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Sowohl in der Malerei als auch in der Fotografie beinhaltete die klassische Form des Porträts immer eine Verabredung zwischen Künstler und Dargestelltem. Dieser Vertrag zielte auf eine angemessene Repräsentation des Subjekts. Seit den dreißiger Jahren geriet nach der Porträtmalerei auch die Porträtfotografie in Bedrängnis. Der Präsentation des Subjekts folgte seine Anonymisierung in den Arbeiten Warhols und Liechtensteins. Ab dem Moment, in dem es keine Klassen mehr in der Gesellschaft gab, in dem die Gesellschaft entweder in die Diktatur überführt oder im Kontext einer nachmodernen Demokratie fragmentiert wurde, geriet das Subjekt zur Massenware beziehungsweise zum anonymen Star. Der Vertragsaspekt aber wurde seit den sechziger Jahren zu einem immer wichtigeren Element der Personenfotografie, weil er der überkommenen bürgerlichen Repräsentation des Subjekts einen konzeptuellen, den aktuellen Stand der Gesellschaft reflektierenden Aufbau des Bildes entgegensetzen konnte. Wer nicht eine Strategie des authentischen Porträts verfolgte, "in der das Abbild vom Fotografen gestohlen wird" (Buchloh), musste ein Geschäft auf Gegenseitigkeit abschließen.

Oliviero Toscanis Benetton-Werbekampagne mit Kandidaten aus amerikanischen Todeszellen zeigt beispielhaft, wie komplex eine solche Verabredung gestaltet sein kann: Reklame, Profitinteressen, soziales Engagement, Aufklärung, das Versprechen einer möglichen Errettung, ästhetische Überhöhung, antibürgerliches Bildnis - all diese Kategorien sind explizite oder implizite Bestandteile eines Vertrags zwischen Fotograf und Porträtiertem.

So hat der Künstler Ashkan Sahihi beispielsweise mit einer Gruppe von Freiwilligen, die vorher nicht in Kontakt mit Drogen waren, ein Experiment durchgeführt. Er schloss sich mit jedem einzelnen über einen längeren Zeitraum in einem hell erleuchteten Studio ein; die Probanden hatten sich eine illegale Droge ausgewählt, die unter kontrollierten Bedingungen eingenommen wurde. Die Kamera hielt die spezifischen Veränderungen von Psyche und Physis fest, die normalerweise im abgedunkelten und privatisierten Raum des Drogenkonsums nicht wahrgenommen werden: Stimmungsschwankungen, Rötung der Augen, Weitung der Pupillen, Muskelkontraktionen, Sedierung etc. Während die Freiwilligen ein Interesse an einer (abgesicherten) Erfahrung in einem gemeinhin unzugänglichen Bereich motivierte, verfolgt Sahihi eine Aufklärungsabsicht. Er will dem "drug look" der Modemagazine ein realistisches Bild des Drogenkonsums entgegensetzen.

Die Ausstellung "Der Kontrakt des Fotografen" gibt erstmals einen Überblick über die Voraussetzungen und Strategien der Personenfotografie seit den sechziger Jahren anhand von herausragenden Werken, in denen dem "Kontrakt des Fotografen" eine zentrale, das Bild konstituierende Funktion zukommt.

Pressetext

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Der Kontrakt des Fotografen
Kooperation: Akademie der Künste, Berlin; Museum Morsbroich, Leverkusen; Siemens Arts Program
Kuratoren: Matthias Flügge, Markus Heinzelmann

mit Tina Barney, Richard Billingham, Jeff Burton, Clegg & Guttmann, Patrick Faigenbaum, Angela Fensch, Jitka Hanzlová, Peter Hujar, Marjaana Kella, Boris Mikhailov, Miwa Yanagi, Nicholas Nixon, Ashkan Sahihi, Thomas Struth, Andy Warhol, Shizuka Yokomizo

Stationen:
12.11.06 - 07.01.07 Akademie der Künste, Berlin
11.03.07 - 27.05.07 Museum Morsbroich, Leverkusen