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In geschlossenen Systemen erzeugen Begriffe wie Verantwortung, Gerechtigkeit, Erklärbarkeit den Wunsch, sich den instrumentalisierten Erfindungen zu entziehen. Überfluss erzeugt Unterdruck. Die lautlose Entwertung der Außenwelt zielt nach innen. Rauch trieb die imitatio christi als klassische Mitleidsmetapher der ostdeutschen Monumentalmaler früh genug in ihre intellektuelle Verschattung, in die ironischen Alchemien vom obscurum per obscurius. Maren Roloff vermied sie gänzlich zugunsten ihrer unverdächtigen inner tubes. Beide Konstrukte, Malerei und Objekt, stehen zudem für einen internen Gegensatz. Ist das kulturelle Erbe einer gescheiterten Gesellschaft durch die nachträgliche Verleugnung der Allegorien oder durch die radikale Dekonstruktion ihrer abbildenden Materialien zu retten ?

Neo Rauch und Maren Roloff trennt das Alter nur um wenige Jahre. Ihr Generationen-Status aber ist verschieden. Für Rauch ist das Bild als biografischer Speicher nicht löschbar. Die jüngere Roloff hat sich die Faszination der Materie ausgeliehen. Das spirituelle Image ihrer Installationen begnügt sich mit der Form im Raum. Sie analysiert und ordnet das Material Gummi mit oder gegen seine Drehkraft, nie gegen seine fertigungstechnische Vernunft. Ihre taktilen Offerten an die Realität haben durchaus eigene Assoziationen. Doch sie erscheinen nicht als geschichtliche Bodennebel. Überleben heißt Schneiden im doppelten Sinn des Wortes.

Rauch gräbt sein "Ich bin Es" aus einer Verbalsuggestion fluktuierender Begriffe. Die erzeugten Gefühle vermeiden die Identität mit der Darstellung. Sie weichen aus in eine Zeit, die längst vergangen ist, und erhärten sich. Die Symbole bedienen das Outfit der dreißiger und vierziger Jahre. Das Banale wird zur Vorhut der Aggression. Die Orte tarnen sich mit entwaffnender Gewöhnlichkeit von Werkbank, Küche, Stadt, Landschaft. Spätestens beim Topos „Lager“ bricht die dünne Decke zur deutschen Geschichte auf. Auf den Kopf gestellt kehrt es als Fragment einer Skyline wieder. Welcher? Artaud bemerkte angesichts einer Arbeit von Balthus: „Wenn er Realität verwendet, ist es besser sie zu kreuzigen“. Rauch muss zögern, zehrt er doch vom Genuss seiner eigenen Ironien. Sein Trialog operiert mit den Verführungen und Symmetrien des bürgerlichen Salons. Das „Pattern“ stärkt sich an der kollektiven Erinnerung. Das „Drama Kunst“ ist zum Spiel geworden.

Maren trifft Neo in New York. Ihre Gummis sammelte sie als prima materia in den Speditionen von Downtown Manhattan. Ein paar Kleinigkeiten hatte sie im Handgepäck bei sich. Neo hat ihre Operationen längst wahrgenommen und die Antwort formuliert. Maren hängt ihre dunklen Körper, ihre soft pieces, zu den Bildern im Raum. Eine sparsame Entscheidung. Eine Entscheidung auch für die Bilder und die Demokratie des Ortes: Die Obsession von Zeit hat keine irritierende Wirkung mehr. An der Oberfläche jener Versenkung kräuseln sich leicht die Wellen. Gestalten bedeutet, entkommen können.

Klaus Werner In: Goethe House New York/Kulturstiftung Sachsen/Förderkreis der Leipziger Galerie für Zeitgenössische Kunst (Hg.): Curator’s Choice II: Echoes: Maren Roloff & Neo Rauch. Leipzig 1995, o.S.

Katalog: Goethe House New York/Kulturstiftung Sachsen/Förderkreis der Leipziger Galerie für Zeitgenössische Kunst (Hg.): Curator’s Choice II: Echoes: Maren Roloff & Neo Rauch. Leipzig 1995

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Curator’s Choice II: Echoes - Neo Rauch & Maren Roloff
Kurator: Klaus Werner