press release only in german

Das verflixte siebte Jahr
Stipendiatenausstellung mit Trisha Baga, Kasper Bosmans und Catharine Czudej
03.05.2018 - 26.08.2018
Eröffnung: 02.05.2018 19:30 Uhr

Donaueschingen (23. April 2018) – Mit der Ausstellung „Das verflixte siebte Jahr“ präsentiert Fürstenberg Zeitgenössisch den siebten Jahrgang des 2011 auf Schloss Heiligenberg begründeten Förderprogramms. In ihren Arbeiten schließen die drei Künstler Trisha Baga, Kasper Bosmans und Catharine Czudej kulturelle Erinnerungen und Referenzen, Rollenbilder und Abstraktionen kurz.

Trisha Baga verschränkt in ihren Videoarbeiten und Installationen verschiedene Räume miteinander: die tatsächliche, nicht selten touristische Erschließung eines Ortes mit sprachlichen Erschließungsformen und Reflexionen, die vor dem Computerbildschirm oder andernorts stattfinden. In Bagas neuer Videoarbeit, die auf Schloss Heiligenberg und Sizilien entstand, beleuchtet eine Taschenlampe kleine Ausschnitte und erlaubt somit eine punktuelle Betrachtung. Es folgen forschende Untersuchungen und Analysen. Dazwischen sieht man Baga putzen oder im Dunkeln leuchtende Augen von Katzen und Hunden. Dazu erklingt immer wieder eine Melodie von Peer Gynt, die als das Pfeifen eines Mörders in die Filmgeschichte einging. Zum Vorschein kommen Subströmungen gesellschaftlicher Missstände, ohne dass Baga sie unmittelbar thematisieren müsste. Sie scheinen durch - in den verschiedenen Identitäten, ihren Artikulationen und den Materialitäten.

Kasper Bosmans künstlerische Arbeiten basieren in der Regel auf Anekdoten und anekdotischen Entdeckungen, die in einer historischen Recherche zum Vorschein kommen. Diese wird nicht in einem streng wissenschaftlichen Sinne ausgeführt, sondern auf Grundlage von ästhetischen, oftmals symbolischen und allgemeinen Darstellungen. Das Allgemeine ist dabei nicht allgemeingültig, sondern ein Kondensat von Bedeutungen, das in folkloristischen Ausdrucksformen, heraldischen und anderen existierenden Symbolen in neue Abstraktionen überführt wird. So auch bei der gezeigten Wandmalerei. Hier reihen sich gleichförmige Häuser zu einem Fries aneinander. In der Schönheit des Motivs eröffnet sich ein Widerspruch zwischen der Einfachheit und der Typisierung der Behausungen einerseits und der aufwändigen Dekorationsform des Frieses andererseits.

Catharine Czudejs popkultureller Ansatz verbindet alltägliche Objekte, kunsthistorische Referenzen und humorvolle Zitate zu einer objektbasierten, kritischen Auseinandersetzung mit gesellschaftlichen Bewegungen und Rollenbildern. In Donaueschingen zeigt die Künstlerin neue Arbeiten aus Pappe neben skulpturalen Wandarbeiten aus Epoxidharz. Eine Skulptur zeigt ein menschliches Gesicht bis zur Nasenpartie, dem ein Stück Seife im Mund steckt, die andere einen Arm, der einen spitzen Stock in ein Auge zu bohren scheint. Sehen und Sprechen, Wahrnehmung und Kommunikation sind hier bedroht. Ein ebenso enger Rahmen wird Pappkartons gesteckt, die nicht wie in Robert Rauschenbergs Pappserie selbständige Formen finden. Verpackung wird schön säuberlich verpackt und eingeschnürt zu einer normierten Anhäufung alltäglichen Lebens.

In einer jeweils eigenen, subjektiven Spezifität durchforsten Trisha Baga, Kasper Bosmans und Catharine Czudej Sinnhaftigkeiten und Rollenmodelle, die kulturell, politisch und ökonomisch in unsere Lebenswelt eingeschrieben werden. Anstatt normative Projektionsfläche zu sein, wie z.B. das Mädchen im titelgebenden Film, dient den Künstlern die Annäherung an kodierte Verhaltens- und Repräsentationsformen für kritische Auseinandersetzung und den Versuch, Brüche und Widersprüche zu verhandeln, ohne wie der filmische (Anti-)Held an ihnen zu scheitern.

Trisha Baga (*1985 in Venice, USA; lebt und arbeitet in New York, USA) Bagas fragmentierte, mit multiplen Ebenen und Ausdehnungen arbeitende Videos, Videoinstallationen und Performances verbinden Found Footage, Objekte, Körper und Interventionen auf der Bild-, bzw. Screenoberfläche zu vielstimmigen und brüchigen Essays. Dabei spielen Nähe und Distanz ebenso eine Rolle wie das Konvergieren und Auseinanderfallen der Repräsentation in Bild und Ton. Die Aufmerksamkeit, die einem Ding oder einer Situation zuteil wird, ihre Wahrnehmungen und die Reaktionen, die sie auslösen sind Aspekte, denen Trisha Baga nachgeht. Ihr Augenmerk liegt dabei im Besonderen darauf, wie Repräsentation Orte, Körper und Personen auf fassbare Größe zu schrumpfen oder immens zu erweitern vermag. Aufgrund der Langsamkeit von Bagas Bildern und im Zusammenspiel der disparaten Elemente erfordern ihre Arbeiten Zeit, den körperlichen Ausdehnungen und den fragmentierten Narrationen nachzugehen, die sich nicht in eine fest umrissene Form gießen lassen, sondern stets neu zusammensetzen und immer wieder veränderte Rückkopplungen im Verhältnis zwischen Realität und Repräsentation aufwerfen. Baga schloss 2007 die Cooper Union School of Art (New York, USA) mit dem Bachelor of Fine Arts ab und hat 2010 ihren Master an der Milton Avery Graduate School of the Arts am Bard College (New York, USA) erhalten. Seit 2011 ist sie in zahlreichen Einzelausstellungen sowie der permanenten Sammlung des Whitney Museum of American Art, New York zu sehen. Sie erhielt verschiedene Auszeichnungen wie den Louise Comfort Tiffany Foundation Award (2011).

Kasper Bosmans (*1990 in Lommel, Belgien; lebt und arbeitet in Brüssel, Belgien) Welche Bezüge bestehen zwischen Pullovern von Coco Chanel, römischen Münzen, Kerzen und einem Wal? Welche zwischen dem Wappen von Gibraltar und dem von Ceuta? Kasper Bormanns unternimmt in seinen Arbeiten thematische Forschungen, die Geschichte und Geschichten, Materialien und Konzeptionen miteinander verweben. Die abstrahierte Bildsprache von Symbolen und die in sie eingeschlossenen Bedeutungen überformt Bosmans ästhetisch zu Lesarten komplexer Zusammenhänge, die das Historische mit Gegenwart und Zukunft verschränken, das Individuelle mit dem Allgemeinen. Teil von Bosmans Informationscode ist auch die Farbe als Bedeutungsträger, die allerdings - wie die Symbole - graduellen Verläufen unterliegen kann. Beinahe könnte man sagen, dass Bosmans Arbeiten nach dem Quellcode des narrativen und symbolischen Niederschlags von Information und Wissen in abstrahierten Zeichen forschen, nach jenen kulturellen Ausdrucksformen, die retrospektiv, aber auch inventiv Identität schaffen.
Bosmans studierte an der Koninklijke Academie voor Schone Kunsten (Antwerpen, Belgien) und dem Higher Institute for Fine Arts (Gent, Belgien). Seit 2013 ist er weltweit in zahlreichen Einzelausstellungen zu sehen und ist mit verschiedene Preisen wie dem Nottebohn Award (2010) ausgezeichnet worden.

Catharine Czudej (*1985 in Johannesburg, Südafrika, lebt und arbeitet in Los Angeles, USA) Catharine Czudejs Arbeiten sind geprägt von Humor, einem besonderen Materialeinsatz und einer klaren Agenda: Ein anderer Umgang mit der Realität. Die Bildwelt der in Los Angeles lebenden Künstlerin entspringt der Populärkultur, dem Comic, der Kunstgeschichte und einer sloganhaften Poetik. So adaptiert sie für ihre Malerei die Titelseiten von Schundheftchen oder in ihren Skulpturen die ikonische Faust des Superhelden Hulk. Andere Arbeiten erinnern an das Informel oder es entstehen abstrakte „Leinwände“ aus Seife. Czudej nimmt die Dinge beim Wort und auseinander, knetet sie weich und fügt sie neu zusammen. Auf diese Weise schafft sie einen Realismus, der Wiederaneignung betreibt und Machtgefüge in Frage stellt. Zwischen weich und fest, unveränderlich oder in einem fortwährendem Prozess begriffen, die Frage nach der Stabilität der Form spielt in ihren Arbeiten eine ebenso große Rolle wie die Frage nach dem, was das Objekt der Betrachtung im Betrachter hervorruft. Was Czudej hierbei aufruft und zur Disposition stellt sind gesellschaftliche Konventionen, Assoziationen und Begehrlichkeiten.
Czudej schloss 2007 die New York University, New York, USA mit dem Bachelor of Fine Arts ab und hat 2015 ihren Master an der University of California, Los Angeles, USA erhalten. Seit 2013 ist sie in verschiedenen Einzelausstellungen in Europa und den USA zu sehen.

*

Fürstenberg Zeitgenössisch
„Fürstenberg Zeitgenössisch“ wurde 2011 von Erbprinz Christian und Erbprinzessin Dr. Jeannette zu Fürstenberg in Donaueschingen gegründet. Das eigenständige Projekt besteht aus einem jährlichen Stipendiatenprogramm, der Ausrichtung von Wechselausstellungen und dem Aufbau einer Sammlung. Der Fokus liegt dabei auf jungen, aufstrebenden Künstlerinnen und Künstlern, die sich in den letzten Jahren durch neue Formensprachen und Konzepte hervorgetan haben und in diesem Zusammenhang in den internationalen Diskurs gerückt sind. Kuratorisch betreut wird das Programm von Moritz Wesseler.