Neben prozess- und materialorientierten Objekten aus dem Kontext des Ziegelrains, sind die Themen Natur, aber auch die Kunst an sich zentral. In der kritischen Auseinandersetzung mit den Bedingungen und Möglichkeiten des künstlerischen Schaffens, insbesondere der Malerei, wird die Palette als Werkzeug des Malers zu einem Leitmotiv. Ein weiterer Schwerpunkt sind einfache, alltägliche Situationen und Gegenstände wie aufgerissene Couverts, geschichtete Glasscheiben, zerwühlte Betten oder Kleidungsstücke, die der Künstler in Nahsicht und höchst präzis in seriell angelegten Aquarellen und Intarsien verfolgt. Auch Schachfiguren, Würfel und Dominosteine entstammen dem täglichen Leben, dienen dem Künstler jedoch für humorvolle und surreal anmutende Bildinszenierungen.

Als Kontrast zu den oft kleinformatigen Arbeiten wird die raumgreifende Installation Abendmahl gezeigt, in der Leonardo da Vincis Abendmahl mit dreizehn Tischlampen nachgestellt wird. Diese Arbeit ist beispielhaft für Rothachers künstlerisches Universum, in dem sich Referenzen und Kommentare zu Kunst, Alltag, Popkultur, Natur oder Politik vielschichtig überlagern und das Private oder Alltägliche nicht selten mit dem Weltpolitischen verbunden ist.

Christian Rothacher (1944-2007) absolviert eine Lehre als Schuhdesigner bei Bally in Schönenwerd. 1964 wechselt er an die neu gegründete freie Kunstklasse F+F der Kunstgewerbeschule Zürich und ist von 1967 bis 1975 in der Ateliergemeinschaft Ziegelrain in Aarau aktiv. Sein Schaffen erlangt bereits Ende der 1960er Jahren Beachtung, ab Beginn der 1970er Jahre werden ihm verschiedene Stipendien zugesprochen. Im selben Zeitraum verbringt er mehrere Monate in Afghanistan. In den 1980er Jahren macht er das norditalienische Brebbia zu seinem Wohn- und Arbeitsort, kehrt jedoch 2002 nach Aarau zurück. 2007 stirbt er hier nach kurzer schwerer Krankheit.

Wichtige Einzelausstellungen von Christian Rothacher finden in der Galerie Stampa in Basel (1969 und 1972) und im Kunstmuseum Olten (1992 und 2006) statt. Regelmässig sind seine Werke in den Galerien Elisabeth Staffelbach, Silvia Steiner und Marlene Frei zu sehen. Neben der Teilnahme an der 11. Biennale in São Paolo (1971) werden seine Arbeiten in Gruppenausstellungen wie Farbe und Form (Kunsthalle Bern, 1970), Die Metamorphose des Dinges (Kunsthalle Basel, 1972) oder Ziegelrain '67-'75 (Aargauer Kunsthaus, 2006) gezeigt.

Katalog Zur Ausstellung erscheint im Verlag Scheidegger & Spiess die erste Monographie zum Werk von Christian Rothacher. Der Katalog mit dem Titel Christian Rothacher – Uns bleiben die Feuerringe umfasst Essays von Stephan Kunz (Hrsg.), Marie-Louise Lienhard, Mirjam Steiner/Corinna Marchand, eine umfassende Auswahl an Briefen des Künstlers und zahlreiche Abbildungen.