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Die Fragen, die das Projekt stellt, betreffen das politische Potential und die politische Relevanz der besonderen formalen Beschaffenheiten alltäglicher Umgebungen. Es geht dabei vor allem um die soziale Funktion und Bedeutung intimer Umgebungen, die der Konstruktion von Individualität Raum geben.

Das Projekt geht über die reine Analyse hinaus und präsentiert künstlerische Strategien der Wieder-Aneignung und Umwandlung, die aus der Kritik bestehender Verhältnisse heraus neue spekulative Räume und Strukturen schaffen.

Die Ausstellung konzentriert sich auf aktuelle Arbeiten, bezieht jedoch auch eine Reihe von ausgewählten Arbeiten aus den 70er Jahren in die Diskussion mit ein. Im Kontrast zu den zeitgenössischen Arbeiten ist die Perspektive, aus der die historischen Beiträge die soziale Bedeutung des privaten Raums betrachten, vergleichsweise eindeutig. Sie fragen danach, wie private Räume politisiert und als Schnittstellen zwischen Macht und Körpern instrumentalisiert werden (der Beitrag von Sanja Ivekovic zum Beispiel).

Die aktuellen Positionen dagegen verwerfen eine vereinfachte Gegenüberstellung von Staatsmacht und Privatraum. Subjektivität wird hier nicht als etwas angesehen, das kämpferisch dem System abgerungen werden muss, sondern das vielmehr so wie Althusser es beschreibt, Produkt einer permanenten Anrufung durch die Macht ist. Nur ist es nicht mehr, wie bei Althusser, der Polizist, von dem die Anrufung ausgeht ("Hey Sie, bleiben Sie stehen!"); ein Ikea Billyregal, ein Tisch vom Möbelhaus Leiner oder Einrichtung und Schnitt einer Wohnung im Studentenwohnheim können Transmitter von Anrufungen sein.

Die Frage bleibt gleich: Wie schafft die Ideologie ihre Subjekte? Welcher Formen und Formate bzw. welcher Sprachen und Rethoriken bedient sie sich? Wenn zum Beispiel Lasse Schmidt-Hansen (*1979) ein Billyregal zusammenbaut und bewußt den berühmten Fehler von Millionen von Konsumenten wiederholt, in dem er ein Regalbrett falsch herum einbaut, und die unbeschichtete Längskante nach Vorne und nicht zur Rückwand hin wendet, macht er sich zunächst einmal bewußt zum Komplizen des Mythos Ikea. Wenn er nun aber anhand eines dem Regal beigelegten Notizzettels mit genauen mathematischen Kalkulationen aufzeigt, dass diese Möglichkeit der Falschmontage eine von 294 Millionen kreativen Variationen darstellt, in denen man ein Standard-Billy-Regal zusammen bauen kann, dann beschreibt er damit das Dilemma der freien Wahl der Standards als symptomatisches Verhältnis zur gesellschaftlichen Normalität. Zugleich verweist er auf das subversive Potential, das diesem Verhältnis innewohnt. Die Ausstellung erhebt keinen Anspruch auf eine enzyklopädische Behandlung des Themas, sondern auf eine atmosphärische, widersprüchliche und assoziative Inszenierung der Problematik, die den Betrachter in einen dynamisch und bildhaft-dicht gestalteten Raum aufnimmt, Fragen aufwirft, Begehren schafft und produktive Verwirrung stiftet.

Mit Beiträgen von: Fabrics Interseason, Liam Gillick, Julian Goethe, Lise Harlev, Sanja Ivekovic, Janice Kerbel, Bernd Krauß, Little Warsaw, U.M.M., Andreas Neumeister, Mai-Thu Perret, Jozéf Robakowsky, Silke Schatz, Lasse Schmidt Hansen, Octavian Trauttmansdorff, Jeronimo Voss.

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Eine Person allein in einem Raum mit Coca-Cola-farbenen Wänden
Kurator: Sören Grammel

mit Fabrics Interseason , Liam Gillick, Julian Göthe, Lise Harlev, Sanja Ivekovic, Janice Kerbel, Bernd Krauß, Little Warsaw, U.M.M., Andreas Neumeister, Mai-Thu Perret, Jozef Robakowsky, Silke Schatz, Lasse Schmidt Hansen, Octavian Trauttmansdorff, Jeronimo Voss