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Die künstlerischen Werke von Dirk Fleischmann charakterisieren zeitliche Abläufe. Viele seiner Projekte erstrecken sich über lange Zeiträume oder sind als work-in-progress angelegt. Der Umgang mit Zeit ist in der westlichen, hochkapitalisierten Welt von ökonomischen Sachzwängen und Medienkonsum geprägt. Die daraus resultierenden gesellschaftlichen Konventionen und Verhältnisse stellen sich in Frage, so dass ein wesentlicher Bereich der Arbeit von Dirk Fleischmann sich um signifikante ökonomische Phänomene der heutigen Zustände bewegt. Von 1998 bis 2002 betrieb er in der Städelschule einen Kiosk wie ein wirtschaftlich orientiertes Unternehmen, parallel dazu existiert seit 2002 die Anhängervermietung. Gleich einem ökonomischen Betrieb wurden Gewinne erwirtschaftet, die jedoch nie zur privaten Bereicherung von Fleischmann selbst dienten, sondern sie wurden immer in neue Projekte investiert.

Seit 2004 betreibt Dirk Fleischmann auf dem Dach der Städelschule in Frankfurt am Main eine Photovoltaikanlage. Die Anlage speist in etwa die Menge an solarproduziertem Strom in das lokale Stromnetz der Mainova AG ein, die in einem Haushalt mit zwei Personen verbraucht wird. Sie wurde aus dem erwirtschafteten Profit zeitlich vorausgehender Kunstprojekte von Dirk Fleischmann finanziert, unter anderem aus dem Kiosk und der Anhängervermietung.

Als Energieverbraucher bildet der Ausstellungs- und Wohnraum rraum ein Pendant zur Solarstromanlage und kann somit als miteinander verkoppelt betrachtet werden. Die Ausstellung „The Black Cat“ thematisiert rraum als räumliche und physikalische Einheit und stellt die eigentlichen Strukturen des Haushalts von Meike Behm und Peter Lütje selbst in Relation zu den umgebenden übergeordneten Strukturen des Konsums und ökonomischer Mechanismen.

Der Titel „The Black Cat“ bezieht sich zum einen auf die gleichnamige Kurzgeschichte von Edgar Allan Poe (1809 bis 1849) die er 1843 schrieb. Zum anderen ist dieser Titel dem Gedankenexperiment der „Schrödinger Katze“ entlehnt, das der österreichische Physiker Erwin Schrödinger vorschlug, um die Unvollständigkeit der Quantenmechanik zu demonstrieren, wenn man vom Verhalten subatomarer Systeme auf dasjenige makroskopischer Systeme schliessen will. In einem geschlossenen Raum befindet sich ein instabiler Atomkern, der innerhalb einer bestimmten Zeitspanne mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit zerfällt. Der Zerfall des Atomkerns wird von einem Geigerzähler detektiert. Im Falle einer Detektierung wird Giftgas freigesetzt, das eine im Raum befindliche Katze tötet. Erst beim Öffnen des Raums entscheidet sich, ob man die Katze tot oder lebendig auffindet, das heißt, vor der Beobachtung ist es unmöglich, über den Zustand der Katze eine Aussage zu treffen. Sowohl in Poes Erzählung als auch in Schrödingers Experiment sind die Katzen verborgen. Symbolisch verraten sie etwas über Zustände, die verheimlicht sind oder nur jenseits von gewohnten Denkmustern begreifbar werden.

Bei der Installation „The Black Cat“ verschwinden alle stromabhängigen Geräte, die sich im Haushalt von Meike Behm und Peter Lütje befinden im Ausstellungsraum, der verschlossen wird, während die weiteren Räume geöffnet werden. Was das genau für Geräte sind, ist jedoch nur erahnbar, denn es führen lediglich zahlreiche Kabel von den eigentlichen Standorten der Geräte wie Küche, Schlaf- oder Badezimmer in den geschlossenen Raum. Hieraus resultiert eine enorme und vor allem verdichtete Bündelung der Energie, so dass im übrigen Teil der Wohnung Dunkelheit herrscht. Dadurch, dass der dezidierte Einblick verwehrt wird, wird die eigentliche Ordnung, gegeben durch den sonst festen Platz der Geräte irritiert. In der Installation ergeben sich strukturelle und phänomenologische Analogien und die Wahrnehmung des Wohnraums gleitet in einen Zustand der Überlagerung und Mehrdeutigkeit.

Mit der Installation „The Black Cat“ sensibilisiert Dirk Fleischmann zum einen das Bewusstsein für die existentielle Abhängigkeit jedes Einzelnen von ökonomischen Systemen. Zum anderen stellt sie auf philosophische Weise Fragen nach der Sicherheit von Aspekten wie Erkenntnis und Wahrheit, indem sie den Grat zwischen Glauben und Wissen, Illusion und Realität schmal erscheinen lässt.

Zur Ausstellung erscheint eine Edition.

Wir danken dem Dezernat für Wissenschaft und Kunst und der Mainova AG für die freundliche Unterstützung der Ausstellung.

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