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Anders als das Kunstideal des Konstruktivismus zu Beginn des 20. Jahrhunderts mit seinen utopischen, ideellen Dimensionen zeigen sich die konstruktivistischen Ansätze in der gegenwärtigen Kunst als von wesentlich anderen Intentionen getragen. Heute teilen die Schaffenden ihre Handlungsmacht mit einer Fülle von „Handelnden“: mit Ort, Material, Struktur, über die sie nicht herrschen, sondern vielmehr die Sensibilität den widerständigen Erfordernissen gegenüber vorführen - jede Konstruktion hinterlässt definitionsgemäß genau die Spuren, die ausgelöscht werden sollten. Konstruktivistische Kunst versucht Strukturen nicht zu "vereinfachen", sondern in ihrer Komplexität darzustellen und eine Grammatik zu entwerfen, die gegenüber konsensuellem Einverständnis die immer währende Missachtung der Spielregeln präferiert. Materialien und Objekte werden aus ihren angestammten Verwendungs- zusammenhängen gelöst, um sie gewissermassen ästhetisch zu formieren, oder auch um lediglich die Form von ihrer Funktion zu befreien, das Material von seiner Bestimmung. In dieser konstruktivistischen ‘Freiheit’ des Transfers können Heftklammern zur Aufzeichnung urbaner Landschaftsräume (Nikolaj Dudek) dienen, werden Klebebänder zu Bild- und Raumgestalter (Dirk Krecker), werden aus Wellpappe Werkzeuge (James Carl) und eine endlose Perlenkette nimmt ihren Ausgang bei Wassily Kandinsky und seinem programmatischen Text "Punkt und Linie zu Fläche" (Bernhard Gwiggner). Konstruktivistische Arbeiten können auch nur aus Relationen bestehen, die beteuern, nichts anderes als Relationen zu sein (Johannes Ziegler) und sie kann mitunter auch lediglich eine ‘relative’ Fassung eines Bildes, eines künstlerischen Werkes sein (Franz Riedl). Bezeichnenderweise wird oftmals Lowtech als formales Stilmittel eingesetzt, ohne jedoch eine Retro-Chic-Ästhetik zu bedienen und ohne eine illustrative Wirkung zu erzeugen. Lowtech meint den Einsatz schlichter Materialien in ungewöhnlichen Kombinationen und in äußerst formalisierten Arrangements, die unprätentiös Raumbezüge verschieben, wie dies Udo Bohnenberger und Sabine Heine des öfteren schon vorgeführt haben, oder sie entfalten sich in animierten Variationen nebensächlicher oder unbeachteter Details schaubildartig vor unseren Augen (Stefan Lux). Fotografie, Film, aber auch die Sprache sind auf Grund ihrer strukturellen Disposition in ihrer Anerkennung als dokumentarisierende Medien für konstruktive Methoden des Codierens, Entcodierens und Recodierens von besonderem Interesse und werden jeweils hinsichtlich ihrer Vereindeutigungen und Naturalisierungen demoniert oder kritisch unterlaufen, indem Herstellungsprozesse rekonstruiert und sichtbar gemacht werden (Christian Mayer, Guillaume Bijl, Annelies Oberdanner). Vergleichbares gilt für Modelle und andere ‘Veranschaulichungsstrategien’, die im eigentlichen Sinn zumeist Konstrukte eines Konstrukts sind; die beteiligten KünstlerInnen entwickeln ihre formalen Konstrukte in Bezug auf unterschiedliche Referenzen: Sprache, Ornament, Architektur, urbane und gesellschaftliche Kontexte, das institutionelle Kunstsystem, u.a.(Ella Raidel, Margarethe Haberl, Werner Würtinger, Nora Stalzer), wobei sich, um einen Vertreter des Konstruktivismus zu zitieren, ‘die Konstruktion der Realität mit der Realität der Konstruktion kurz schließt.’ (Siegfried J. Schmidt).

In den wissenschaftlichen Diskursen waren die radikal neuen Sichtweisen des Dekonstruktivismus und des Radikalen Konstruktivismus auf Realität und Konstruktion kurz vor der Jahrtausendwende heftiger Kritik ausgesetzt. Dennoch hat sich die Überzeugung, dass es Realität ohne Herstellung nicht geben kann, die Einsicht, dass dieser Denkansatz gerade den fundamentalistischen Haltungen in jeder Hinsicht Wesentliches entgegensetzen kann, durchsetzen können. Für die Kunstproduktion ist gerade der Zusammenhang von Konstruktion und Handlungstheorie entscheidend, ein Zusammenhang, der zwischen Ideen, formalen Prinzipien und inhaltlichen Positionen vermittelt. Entgegen einem alten Vorurteil gegenüber konstruktivistischen Ansätzen, ihre VertreterInnen würden ‘Glasperlenspiele’ für ein intellektuelles und elitäres Publikum betreiben, zeigt sich gerade die Aufkündigung von bestehenden Konsensbildungen über Bedeutungsgebungen als das Widerständige dieser Kunstpraxis.

Kenneth Baker hat in Bezug auf die konzeptionellen und konstruktivistischen Tendenzen in der zeitgenössischen Kunst diese als „the Art of Circumstance“ bezeichnet und dem Situativen eine große Bedeutung zugesprochen. Situativ entwickelte Konzepte und deren Umsetzung für und in konkret gegebenen räumlichen Besonderheiten machten es notwendig, KünstlerInnen bereits im Vorfeld der Ausstellung auszuwählen und hier vor Ort eine Arbeitsumgebung zur Verfügung zu stellen. Ermöglicht wurde dies mit der Zurverfügungstellung von sechs Stipendien seitens des Kulturfonds der Stadt Salzburg, die wir an Udo Bohnenberger, Nikolaj Dudek, Sabine Heine, Dirk Krecker, Anneliese Oberdanner und an Johannes Ziegler vergeben konnten. Zusätzlich wurde der Beitrag von Christian Mayer von den Salzburger Festspielen finanziell unterstützt. Pressetext

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CONSTRUCTa

Guillaume Bijl, Udo Bohnenberger, James Carl, Nikolaj Dudek, Bernhard Gwiggner, Margarethe Haberl, Sabine Heine, Lisa Holzer, Elisabeth Jugert, Dirk Krecker, Stanislav Kolibal, Andrea Lumplecker, Stefan Lux, Christian Mayer, Annelies Oberdanner, Ella Raidel, Franz Riedl, Nora Stalzer, Werner Würtinger, Johannes Ziegler