press release only in german

Villa Flora, Winterthur

Der Glanz des Alltäglichen
Amiet, Giacometti, Hodler und Vallotton
Mit Werken aus der Villa Flora und der Stiftung für Kunst, Kultur und Geschichte, Winterthur
Kuratorin: Angelika Affentranger-Kirchrath

Künstler: Cuno Amiet, Giovanni Giacometti, Ferdinand Hodler, Félix Vallotton

Die Schweizer Künstler Cuno Amiet, Giovanni Giacometti, Ferdinand Hodler und Félix Vallotton haben die Welt des Alltäglichen, des vermeintlich Unbedeutenden, Übersehenen thematisiert und durch ihre Malerei mit dem Glanz des Kostbaren und zeitlos Gültigen versehen.

Diese besondere Qualität mag das Winterthurer Sammlerpaar Arthur und Hedy Hahnloser-Bühler gefesselt haben. Jedenfalls eröffneten sie ihre passionierte Sammeltätigkeit mit Schweizerkunst und kauften schon früh das Bild ‚Der Kirschbaum’ (um 1906) von Hodler. Weitere bedeutende Werke dieses Malers aus verschiedenen Schaffensphasen kamen nach und nach hinzu. Noch etwas früher wurden die Sammler aufmerksam auf Bilder von Giacometti und Amiet. Ganz zu schweigen von den Vallotton-Werken, die innerhalb der Sammlung eine eigene Kollektion bilden. So ist denn der Fokus Schweizerkunst in unserer Ausstellung mehr als gerechtfertigt. Diese mag in der Nachfolge der viel beachteten Schau ‚Hodler und seine Schweizer Künstlerfreunde’ (2000) in der Villa Flora stehen. Schon damals wurde die Präsentation wesentlich bereichert durch die Kunstschätze aus der Winterthurer ‚Stiftung für Kunst, Kultur und Geschichte’, deren Schwergewicht auf der Kunst der Schweizer Pioniere wie Amiet, Giacometti, Hodler und Vallotton liegt. Derart kann eine Präsentation mit Spitzenwerken der Schweizerkunst garantiert werden. Gleichzeitig mag sie die Dialog- und Kooperationsbereitschaft der Winterthurer Institutionen belegen.

Zudem setzen wir auch dieses Mal einen Akzent mit Gegenwartskunst und haben den international gefragten Künstler Albrecht Schnider eingeladen, unsere Ausstellung mit einigen Bildern, Objekten und Zeichnungen zu bereichern, die sich auf besondere Weise mit den Arbeiten von Giacometti, Hodler und Vallotton auseinandersetzen.

Amiet und Giacometti: Maler von Licht und Farbe

Amiet und Giacometti lernten sich früh kennen und blieben sich ein Leben lang freundschaftlich verbunden. Die menschliche Vertrautheit schlägt sich auch in der künstlerischen Gestaltung und Auffassung nieder. So liegt es denn nahe, die Werke der beiden auch in der Villa Flora zusammenzuführen. Beide verdanken Künstlern wie Frank Buchser, Giovanni Segantini und Ferdinand Hodler wichtigste Anregung und Förderung. Beide kannten sich aus im internationalen Kunstgeschehen ihrer Zeit, und sie fanden bei Künstlern wie Van Gogh, Gauguin oder Seurat entscheidende Impulse für ihr Schaffen. Oft haben sie ähnliche Vorgaben anders verarbeitet: Amiet behauptete sich als ein Maler, der ganz der Farbe verpflichtet war und der die koloristischen Fragen um ihretwillen angegangen ist. So überzeugt denn das Bild "Mädchen vor geblümter Tapete" (Bild A) genauso durch die verinnerlichte Erscheinung des Mädchens wie durch dessen Einbettung in die dekorative Umgebung mit geblümter Tapete. Auch im Selbstportrait erwies sich Amiet als einer, dem es nicht um eine psychologische Befragung ging, sondern - sich dabei in die Nachfolge Cézannes stellend - als einer, der in dieser Gattung formale Darstellungsmöglichkeiten experimentell auslotete. Für Giacometti hingegen verwandelte sich die Farbe in Licht und Leben. Während der Sommermonate fing der Bergeller Künstler in seinen Bildern das südliche Licht in seiner ganzen Intensität ein, so dass er es auch noch für seine Winterbilder vorrätig hatte. (Bild C) Manchmal ist es irisierend hell, löst die Konturen von Figur und Gegenstand auf und entwickelt eine vibrierende Eigendynamik. Der Grundimpuls seines Gestaltens aber war das Motiv, das ihn in seiner erlebten Unmittelbarkeit inspirierte. Davon zeugen die früh in die Sammlung Hahnloser gelangten Bilder seiner Familienmitglieder wie "Kinder im Bett" oder "Selbstbildnis".

Hodler und Vallotton: Gestalter mit Form und Linie

Hodler und Vallotton waren Künstler mit einem unbestechlichen Formensinn. Beide bewiesen sich als genaue Beobachter, die aus dem Gesehenen eine Essenz heraus kristallisierten. In ihrem Werk ist ein Ordnungswille bestimmend, der zu einer Stilisierung der Formen führt. Obschon sensible Koloristen, leben ihre Bilder von der formalen Struktur und einer Tendenz zur symmetrischen Anlage. So macht es denn Sinn, auch ihre Werke in den Räumen der Villa Flora zusammen zu zeigen.

Landschaften und Portraits bilden wichtige Gattungen im Schaffen Hodlers und Vallottons. Bei beiden sind es letztlich Übersetzungen innerer Vorstellungen. Vallotton schuf mit seinen beruhigten, menschenleeren, oft symmetrisch angelegten Meer-, Seen und Flusslandschaften wie "Marée montante le soir" fast schon ornamentale Ansichten.

Eindrücklich zeigt sich der gestalterische Wille auch in Hodlers Selbstdarstellungen. Hodler sieht sich im "Selbstportrait in Néris" mit eingefallenen Zügen und Augen, die ins Leere starren. Fassungslos scheint er vor der Gewissheit, dass ihn nun nach dem tragischen Verlust seiner Geliebten Valentine Godé-Darel die Angst vor dem Tod, der Alp, den er im Werk "Die Nacht" (1890) gebändigt zu haben glaubte, wieder eingeholt hatte. Anders mutet Vallottons "Autoportrait" an, in dem er sich im bürgerlichem Habitus gibt und nicht hinter die Fassade der äusseren Erscheinung blicken lassen will. Von diesem Bild aus ergeben sich Berührungspunkte zum Werk von Schnider. Er zeigt in seinen Kopfbildern das Gesicht als weisse Fläche und formuliert ein Paradox von Fülle und Leere.

Die Frau im Werk von Hodler und Vallotton

Die Frau als Faszinosum bestimmt sowohl das Schaffen von Hodler wie von Vallotton: lebensnah erscheint sie bei Hodler, distanziert bei Vallotton. Augustine Dupin, Hodlers erste Geliebte und Mutter seines Sohns Hector, stand ihm mehrmals Modell. Das kleine Brustbild wirkt in seiner Daseinsfülle wie eine Liebeserklärung an diese Frau, mit der er lebenslang verbunden geblieben ist. Vallottons Blick auf die Frau als Gegenüber ist unpersönlicher. Die "Baigneuse de face" (Bild J) strahlt kaum die Nähe einer Vertrauten aus, sie ist eine streng nach bildnerischen Vorstellungen des Malers komponierte Figur. Im Werk "Femme aux colliers" konfrontiert Vallotton den Betrachter mit einer Frau, die ihm ihren nackten, mit mehreren Ketten behangenen Oberkörper darbietet. Das Bild, erotisch und unterkühlt zugleich, unterstreicht Vallottons Versuch, die Malerei am Sujet zu behaupten und sei dieses noch so herausfordernd.

Landschaft und Figur als Ideenträger

In den Landschaftsbildern entfaltete Hodler sein ganzes Können. Nicht nur als einmaliger formaler Gestalter tritt er hier hervor. Er beweist sich als äusserst sensibler feinfühliger Kolorist und als ein Künstler, dem es gelingt, über die Bilder philosophisch fundierte Ideengehalte zu vermitteln. Seine Werke sind immer Teil seines ureigenen Universums. In Mürren, wo er 1911 einige Monate verbrachte, hatte er die Berge unmittelbar vor Augen. Er baut im Werk "Jungfraumassiv von Mürren aus" die Felsen wie Wände vor uns auf und schält die wesentlichen Konturen markant heraus. Auch in den Genferseelandschaften geht er vom optischen Eindruck aus. Dann verinnerlicht er die Ansicht in einem langen Arbeitsprozess zur Abbreviatur eines inneren Bildes. Oft erschafft er nun Himmelslandschaften oder gar sublime 'Seelenbilder'. Von tiefer Erfahrung durchdrungen sind auch die Wand ausgreifenden Werke "Empfindung V" und der Studie zu "Die Liebe" - zentrale Wegmarken innerhalb seines symbolistischen Gestaltens.

Angelika Affentranger-Kirchrath Kuratorin Villa Flora