press release only in german

Haus Konstruktiv rundet sein Ausstellungsprogramm 2009 mit der Präsentation einer aussergewöhnlichen Kunstsammlung aus Brasilien ab: Die Ausstellung «Dimensionen konstruktiver Kunst in Brasilien» zeigt zum ersten Mal in Europa eine der bedeutendsten Sammlungen konkret-konstruktiver Kunst aus Brasilien, die Kunstsammlung des Brasilianers Adolpho Leirner (*1935 in São Paulo). Nur einzelne Werke aus der Sammlung waren in den vergangenen Jahren immer wieder in Europa zu sehen, doch in ihrer Gesamtheit wurde sie bisher nur in Brasilien und den USA gezeigt. Die Ausstellung entstand in Kooperation mit dem Museum of Fine Arts, Houston (MFAH), in dessen Besitz sich die Sammlung von Adolpho Leirner seit 2007 befindet.

Seit Beginn der 1950er Jahre entwickelten sich in Brasilien in der Auseinandersetzung mit dem Konstruktivismus und den Künstlern der Avantgarde ganz eigene Formen konkret-konstruktiver Kunst. «Sammeln ist wie eine Liebesaffäre, es bedeutet, Entdeckungen in einem großen Versteckspiel zu machen. Jede einzelne dieser Entdeckungen stellt einen wichtigen Teil meines Lebens dar», so der leidenschaftliche Sammler Leirner.

Seine Kunstsammlung, die seit Ende der 1950er Jahre kontinuierlich gewachsen ist, kann sich wie keine andere Sammlung rühmen, fokussiert und mit zahlreichen Meisterwerken die Entwicklung der konkret-konstruktiven Kunst in Brasilien umfassend und lebendig zu dokumentieren: von den Anfängen der non-figurativen Kunst mit Werken von Cícero Dias (1907–2003) und Samson Flexor (1907–1971) wie auch Arbeiten der «Grupo ruptura», der «Grupo frente» und des Neokonkretismus in São Paulo und Rio de Janeiro, bis zu zentralen Werken von Künstlern wie Lygia Clark (1920–1988) oder Hélio Oiticica (1937–1980), die in den letzten Jahren von der internationalen Kunstwelt wiederentdeckt und mit grossen Einzelausstellungen gewürdigt wurden.

Die konkreten und neo-konkreten Tendenzen im Brasilien der 1950er und 1960er Jahre entwickeln sich in einer Zeit grossen wirtschaftlichen Wachstums. Die Ölindustrie expandiert, die Städte wachsen in atemberaubendem Tempo, 1960 entsteht die moderne Hauptstadt «Brasilia». Mit der boomenden Wirtschaft entstehen auch Museen und Kulturinstitutionen, die Kunst und Künstler aus Europa und den USA nach Brasilien bringen und einen künstlerischen Dialog und wechselseitigen Austausch anregen.

Das Ausstellungsprojekt «Dimensionen konstruktiver Kunst in Brasilien» wird nicht nur spannende und aufschlussreiche Einblicke in die lateinamerikanische Entwicklung der konkret-konstruktiven Kunst ermöglichen, sondern auch bislang wenig bekannte Querverbindungen und künstlerische Dialoge mit der Schweizerischen konkreten Kunst offenbaren. In diesem Sinn knüpft die Ausstellung an die kunsthistorische Aufarbeitung an, die Haus Konstruktiv mit der grossen Jubiläumsausstellung «max bill 100» (Winter 2008/09) begonnen hat: die Rekonstruktion der ersten Bill Retrospektive 1951 in São Paulo zeigte bereits, wie sich seit den 1950er Jahren mit Max Bill als zentraler Figur der künstlerische Austausch zwischen konkret arbeitenden Künstlern in Europa und Brasilien intensivierte. Zeitgleich mit der Ausstellung erscheint die umfangreiche Publikation «Building on a Construct: The Adolpho Leirner Collection of Brazilian Constructive Art at MFAH»: Mit 13 Textbeiträgen internationaler KunstwissenschaftlerInnen und KunstkritikerInnen ist hier der neueste Stand der Forschung zu den Strömungen des «Concretismo» und des «Neoconcretismo » in Brasilien Anfang der 1950er Jahre zusammengefasst. Gestaltet wurde das Buch von dem bekannten brasilianischen Gestalter und Künstler Alexandre Wollner. (Hrsg. v. Héctor Olea und Mari Carmen Ramírez, ca. 404 Seiten (engl.), Yale University Press, New Haven, 2009).

ADOLPHO LEIRNER 1935 in São Paulo als Sohn polnisch-jüdischer Einwanderern geboren, studierte Adolpho Leirner von 1953 bis 1957 Textilentwicklung und –design in England. In dieser Zeit kam er zum ersten Mal mit dem Konstruktivismus des frühen 20. Jahrhunderts in Berührung. Ende der 1950er Jahren kehrte Leirner nach Brasilien zurück und fokussierte sein Interesse auf die angewandte und zeitgenössische Kunst in Brasilien. 1961 kauft er sein erstes eigenes Kunstwerk, das später zum Grundstein seiner Sammlung werden sollte: Em vermelho [In Rot] (1958) von Milton Dacosta (1915- 1988). In den 1960er Jahren beschliesst Leirner seine Sammlung auf die konstruktiv-konkrete Kunst Brasiliens zu fokussieren, nicht zuletzt, um die von Strömungen wie der Pop Art verdrängten Brasiliens geometrischen Abstraktion und konkret-konstruktiven Kunst der 50er und 60er Jahre nachhaltig für ein breites Publikum zu dokumentieren. Im direkten Kontakt mit Künstlern und einflussreichen Kunsthändlern gelang es Leirner systematisch, Schlüsselwerke dieser für sein Land wichtigen Kunstströmung zusammenzutragen. 2007 wurde die Sammlung Adolpho Leirner vom Museum of Fine Arts Houston erworben.

only in german

Dimensionen konstruktiver Kunst in Brasilien: die Sammlung Adolpho Leirner

Künstler: Cicero Dias, Samson Flexor, Lygia Clark, Hélio Oiticica ...