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Die Galerie freut sich, ab dem 27. April 2013 neue Arbeiten von Dennis Feddersen und Ingo Mittelstaedt zu präsentieren.

Ingo Mittelstaedt verknüpft in seiner neuen Serie Schwarz-Weiß-Fotografien, die in kunsthistorischen Museen aufgenommen sind, mit Bildern von Fundstücken aus der Natur, bzw. Landschaftsaufnahmen. Anders als in den vorangegangenen Arbeiten inszeniert er die abgelichteten Gebilde nicht wie auf einer Arbeitsbühne, sondern allein mit dem Blick durch die Kamera. Kombiniert werden die Fotografien mit einer neuen Skulpturengruppe von Dennis Feddersen. Feddersen erkundet die abstrakte Idee des Archetyps und verleiht ihr subjektive Gestalt. In vier Kunstwerken widmet sich der Berliner Bildhauer des ewig unerreichbaren Urbilds, seiner Verankerung im Unbewussten und seiner Veränderung durch das Bewusste, das es durchdringt.

Dennis Feddersen Feddersens Formenspiel speist sich aus der Vielfalt der Perspektiven. Aus einer meterhohen Vase lugt ein Köpfchen, ruht auf dem zerbrechlichen Kragen des Gefäßes. Es ist ein Mann, der hier wirkt wie ein erschöpftes Neugeborenes. Neben diesem fragilen Ort der Ruhe steht eine Säule aus ungebranntem Ton: ein Phallus, durch den sich ein Spalt zieht. Fast droht das Konstrukt zu brechen. Auf Kosten des Materials tut sich hier ein Diskurs um das Ur-Geschlecht auf.

Die Überwindung des Archetyps durch das Schaffen demonstriert die dritte Skulptur. Ein Zylinder mit leicht verbeulten Wänden konterkariert das Ideal von Harmonie und Ganzheit. Durch ihn wird das Ensÿ dreidimensional, der perfekt ausgewogene Kreis in der japanischen Kalligraphie. Ihn täglich zu üben, soll Stärke und Erleuchtung bringen, strebt seine Herstellung doch nach dem Inbild und verdeutlicht gleichzeitig seine Ungreifbarkeit.

Das Modell einer Büste, unfertig und roh, nähert sich schließlich einem persönlichen Archetyp des Künstlers. Geisterhaft bleich, wie verschreckt von der Welt, kauert sie auf dem leuchtend farbigen Sockel. Als Rudiment eines Selbstbildnisses manifestiert sich in ihr das Wort Bergsons vom „ewig Ungeschaffenen“; eine Abart von Form, deren Ausdruck stets in Bewegung bleibt und der starren Idee von Anfang und Ende widerspricht.

Mit den vier Plastiken veranschaulicht Dennis Feddersen eine entscheidende Tragik des Bildhauers: die Materialisierung wird immer nur ein Versuch bleiben, eine ungenügende Kopie der Ur-Idee. Doch nur so bringt er rudimentäre Elemente von inneren Archetypen an die Oberfläche, die als Ausdruck einer kollektiven Vergangenheit die Gegenwart erst ermöglichen. Die Ausstellung verhandelt dadurch auch die Platonische Bedeutung des Archetyps als „Beginn“ oder „Ankunft“: Der Künstler ergründet seinen eigenen Ursprung, setzt dessen Abbild dem Publikum aus – und eröffnet damit eine neue Deutung im Jetzt.

Ingo Mittelstaedt Glasvitrinen, deren überlappende Schatten sich an der Wand zu geometrischen Flächen, zu weichen Linien und scharfen Kanten fügen, menschliche Züge in Felsformationen und Architekturen, versehrte Ausstellungsobjekte, übersehene Ecken und frühe Daguerreotypien, von palimpsestartigen Überlagerungen des Lichts nahezu in Unlesbarkeit überführt: Mit genussvoller Hingabe zelebriert Ingo Mittelstaedt in seiner 2011 begonnenen Serie OXXXOXXXOXXOOOXOOXXOO das fotografische Potenzial, Oberfläche in Struktur und flüchtiges Moment in künstlerisches Bild zu transformieren. In bislang zwanzig analogen Schwarzweiß-Fotografien erkundet er den Abstraktionsprozess des Mediums und die ästhetischen Verfremdungen, die sich aus der Wandlung von Drei- in Zweidimensionalität ergeben.

Seine Motive entnimmt Mittelstaedt Streifzügen durch Natur und Museen, wobei der künstlerische Blick jeweils den Nebenschauplätzen und ungewohnten Perspektiven gilt: nicht dem Exponat selbst, sondern dessen Präsentationsweisen oder Bruchstellen, den Zufallserscheinungen und Deformationen der Natur, nicht ihren Gesetzmäßigkeiten. Mittelstaedt verweist auf eine klassische Bildgattung wie das Porträt, um im gleichen Moment durch Verschiebungen des Fokus die unmittelbare Präsenz und Lesbarkeit des Motivs aufzuheben und zu verklären; das Abbild des künstlerischen Abbildes wird zur Projektionsfläche. Er widmet sich den Spuren, die den Dingen eingeschrieben sind und die sie auf umgebende Flächen hinterlassen. Stofflichkeit und formale Bedingtheit des Bildmotivs werden zu bestimmenden Parametern der Fotografien, die zwischen dokumentarischem Ansatz und inszenatorischen Verrückungen oszillieren. In einem spielerischen Rekurs auf die analoge Fotografie als indexikalischem Medium fügen sie sich so zu einer poetischen Betrachtung der Vielschichtigkeit künstlerischer Aneignungsprozesse.

In OXXXOXXXOXXOOOXOOXXOO erzählt Mittelstaedt leichtfüßig vom Sehen und Wahrnehmen, von künstlerischen wie institutionellen Bedeutungszuschreibungen und dem Vermögen des Mediums, Bilder zu schaffen. Der Titel der Serie ist dabei einer Studie aus dem Jahr 1991 entlehnt, in der sich der amerikanische Psychologe Thomas Gilovich der Neigung des Menschen widmet, hinter aleatorischen Strukturen ein Muster erkennen zu wollen und diesem in zumeist missverständlicher Folge einen bestimmten Sinn zuzusprechen. Mit den Mitteln der Fotografie löst Mittelstaedt diese Muster heraus: Erst im Bild werden sie in ihrer Gegenständlichkeit erfahrbar, bevor ein zweiter Blick sie in abstrakte Textur transformiert.

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Dennis Feddersen & Ingo Mittelstaedt