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Der Körper steht im Mittelpunkt der gleichnamigen Ausstellung von ART-isotope in Dortmund. Galerist A. Schöber präsentiert Objekte (Figurinen) von Prof. Jürgen Brodwolf und Malerei/Zeichnungen von Eberhard Bitter.

Beiden Künstlern ist die jahrzehntelange Konzentration auf die Auseinandersetzung mit der Darstellung des menschlichen Körpers gemein. Verschieden dagegen scheint der jeweilige Ausgangspunkt.

Jürgen Brodwolf (Jahrgang 1932) selbst nimmt zur Herkunft seiner Tubenfigur, mit der er berühmt wurde und die auch im Mittelpunkt der gezeigten Arbeiten steht, wie folgt Stellung: "Wir erinnern uns an die enorme Fähigkeit aus unserer Kindheit, in formtypische Steine, Hölzer, Zweige usw. Menschen- und Tierwesen hinein zu projizieren oder herauszulesen. … Mit diesen Figuren wurden die Geschichten und Bilder aus der Welt der Märchen und der eigenen übervollen Fantasie gespielt und gelebt."

So ist es nur logisch, dass in vielen der Arbeiten von J. Brodwolf die Figur/en mit Gegenständen das Alltages wie z. B. Emailleschildern, Schale (»Die Ketten«, 1966) und Greifzange (»Nudelzange«, 1969) spielerisch in bühnenartige Zusammenhänge arrangiert wurden. Auffällig dabei ist die fragmentarische Erscheinungsform der Tubenfigur – ihr fehlen Kopf, Arme und Füße. Die so implizierte Bewegungsunfähigkeit wird teilweise noch durch mumienhaft wirkende, oder auch kleidungsähnliche Stoffumhüllungen verstärkt (»Setzholz« 5/5, 1973).

Diese Gesamtsituation ist der Vorgehensweise beim kindlichen Puppenspiel ähnlich. Der Künstler spezifiziert dies wie folgt: "Zwischen diesen letzten Stanniolfigürchen und den ersten Tubenfiguren liegen rund 20 Jahre, Jahre, in denen das kindliche Spiel dem rationalen Denken der Erwachsenenwelt weichen sollte. Die Spuren dieser «Kindheitsfiguren» blieben aber irgendwo unter meiner Hirnrinde als Formchiffre gespeichert, abrufbar durch ein optisches Formsignal von außen. … Für mich bedeutete die folgenschwere Entdeckung dieser Tubenfigur gleichzeitig Wiederfindung, Anknüpfung an meine Kindheit, Zurückerinnerung an Spiele und Rituale mit den frühen primitiven Figuren. In dieser Tubenfigur erkannte ich die starke Verwandtschaft zu den Figurenrelikten meiner Kindheit und somit die Wiederfindung meiner wahren Identität und eigenen Sprache."

In späteren Arbeiten entledigt sich J. Brodwolf zwar der Gebundenheit an die Tubenfigur und kann so in größeren Formaten arbeiten. Die Darstellung des menschlichen Körpers als zentrales Motiv aber bleibt. In der Arbeit »2 Stürzende« von 1977/78 sind lt. Titel zwei Körper im Fall begriffen - allerdings in einer auffällig symbiotischen Konstellation, die Ruhe und Gelassenheit ausstrahlt.

Mit dem Wechselspiel zweier Körper befasst sich auch Eberhard Bitter (Jahrgang 1960) in seinen seit 2004 entstehenden großen Diptychons. In seiner Arbeit »Möglichkeiten, die wir ergreifen oder nicht«, die direkten Bezug auf die Arbeit »2 Stürzende« von J. Brodwolf nimmt, wird ebenfalls die Ambivalenz von Fall und Ruhe, von Symbiose und Abkehr thematisiert.

Die weiteren Titel der Diptychons von E. Bitter wie »Wenn in der Begegnung bereits die Trennung liegt« offerieren dann doch die unterschiedlichen Schwerpunkte der beiden Künstler. Während J. Brodwolf immer wieder einen gegenständlichen Bezug seiner Figur/en herstellt, steht bei den Arbeiten von E. Bitter die zwischenmenschliche Kommunikation im Mittelpunkt.

Untersucht wird, unterstützt von einer endlos erscheinenden Serie von Zeichnungen (zumeist aus den Bereichen Tanz und Theater), die körpersprachliche Ebene wie Gestik, Körperstellung, etc. Dabei beschränkt sich E. Bitter auf das Nötigste – der menschliche Körper wird nicht fotorealistisch, auch nicht abbildend, sondern fast schon skelettgleich dargestellt. Unterstützt wird dies durch einen fragmentarischen, teilweise gespachtelten Farbauftrag. Letztlich nicht verwunderlich, dass die Körper nackt und frei von ablenkender Haarpracht sind.

Durch diese Reduktionen bringt E. Bitter zwischenmenschliche Gefühle und Verhaltensweisen z. T. brutal, aber wirkungsvoll auf den Punkt und auf die Bühne des Betrachters. Dr. Hermann Ühlein bemerkt dazu: „Diese Bilder, ob sie nun faktisch zweigeteilt sind oder nicht, versetzen uns als Betrachter … in einen Zwischenzustand: Wie ein Pendel schweben wir mit den Augen zwischen Auflösung und Fügung, zwischen Vitalität und Verfall, zwischen existentieller Verzweifelung und menschlicher Gemeinschaft."

Die Ausstellung spiegelt somit bei verwandter Thematik der beiden Künstlergenerationen letztlich auch eine gesellschaftliche Entwicklung wieder: die Auseinandersetzung mit dem Individuum und seiner Fantasiewelt wurde abgelöst von der Untersuchung soziologischer und kommunikativer Wechselwirkungen.

Pressetext

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Körper
Eberhard Bitter und Jürgen Brodwolf
Malerei, Zeichnungen und Objekte