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"Es gibt Menschen, die sich fragen, ob das, was ich tue, von meinem Computer beeinflusst ist und ob die Darstellungsweise dazu beiträgt, mein Werk als zeitgenössisch zu betrachten. Ich hasse Technik definitiv und bin Computer-Analphabet […]"*

Chuck Close, einer der wichtigsten Vertreter des Fotorealismus – sein großformatiges Schwarz-Weiß-Gemälde Big Nude von 1967 ist ein Gründungswerk dieser Bewegung, die 1972 auf der dOCUMENTA 5 ihren internationalen Durchbruch feierte – lotet zwar gerne die Grenzen nicht nur malerischer, sondern auch foto- und reprografischer Techniken aus, doch produziert er keines seiner Bilder rein digital oder fotomechanisch. Ausgehend von einer fotografischen Vorlage (Polaroid) gelang Chuck Close zunächst mittels einer Rasterung die Übertragung dieses Bildes in die Malerei. Sein präziser, bis ins kleinste Detail seiner Portraits vordringender Malstil imitiert seither meisterhaft die Fotografie – womit Chuck Close zugleich Unschärfeeffekte und andere Eigenheiten der Kamerakunst zu Stilmitteln der Malerei erhob. Die Fotografie war damit ihrem Unterfangen, als Kunstgattung anerkannt zu werden, einen Schritt näher gekommen, und zugleich behauptete sich die traditionelle Malerei nach wie vor an der Spitze der Künste. Das eigentliche Thema seiner Bilder (vorwiegend Portraits) ist weniger die Imitation des Mediums Fotografie als die Nachvollziehbarkeit der Malerei durch die Rastertechnik, viel mehr geht es Chuck Close um die Technik und den Prozess des Sehens. Ausgehend von Druckrasterpunkten entwickelte er zusätzlich eine Darstellungsform von Wirklichkeit, die das noch immer aus ausreichender Entfernung fotorealistische Bildnis mosaikartig in farbige Ringe und konzentrische Kreisformen auflöst (vgl. dazu in der Ausstellung der white8 SHOWROOMS Holzschnitt: Self Portrait, 2004). Berühmt wurde auch seine „fingerprint“-Technik, mittels der er aus einander überlagernden Fingerabdrücken Potraits fertigt, die aus der Entfernung fotorealistisch wirken. Neben der Malerei schuf Chuck Close auch wegweisende Druckgrafiken, in die er unter anderem die „fingerprint“-Technik übertrug (vgl. dazu in der Ausstellung der white8 SHOWROOMS: Phil/Fingerprint, 2009). Seine Drucke sind noch arbeits- und zeitintensiver als seine großformatigen Malereien. Während Close für Letztere mehrere Monate benötigt, dauert die Fertigstellung eines Drucks von der Konzeption bis zur Edition (in Zusammenarbeit mit experimentierfreudigen Druckermeistern) oft zwei Jahre und mehr. Mittels der Druckgrafik erarbeitet Close als "ein Künstler, der Probleme sucht"**, Lösungen zu immer wieder neuen ästhetischen Fragestellungen. Jedes Mal, wenn er eine Druckgrafik beginnt, ist nicht nur die Herstellungsweise eine andere, sondern auch ihr visuelles Erlebnis.

Chuck Close wurde 1940 in Monroe/Washington geboren, studierte Malerei an der University of Washington in Seattle, der Yale University School of Art and Architecture in New Haven und 1967 als Stipendiat an der Akademie der bildenden Künste Wien. Danach übersiedelte er nach New York. Seiner ersten Einzelausstellung 1970 folgten über 200 internationale Werkschauen und 800 Ausstellungsbeteiligungen, darunter dOCUMENTA 5 (1972) und dOCUMENTA 7 (1977). 1990 wurde ihm der 6th Annual Infinity Award of Art des International Centre of Photography verliehen, 1993 erhielt er die Ehrendoktorwürde. 2008 und 2010 zeigte Dagmar Aichholzer in Einzelpräsentationen Werke des Künstlers in der white8 GALLERY in Wien. Lucas Gehrmann

* Chuck Close, aus: Kerstin Stremmel, Realismus, Köln: Taschen Verlag 2005. ** Terrie Sultan, „Introduction. Chuck Close Prints“, in: Chuck Close Prints—Process and Collaboration, Princeton University Press, Princeton, Blaffer Gallery, The Art Museum of the University of Houston, Houston 2003, S. 10 (übers. von Lucas Gehrmann).