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Nach der Barbican Art Gallery London (The Curve) zeigen wir als zweite Station die jüngste Ausstellungsproduktion Clemens von Wedemeyers, „The Fourth Wall“. Zeitgleich mit der Berlinale und der Transmediale diskutiert das Projekt des Berliner Künstlers und Filmemachers die Illusion des Authentischen. Es ist dies von Wedemeyers erste Galerie-Einzelausstellung in Deutschland.

Historischer Mittelpunkt der umfangreichen Schau ist die Entdeckung einer Gruppe von Höhlenbewohnern: Die „Tasaday“ wurden 1971 im philippinischen Regenwald entdeckt und von westlichen Medien als Sensation gewertet, lebten die 26 Ureinwohner doch wie in der Steinzeit, ohne Wissen von der modernen Welt. Die Wahrheit dieser Entdeckung wurde allerdings in den 1980er-Jahren schon wieder bezweifelt und der Fall zum Schwindel erklärt. Fest steht, dass die Berichte und Fotografien dieser friedliebenden „Wilden“ das Bild der Philippinen in der internationalen Presse lange Zeit prägten, sehr zum Gefallen des Regierungsapparates von Ferdinand Marcos, der seriöse anthropologische Forschungen erschwerte, die Medien hingegen hofierte. Waren die Tasaday authentisch? Die Beute aufmerksamer Reporter? Oder eine gezielte Ablenkung von der Realität des Marcos-Regimes? Eine Projektion des Westens vom paradiesischen Leben im Urwald?

Mit „The Fourth Wall“, der „Vierten Wand“, bezeichnet das Theater seit Diderot (Discours sur la poésie dramatique, 1758) die imaginierte Trennung zwischen Bühnen- und Zuschauerraum, die es den Schauspielern erlaubt, authentisch zu erscheinen, so als seien sie „unter sich“. Diese Trennung verschafft dem Publikum zugleich die Illusion, die Bühnenhandlung sei „echt“. Von Wedemeyer überträgt dieses Konzept auf die Anthropologie und zugleich auf Fotografie und Film. Auch deren Glauben, sich der Authentizität des Menschen und seiner Lebensumstände versichern zu können, verdankt sich einer unsichtbaren Vierten Wand: der vom Publikum gewollten und ihm dargebrachten Illusion, es habe ein Stück Wirklichkeit vor Augen.

In neun Filmen und Interviews erzeugt und perforiert Clemens von Wedemeyers Ausstellung solche Vierten Wände. Sie schafft und zerbricht zugleich die Illusion, wir könnten unterscheiden zwischen solchen Bildern vom Anderen, die echt sind, und Bildern, die nur Bilder sind. Von Wedemeyers Werke untersuchen die Mechanismen von Darstellung und Glauben sowie die kurze Zeitspanne eines „Erstkontakts“ – der erstmaligen Begegnung zwischen Anthropologen und einer isolierten sozialen Gruppe, zwischen Schauspielern und ihrem Publikum, zwischen den Besuchern und den Werken dieser Ausstellung.