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Die Bilder von Christoph Radke sind zeitgenössische Fotografien und doch wirken sie zeitlos, geradezu anachronistisch: ihre starke Körnung, die weichen Schattierungen der Körperformen, das reiche Spiel der Grauwerte und die patinierten Hintergründe suggerieren einen Rückgriff auf alte fotografische Techniken oder lassen sogar Handzeichnungen mit geradezu taktilen Qualitäten vermuten.

In den im Hauptraum gezeigten Arbeiten geht Radkes Blick zurück und ist gleichzeitig ganz in der Gegenwart: den Menschen fotografiert er nackt; in meist geschlossenen, fast embryonalen Haltungen, die auf etwas Ursprüngliches deuten, so als wollten die Körper jede Zivilisiertheit und erlernte Attitüde abschütteln und die reine Existenz in einem einzigen schlichten Gestus veranschaulichen. Die Fotografien sind hochexpressiv, ihre Referenzen vielfältig und doch immer wieder einen Interpretationsgang anstoßend: den einer existentiellen Passion. Dies wird besonders in der Werkgruppe deutlich, die einen nackten Menschen mit verhülltem Haupt zeigt. Es sind Bilder, die einerseits auf alte Mythen (z.B. des geblendeten Samsons) und andererseits auf aktuelle und zeitgeschichtliche Ereignisse, Konflikte und Problematiken verweisen, und die uns tief eintauchen lassen in die dunkelsten Kapitel unserer Geschichte und Gegenwart.

Neben inszenierten Darstellungen greift der Künstler auch auf Bilder aus dem Internet zurück: Hier findet er eine Überfülle an Material, das nicht nur repräsentativ ist, sondern auch ungefiltert. Christoph Radke macht sich die Bilder zu eigen, indem er sie digital bearbeitet - Ausschnitte wählt, Details in den Fokus rückt, Hintergründe hervorhebt und die ursprünglichen Bildaussagen beinahe ganz zum Verschwinden bringt („Private Affairs“, Raum oben). Bilder entstehen, die das unsichtbar machen, was wir zu sehen eigentlich erwartet hätten.

Hier wie dort ist der Prozess der digitalen Bildbearbeitung ein wesentlicher Teil der Entstehung der Bilder, auch wenn er letztlich fast unsichtbar bleibt: die Bildresultate wirken eher wie Fragmente einer anderen Zeit, wie sensible Zeugnisse von etwas Fernem oder Überzeitlichem, das nur bedingt etwas mit uns zu tun haben kann – uns aber auf beunruhigende Weise dennoch berührt.

Ines Doleschal

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Christoph Radke’s images are contemporary and yet they are photographs which seem to be timeless, almost anachronistic. Their graining, the soft nuances of the body colour and its richness of tonal values, as well as the reduced backgrounds, refer to traditional photographic techniques or even charcoal drawings of an appealingly tactile quality.

In the works shown in the main space of the gallery, Radke thus takes us back into dimensions of the past and, at the same time, is fully part of the present: the man he portrays is naked, crouching on the floor in closed, embryonic poses which point to an archetypal state, as if the bodies wanted to shed off any signs of civilisation and cultivated attitude in order to display pure existence. The photographs are highly expressive, their references are multifarious and yet there is always one line of interpretation which eventually stands out: that of human passion.

This is obvious especially in the group of works which show a man, again naked, with his head clad in pieces of fabric. These images point back to antiquated, biblical myths (such as that of the blinded Samson) and simultaneously conjure current political issues, problems and conflicts of global concern, which make us dive deeply into some of the darkest chapters of history and our present time.

Alongside those staged photographs, the artist draws on images from the internet: he freely adopts the abundance of material found here by manipulating it digitally, by cutting it, shifting the focus of images, exaggerating backgrounds and shading the primary information (“Private affairs”, upper Gallery space). These images hide their original pictorial essences and do no longer convey what was actually meant to be conveyed.

Here and there the digital processing is a crucial part of the creation of Radke’s images, even if this is hardly obvious: the photographs rather seem to be fragments of another time, the sensitive testimonials of an era ever so remote to us - but they touch us nevertheless, disquetingly and worryingly.

Ines Doleschal

only in german

Christoph Radke
Kein Grund zur Beunruhigung
Fotografie / Installation