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Der in Wien lebende Architekt Heidulf Gerngross zählt zu den unkonventionellsten Protagonisten der zeitgenössischen Szene, seine Konzepte verbinden Städtebau, Architektur und Design. Er beschreibt sich in seiner Herangehensweise und Arbeitsmethode als „Archistrator“ – in Anlehnung an die Begriffe „Architektur“ und „Orchester“.

In seinem für das MAK entwickelten Ausstellungsprojekt „Das Spiel der Mächtigen“ archistriert Gerngross als Ausgangspunkt die Skulptur „Der Nagel“ (2003) von Franz West, indem er die Potenziale unterschiedlicher Künstler und Architekten, wie Heimo Zobernig, Hofstetter Kurt oder Angelo Roventa, zu einer Gruppe zusammenfasst und ein Szenario gestaltet, das die Autonomie der Kunstwerke erweitert. Neben eigenen Arbeiten wie den „Nageltower mit Korrektur von Franz West“ (2008/2009) bringt Gerngross weitere Beiträge verschiedener Künstler und Architekten als „Anmerkungen“ zur Skulptur „Der Nagel“ von Franz West, die er als essenzielle Form betrachtet, in einen losen Zusammenhang, um seine Idee des Entstehungsprozesses von Architektur umzusetzen. So wird Franz West zum genialen Formgeber, der Künstler und Mathematiker Hofstetter Kurt mit seiner raumgreifenden Skulptur „Elementarwelle“ (2009) zum Stifter der Oberflächenstruktur oder der Architekt Angelo Roventa mit seinem Projekt „Elastisches Wohnen“ (2009) mit variablen Elementen und Möbeln zum Gegenspieler. Heimo Zobernig hingegen untersucht mit der Negativform „Der Nagel“ (2003) die Frage des erweiterten Skulpturbegriffs, während Milan Mijalkovic Wests Objekt zu einer ideologisch aufgeladenen Architektur inspiriert – einer Moschee mit Nagel-Minarett. Mit der Gerngross Werkstatt Wien oder dem 1995 entwickelten „Archiquanten (Architekturteilchen zur Proportionierung architektonischen Machens)“ positioniert er sich parallel zu seinen Bauten oftmals auch außerhalb des architektonischen Rahmens. Zahlreiche Veröffentlichungen, Vorträge und ausgeführte Projekte, darunter das Printmedium ST/A/R (Verein für Städteplanung / Architektur / Religion), das er als übertragenen architektonischen Raum begreift, zeigen dies ebenso wie sein Beitrag „Casa Privata" bei der Architektur Biennale 2002 in Venedig.

Gerngross’ Engagement spiegelt Toleranz und Sensibilität für Unterschiede wider. Dadurch schafft er ein offenes ästhetisches System, das Kunst und Kultur als „authentischen Akt“ begreift. Gerngross agiert stets im sozialen Feld und nimmt somit eine politische Haltung ein. Er bezieht Position zur Frage, welche Rolle Kunst und Kultur spielen kann, sieht sich jedoch selbst in erster Linie als Architekt.

Dass Architektur einem universellen Lebensmodell entsprechen kann, führt Gerngross seit den 1960er Jahren vor. Er wird einerseits von „Archigram“ und den damaligen architektonischen Strömungen beeinflusst und andererseits von der konkreten Poesie der „Wiener Gruppe“. In seiner architektonischen und künstlerischen, konzeptuell geprägten Praxis definiert er das Feld der Architektur im unmittelbaren Kontext zu bildender Kunst, Musik und Literatur. In seinen Arbeiten setzt sich Gerngross mit dem Wechselverhältnis von Ästhetik und Ethik auseinander. 1968 bis 1978 entwickelte er den ersten Computerroman der Welt: das „Volksbuch“, einen Einzelfall in der Literaturgeschichte. Er erfand dafür ein eigenes „Raumalphabet“.

Heidulf Gerngross wurde 1939 in Kötschach/Kärnten geboren. Er studierte Architektur an den Technischen Universitäten Wien und Graz sowie „Urban Design“ an der University of California, Los Angeles, das er 1971 mit dem Master of Science in „Urban Land Economics“ abschloss. Zu seinen wichtigsten Initiativen zählen die Gründung des Architekturbüros Gerngross- Richter (1976, mit Helmut Richter), des Büros Gerngross (1988), des Büros Gerngross ST/A/D (1992, mit Robert Schwan) und der Gerngross-Werkstatt Wien (1997). Er realisierte u.a. die Erste Wiener Loft Siedlung (1996–1997) oder die Friedrich Kiesler Schule in Wien (1996–1998). 2008 erhielt er den „Preis der Stadt Wien für Architektur“. Seit 2003 ist er der Herausgeber des Printmediums ST/A/R – Städteplanung, Architektur, Religion. Weiters nahm Gerngross an zahlreichen Ausstellungen und Veranstaltungen teil: steirischer herbst (1979, mit VALIE EXPORT und Helmut Richter); Ars Electronica (1980); „liquid künstlerhaus“, Künstlerhaus, Wien (2001); „Heidulf Gerngross. Das Spiel der Mächtigen. Heidulf Gerngross archistriert Franz West’s Nageltower.

Architekturperformance“, MUMOK, Wien (2001); „A Design Now: Contemporary Design in Austria“, Austrian Cultural Forum, New York (2003); „Franz West im Gespräch mit Heidulf Gerngross“, Kunsthaus Bregenz, (2004); „Die Enzyklopädie der wahren Werte“, forum experimentelle architektur, Künstlerhaus Wien (2005). Gerngross nahm 2002 an der 8. Internationalen Architektur Biennale, Venedig (2002) teil. Das dort ausgestellte Architekturmodell „Capella Bianca“ wurde für die MAK-Sammlung Gegenwartskunst angekauft.

Im Rahmen der Eröffnung findet in der MAK-Ausstellungshalle eine Live- Aktion statt. Moderation: Alena Baich; Musik: Flower Structure: Elisabeth Penker (sonic structure/electronics), Tran Van Anh (chello), Sweet Susie (electronics), Philipp Quehenberger & Band; Performance: Oligarch Dr. Wladimir Tolstoj.

„Das Spiel der Mächtigen. Heidulf Gerngross archistriert Franz West’s Nageltower. Mit Hofstetter Kurt und Angelo Roventa“ entstand in Kooperation mit Rieder Smart Elements, Vasko+Partner Ingenieure und der Werkstatt Wien – Spiegelfeld Architektur Management. Dank gilt auch der freundlichen Unterstützung des Rumänischen Kulturinstituts, Wien.

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Das Spiel der Mächtigen.
Heidulf Gerngross archistriert Franz West’s Nageltower.
Mit Hofstetter Kurt und Angelo Roventa