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Die Pinakothek der Moderne zeigt eine monumentale Wandzeichnung der amerikanischen Zeichnerin Christine Hiebert. Die Werke der profilierten Künstlerin sind bereits in namhaften Museen wie dem MoMa oder dem Metropolitan Museum of Art zu sehen und nun zum ersten Mal in einer musealen Einzelausstellung in Deutschland. Großformatige Wanderarbeiten sind seit 2000 ein zentrales Thema der Künstlerin. Ihr »Zeichenstift« ist dabei ein leuchtend blaues Klebeband, wie es in Amerika von Weisbindern zum Abkleben bestimmter Areale benutzt wird.

Mit diesem leichten Gepäck, ohne Skizzen und vorbestimmte künstlerische Ideen, traf Christine Hiebert im April 2005 in München ein. Ihr Ziel: Das zweite Obergeschoss der Rotunde in der Pinakothek der Moderne. Von natürlichem Licht durchflutet, liegt sie im Zentrum des Museums und ist doch fern der strengen Choreographie der Sammlungen. Bisher wurden sie auch nicht mit klassischen Kunstwerken bespielt, denn für Bilder und Skulpturen sind weder ihre monumentalen Dimensionen, noch die blendende Helligkeit und die runden Wände geeignet. Diese Leere mit einer raumbezogenen Arbeit zu erschließen, war unser Wunsch an Christine Hiebert.

Die Makellosigkeit der für keine bestimmte Nutzung definierten Architektur empfand Christine Hiebert zunächst so unspezifisch wie ein brachliegendes Land. In tagelangen »Expeditionen« erkundete sie den Raum. Sie beobachtete den Einfall des Lichts, die Bewegungen von Sonnen- und Schattenflecken, sie analysierte die verschiedenen Niveaus des Museums, die Perspektiven und Überschneidungen, sie verfolgte die Wege der Besucher - und sie setzte schließlich auf die weiße Wand ihre erste Wegmarke in Form einer blauen Linie.

Diese Linie war der Ausgangspunkt der von ihr angelegten Welt. Aus der Logik dieser ersten Setzung entwuchsen alle weiteren Formationen. Und wie Christine Hiebert sich die Architektur erschloss – gleichsam mit hochsensiblen Fühlern und respektvoll -, so vermitteln auch die von ihr gezeichneten Linien, die gleich Wegen über die Wände führen, ihre Auseinandersetzung mit dem Raum. Das Ergebnis führt uns weit über die Architektur hinaus und doch in einem kontinuierlichen »RoundTrip« immer wieder zu ihr zurück. Der Raum zeigt nun mit »fast nichts« »etwas Anderes«. Die Zeichnung öffnet ihn, vitalisiert ihn und eröffnet eine Freiheit, die vorher nur gewissermaßen schlafend in der Leere der Rotunde verborgen lag. Jäger lassen in unbekannten Wäldern ihre Hunde los, um ihnen zu folgen. Für Christine Hiebert gilt ein Wort Hilde Domins: »Ich setzte den Fuß in die Luft und sie trug«.

Die Wandzeichnung von Christine Hiebert wird gleichzeitig mit der Fadeninstallation «Untitled (Rotunda). A Sculptural Project for the Pinakothek« gezeigt, die der amerikanische Künstler Fred Sandback (1943 – 2003) kurz vor seinem Tod für die Rotunde entwickelt hat. Es sind gelbe, blaue und schwarze Wollfäden, die entlang der sich gegenüberliegenden Pfeiler sowie der sie verspannenden Deckenbereiche befestigt sind. Die Installation geht eine stille, ebenso zurückhaltende wie nachdrückliche Symbiose mit dem Raum ein, den der Künstler, genau wie es auch Christine Hiebert tat, mit seismographischer Genauigkeit erkundet hat. Beide Künstler verbindet auch die Beschäftigung mit alltäglichen, fast wertlosen Materialien. Sie machen es zu einem »Dreigroschenspielzeug« (Henry Matisse über die Papiere, mit denen er seine Scherenschnitte herstellte) und stellen daraus Werke her, die jene dem Material ursprünglich zugedachte Funktion nicht mehr erahnen lassen. Beide Künstler verbindet auch der ephemere Charakter ihres Werks: Mit dem Ende der Ausstellung werden die Werke abgenommen. Wie vom Zelt der Nomaden kündet bei Fred Sandback schließlich nur noch das Loch im Boden vom temporären Aufenthaltsort des weiter ziehenden Menschen. Die spannungslos gewordenen Fäden verschwinden bis zum nächsten Aufbau im Depot. Christine Hieberts Klebebänder werden nach der Ausstellung in diesem Museum von der Wand abgezogen, was die Einzigartigkeit der Ausstellung unterstreicht. Für eine neue Installation findet sie neue Wege, neue Zeichnungen, aus ihrer aktuellen Gegenwart.

»Untitled (Rotunda)« von Fred Sandback ist eine Schenkung der American Patrons of the Pinakothek an das Museum. Der Aufenthalt von Christine Hiebert und die Realisation von »RoundTrip« wurde durch eine großzügige Spende der Fifth Floor Foundation an die American Patrons of the Pinakothek unterstützt. Unser herzlicher Dank gilt den Förderern.

Christine Hiebert ist eine der bedeutendsten Zeichnerinnen der Gegenwart. 1960 in Basel als Tochter amerikanischer Eltern geboren, lebt sie seit 1964 in den Vereinigten Staaten, heute in Brooklyn, New York. Sie studierte Graphik-Design in Philadelphia, anschließend Malerei am Brooklyn College. Ihr Leben in den Metropolen wurde von Kindheit an unterbrochen von langen Aufenthalten in den Landschaften des Mittleren Westens und den verschiedenen amerikanischen Nationalparks, später in abgelegenen Regionen Frankreichs und Italiens. In den frühen achtziger Jahren begann ihre künstlerische Laufbahn. Es entstanden Zeichnungen, in denen sie auf der Leere weißer Papiere mit Bleistift oder Kohle nach Wegen und Formationen suchte, - abstrakt-lyrische Analogien zu den Erkundungen der ihr zunächst unbekannten Landschaften oder Städte. Neben diesen zum Teil sehr großformatigen Blättern ist sie seit 2000 auch für ihre monumentalen Wandarbeiten in öffentlichen Räumen bekannt.

Arbeiten von Christine Hiebert befinden sich u. a. im Museum of Modern Art (New York), im Metropolitan Museum of Art (New York) und im Fogg Museum (Massachusetts). Ihre letzten Einzelausstellungen waren in der Margarete Roeder Gallery (New York und Köln), in der Gallery Joe (Philadelphia) und bei Victoria Munroe Fine Arts (Boston).

Pressetext

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Christine Hiebert - RoundTrip
Eine Wandarbeit für die Pinakothek der Moderne, 2005
Kuratorin: Corinna Thierolf