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Eröffnung : Do., 9.4., 18.00 - 21.00

Dies ist die zweite in einer Reihe von Ausstellungen, die fortan jährlich unter ähnlichen Prämissen in den Galerieräumen stattfindet. Die Marmory Show II beschäftigt sich mit der Frage, wie sich Erfolg in der Kunst generiert, besonders unter dem Aspekt, wenn dieser ausbleibt, und hat den Untertitel Impoverishment – Verarmung.

Ein kunstwissenschaftlich relevantes Dokument, das im letzten Jahr zwischen Marmorplatten in der Galerie gefunden wurde – ein in München im Jahr 1912 von Walt Kuhn verfasster (und nicht versandter) Brief an seine Frau – gab den ersten Anstoß. Darin drückt der Hauptorganisator der epochalen New Yorker Armory Show von 1913 sein erstaunlich progressives konzeptorisches, jedoch nie umgesetztes Vorhaben aus, die angeregt waren von psychedelischen Naturerlebnissen um den Kreis von Helena Blavatsky und Wassily Kandinsky. Spekulationen darüber, wie solche in der Natur unternommenen Experimente übertragen in die Armory Show hätten aussehen können, lassen sich zahlreich machen. Unumstößlich ist die Tatsache, dass die bei Kuhns Münchner Besuch getroffene Künstlerauswahl für seine erste Verkaufsausstellung in New York weitreichenden Einfluss auf Kunstschaffende und den Kunstmarkt ausübte. Eine fortlaufende Beschäftigung mit dem Münchner Künstlerzirkel der Zehnerjahre, führte zu einem Text, verfasst von der Schriftst ellerin und Malerin Fanny Gräfin zu Rewentlow, und erschienen im März 1914 in der Zeitschrift Simplicissimus unter dem Titel seinesgleichen geschieht. Darin kommt eine Kritik zum Ausdruck hinsichtlich genau solch gearteter, monopolistischer Auswahlverfahren, die nicht unerheblich für den weiteren Verlauf einzelner Künstlerkarrieren sind. Viele der damals Auserwählten zählen schließlich heute zum Kanon der Klassischen Moderne, woran sich die Frage knüpft, was ist mit den Künstlern bzw. Werken geworden, denen es nicht vergönnt war, Teil dieses Kanons zu werden.

Es ist anzunehmen, obwohl namentlich nicht genannt, dass es sich bei dem im Text erwähnten „Onkel aus Amerika“, der ein „Schauspiel“ seinesgleichen aufführte, bei dem es nur einer gesonderten Anzahl von „Rampenkönigen und Schmierenschaustellern“ erlaubt war mitzuwirken, um Walt Kuhn handelt. Galerien, Sammler und Kritiker stürzen sich in der Folge auf diese kleine Künstlerschar und sorgen für den beständigen Zustrom von Kapital und Präsenz, um für ihren Zenit und ihre Unsterblichkeit sowohl auf dem Kunstmarkt als auch in dem Bewusstsein der Nachwelt zu garantieren. Was aber geschieht mit den „Unseligen“, die zeitlebens nur um den institutionellen Orbit kreisen? Teil des andauernden Narrativs scheint doch zu sein, dass einige der Künstler, die sich ehemals in den noch-zu-gentrifizierenden-Nachbarschaften rein unkommerzielle Off-Räume starteten, oder Kunst machten, irgendwann mal ihre Chance sehen, vielleicht entdeckt (allerspätestens wiederentdeckt) und zum Mainstream werden, und die anderen eben nicht. Die Künstler der Marmory II Ausstellung finden Worte für dieses pathologische, wenn auch atypischerweise meist akzeptierte Phänomen, vielleicht manch direkte, oder welche mit abstraktem Abstand, vielleicht (tragik) komische oder wirklich beunruhigende.

Nikola Dietrich

Der entscheidende Hinweis kam von der in Berlin lebenden Künstlerin und Autorin Ariane Müller, die sich bereits mit Rewentlows Hauptwerk Der Geldkomplex (München 1916) zu anderer Gelegenheit näher befasste.