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Ed Ruscha (geboren 1937), dessen Werk sich immer wieder gängigen Kategorisierungen entzieht, zählt zu den bedeutendsten Künstlern seiner Generation. Während er zu Beginn seiner Karriere der Pop Art und später der Konzeptkunst zugerechnet wurde, lässt sich heute im Rückblick feststellen, dass es eben auch eine Qualität seiner Arbeit ist, sich nie auf eine bestimmte Stilrichtung oder ein Medium festzulegen. So werden von ihm beispielsweise Künstlerbücher, Zeichnungen, Drucke, Fotografien sowie Malerei gleichberechtigt nebeneinander verwendet, und mitunter nutzte er so unkonventionelle Materialien wie Schießpulver, Fruchtsaft, Kaffee oder Sirup, um damit seine Zeichnungen und Drucke anzufertigen.

Bei aller Divergenz der Stile und Mittel gibt es aber auch Konstanten im Werk von Ed Ruscha. Hierzu zählt die Verwendung von Schrift – sei es in Form von Druckmedien oder gemalt auf der Leinwand –, die sich von Beginn seiner Karriere an bis heute wie ein roter Faden prominent durch sein Œuvre zieht. Parallel zu seinem Kunststudium in Los Angeles hat Ed Ruscha als Schildermaler und für Werbeagenturen gearbeitet, für die er unter anderem Layoutmethoden und Drucktechniken studierte, die ihm später bei seinen eigenen frühen Publikationen nützlich wurden. Schon Anfang der 1960er Jahre entstanden seine heute legendären Künstlerbücher, in denen er beispielsweise Fotos der Tankstellen auf der Strecke von seinem Wohnort Los Angeles nach Oklahoma – wo seine Familie lebte – zeigt (Twentysix Gasoline Stations, 1963) oder alle Häuser des Sunset Boulevard vereint (Every Building on the Sunset Strip, 1965).

Allein schon mit diesen Werken hat Ed Ruscha Kunstgeschichte geschrieben und beeinflusst mit ihnen nachfolgende Künstlergenerationen. Seine Arbeiten sind weltweit in den wichtigsten Museen vertreten, und erst vor zwei Jahren tourte eine groß angelegte Retrospektive durch Museen Nordamerikas und Europas.

Während diese Ausstellung ausschließlich seine Malerei vorstellte, präsentiert das Kunsthaus Bregenz nicht nur ein Medium, sondern eine große Spannbreite seiner Werke, angefangen bei Zeichnung und Fotogravur über Buch und Film bis hin zu Acryl- und Ölbildern. Dabei liegt die Konzentration auf einem zwar naheliegenden, bisher jedoch noch nicht in extenso berücksichtigten Thema, der Bedeutung nämlich, die dem Buch beziehungsweise dem Akt des »Lesens« in seinem Werk zukommt.

Dass Schrift eine besondere Rolle für Ed Ruscha spielt, lässt sich allein schon an seinen bekannten Leinwandbildern ablesen, bei denen er einzelne Wörter oder Sätze so auf monochrome beziehungsweise mit Farbverläufen versehene Bildflächen gesetzt hat, dass sie wie magisch vor diesen zu schweben scheinen. Nicht weniger erwähnenswert sind in diesem Zusammenhang sein Schriftzug aus Ameisen, 1972 entwickelt für die von Harald Szeemann kuratierte documenta 5, oder die Tatsache, dass er in den 1980er Jahren eine eigene Schrifttype entwarf, die er »Boy Scout Utility Modern« nannte und als einen »Buchstabenstil ohne Stil« bezeichnete.

Wie produktiv sich Ed Ruscha mit dem geschriebenen Wort auseinandersetzt, ist sowohl in seinen Künstlerbüchern nachvollziehbar, von denen in Bregenz alle zu sehen sind, als auch beispielsweise in den abstrakten Öl- und Acrylbildern der Serie Cityscapes. Bei diesen platziert er rechteckige Formationen in der Weise auf einen in der Regel monochromen Grund, dass sie bei genauerem Betrachten die einzelnen Worte des jeweiligen Bildtitels in Länge und Abstand wiedergeben. Über ein Dutzend dieser Werke in der Ausstellung belegen nicht nur die atmosphärische Dichte, die in der Kombination von visueller Abstraktion mit den gedanklich zu übertragenden Worten entsteht, sondern auch eine merkwürdige Direktheit, die zwischen Verzweiflung, Aggression und Humor changiert. Es ist bezeichnend, dass Ruscha in dieser Serie, die er einmal als »visuellen Lärm« bezeichnete, wie auch bei anderen Werkreihen von ihm selbst festgesetzte Regeln mitunter in der Folge lustvoll bricht.

Bei einer späteren, vergleichbaren Serie von Vierfarbfotogravuren verwendet Ed Ruscha anstatt eines monochromen Hintergrunds typische amerikanische Landschaftsfotos, die mit Titeln wie Your A Dead Man Assoziationen an Western auslösen.

Zu den anderen ansonsten selten ausgestellten Arbeiten in der Ausstellung zählen seine Buchobjekte, auf deren Cover er beispielsweise mit Ölfarbe »The End« schreibt oder in deren Leinenumschläge er Wörter beziehungsweise einzelne Buchstaben bleicht, wie bei seinen O-Books. Diese werden so zu Bildträgern und behalten trotzdem ihren Objektstatus, bei dem der Buchinhalt und das (neue) Cover spannungsvoll in Beziehung treten. Ähnlich verhält es sich mit Oh No und Pep, beides im letzten Jahr speziell für die Bregenzer Ausstellung bearbeitete Lederfolianten.

Darüber hinaus lassen sich hier auch bisher selten ausgestellte Fotografien des Künstlers entdecken, die auf den ersten Blick genau das wiedergeben, was im Titel zu lesen ist (zum Beispiel Single Book Flat), aber bei genauerer Betrachtung eben auch das Verhältnis von Text und Bild, von Zeichen und Bezeichnetem poetisch in Szene setzen.

Zu den sicherlich beeindruckendsten Werken der Schau zählen seine Leinwandbilder, auf denen er minutiös und illusionistisch täuschend echt jeweils frontal ein Buch gemalt hat, auf dessen Cover beispielsweise »Atlas«, »Bible«, »Index« oder »Standards and Norms« zu lesen ist. Für Bregenz hat Ed Ruscha diese Serie weiterentwickelt, indem er neue Werke anfertigte, die das Originalbuch gemeinsam mit seiner gemalten »Kopie« in einem Rahmen vereinen. Hinzu kommen neue großformatige Bilder, die ebenfalls anlässlich der Ausstellung entstanden sind und erstmals der Öffentlichkeit präsentiert werden.

Die Ausstellung Reading Ed Ruscha wurde speziell vom Künstler für das Kunsthaus Bregenz konzipiert und stellt bemerkenswerterweise seine erste institutionelle Einzelausstellung in Österreich dar.

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Reading Ed Ruscha