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Mit den 20er Jahren werden immer noch Vorstellungen verbunden, die mit der historischen Realität wenig zu tun haben. Als die „wilden“ oder „goldenen“ Zwanziger wird häufig genug eine Epoche verklärt, die ganz anderen Wahrnehmungsformen verpflichtet war. Dies gilt auch und insbesondere für die Architektur jener Zeit, die zu unrecht fast ausschließlich mit dem Bauhaus assoziiert wird.

Zweifellos hat das Bauhaus als prägende Stilform Maßstäbe gesetzt, aber darüber hinaus hat die Architektur an Rhein und Ruhr in jener Zeit ein ungemein vielfältiges Spektrum an qualitätvoller Architektur hervorgebracht, wie das Fotoprojekt von Petra Wittmar und Ulrich Deimel eindrucksvoll belegt.

In jahrelanger Arbeit, von 1996 bis 2002, haben die Fotografen praktisch alle maßgeblichen, zwischen 1918 und 1930 im Rhein-Ruhr-Gebiet entstandenen Gebäude recherchiert und ca. 90 charakteristische Projekte ins Bild gesetzt, wobei manchmal das Gebäude lediglich mit einer Aufnahme, manchmal mit einer ganzen Fotosequenz erfasst wurde.

Eine lückenlose, dokumentarische Sammlung war von vornherein nicht vorgesehen, eher ein fotografisches Essay, die die Besonderheiten dieser Bauten erfasst und die ganze Vielfalt und Widersprüchlichkeit dieser Epoche sinnlich erlebbar macht. Dennoch spiegelt sich in diesen Aufnahmen die Authentizität eines Gestaltungswillens, dem bislang viel zu wenig Beachtung zuteil wurde.

In der Gesamtheit belegen diese Aufnahmen, dass die Architektur der Weimarer Republik überwiegend einem gemäßigt modernen oder konservativen Geist verpflichtet war. Dass dies nicht im Widerspruch zu der Qualität des Geschaffenen steht, mag erstaunen, wird aber durch die zahlreichen Fotodokumente im Detail untermauert.

Allein die Auflistung der in der Dokumentation vertretenen Baumeister mit Namen wie Dominikus Böhm, Fritz Schupp, Peter Behrens oder Bruno Paul macht deutlich, dass durchaus namhafte Architekten ihre unübersehbaren Spuren hinterlassen haben. Daneben gilt es freilich, eine sehr beachtliche Anzahl von Bauten zu entdecken, die als „unbekannte Meisterwerke“ bezeichnet werden können. Es handelt es sich dabei um Bauwerke, die nur einem kleinen Kreis von Fachleuten bekannt sein dürften und die es – häufig genug – in der Nachbarschaft zu entdecken gilt. Die Fotografen begnügen sich nicht mit der Erfassung eines Gesamteindruckes: im Gegenteil: Petra Wittmar und Ulrich Deimel widmen sich gerne und ausgiebig dem Detail und dem unvermuteten Blickwinkel. Auf diese Weise gewinnen sie den Bauten Aspekte ab, die selbst das als bekannt Erscheinende in ein neues Licht rücken.

Mit solch höchst originellen Annäherungsformen gehen die beiden Fotografien weit über das Genre der Dokumentation hinaus. Zu recht postulieren die Bildautoren, dass ihre Fotografie „einen eigenen qualitativen Anspruch als schöpferisches Bildmedium“ erhebt.

Für die Ausstellung im Museum für Angewandte Kunst wurden rund 50 Beispiele ausgewählt.

Pressetext

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Deimel & Wittmar: Zwanziger Jahre an Rhein und Ruhr
Petra Wittmar und Ulrich Deimel