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Die Galerie Nordenhake freut sich eine Ausstellung mit neuen Arbeiten von Esko Männikkö zu präsentieren. Der finnische Fotograf spielt in seinen Bildern mit der dokumentarischen Qualität des Mediums und erzeugt vielfache Ebenen der Realität und der Narration.

Auf dem ersten Blick erscheinen die eindrücklichen Gesichter seiner neuen Serie Blues Brothers gespenstisch ausdruckslos und verfärbt; man fühlt sich an die bläuliche Blässe eines Ertrunkenen oder an die geschwärzte Haut eines Kohlenarbeiters erinnert. Für diese Serie fotografierte Männikkö die Statuen auf Mailands Friedhof Cimiterio Monumentale, der bekannt ist für seine künstlerisch interessanten Grabmonumente und die dort bestatteten Persönlichkeiten. Die frappierend menschlich erscheinenden Sujets befinden sich alle im Stadium eines pittoresken und dennoch beunruhigenden Zerfalls und zeigen die Verwitterungen der Jahre, die die Statuen den Elementen ausgesetzt waren. Auf einem Bild ist die ursprüngliche Patina aus gebürstetem Metall noch zu erkennen, während grünes Moos im Begriff ist, die Züge des düsteren Gesichts zu umwuchern. Auf einem anderen verleiht eine farbige Oxidierung im Kinnbereich dem sorgfältig nach unten gezogenen Mund der Statue einen noch gequälteren Gesichtsausdruck. Die Porträts zeigen eine eindringliche Verletzlichkeit und die lädierten Gesichter scheinen die Vorstellung von einem einstmals animiert gelebten Leben zu vereiteln. Sie werden zu Totenmasken, die die Elemente der Natur umhüllen - also genau jene Kräfte, die auch der vermeintlichen Dauerhaftigkeit des Gedenksteins oder der Bronze einen Lebenszyklus aufdrücken.

Wie schon in seiner vorausgehenden Serie präsentiert Männikkö die Fotografien in schweren, zumeist gebrauchten Bilderrahmen. Eine Präsentationsweise die man eher mit klassischer Malerei in Verbindung bringt, als mit zeitgenössischer Fotografie. Derart historisierend in Holz eingefasst lesen sich Männikkös Fotografien nicht als Vorboten der Wahrheit. Die besondere Präsentation verunklärt vielmehr die dem Medium innewohnende dokumentarische Qualität und steigert die Ambiguität der dargestellten Gesichter. Männikkö transformiert in der Serie bildhauerische Objekte zu Menschen und erzeugt vom Leid geprägte Persönlichkeiten, die zwischen Leben und Tod schweben.

Auf den Fotos der Serie Blues Brothers erscheinen die Figuren losgelöst von einer Umgebung. Die Gesichter werden vor einem neutralen Hintergrund gezeigt und füllen das gesamte Bild aus. Hier weicht der Künstler von seinen früheren Arbeiten ab: Die Serie über finnische Junggesellen aus den 90er Jahren z.B. zeigt alleinstehende Männer in ihrem Zuhause, umgeben von persönlichen Gegenständen, in einer scheinbar alltäglichen Situation. Wie bei klassischer Porträtmalerei dienen die Gegenstände als Attribute für die Personen selbst; sie weisen den Betrachter auf die unterschiedlichen Aspekte des Lebens des Dargestellten und bieten den Stoff, aus dem sich eine Erzählung konstruieren liesse. Für die Serie MEXAS (1996-97) fotografierte Männikkö in den USA Bewohner der mexikanischen Grenzregion vor ihren eigenen Häusern oder in der umgebenden Landschaft. Durch Männikkös Linse fokussiert, lasse n die Gesichter und ihr Umfeld einen Mythos von Zugehörigkeit entstehen. Die Vorstellung vom Angekommensein an einen Ort, der Heimat genannt wird, ist aber nach wie vor doppeldeutig und von Unbehagen und Entwurzelung durchzogen.

Die ambivalente Wahrheit der Serien Blues Brothers und MEXAS erinnert an frühere Serien wie Harmony Sisters, die Männikkö 2005 begann, und in der er Körperfragmente von Tieren - eine Schnauze, Fell, ein Auge, etc. fotografiert. Die Bilder liefern Nahsichten der äusseren Anatomie verschiedenster Lebewesen, die selten eindeutig ist. Eine herabhängende Zunge könnte einer Kuh oder einem Pferd gehören; eine Hautfalte oder ein Haarbüschel von einer Vielzahl von Tieren stammen. In diesem Sinne besitzen Männikkös Fotografien viele Wahrheiten, die gegeneinander abgewogen werden müssen.

Mânnikkö selbst sagt, ein Bild bekräftigte, ob ein Objekt real ist oder nicht. Bei eingehender Auseinandersetzung offenbaren sich die „Menschen" in Blues Brothers tatsächlich als weder tot noch lebendig. Sie entpuppen sich vielmehr als reale Skulpturen, die einem unvermeidlichen Alterungsprozesses unterworfen sind - gleich dem des Menschen, dessen Grab sie markieren.

Esko Männikkö wurde 1959 in Pudasjärvi im nördlichen Teil Finnlands geboren. Er lebt und arbeitet in Oulu. 2008 wurde er mit dem renommierten Deutsche Börse Photography Prize ausgezeichnet. Seine bedeutende Ausstellung „Cocktails 1990-2007" war 2008 in Millesgården, Lidingö sowie Kulturhaus, Lulea und in der Kunsthalle Bomuldsfabriken Arendal zu sehen. Er hatte u.a. Einzelausstellungen im Finsk-Norsk Kulturinstitutt, Oslo 2004; Hasselblad Center, Göteborg 1999; Kunsthalle Malmö Konsthall 1997; sowie Portikus, Frankfurt/Main, De Pont, Tilburg und Lenbachhaus, München (alle 1996) präsentiert. Männikkö hat an zahlreichen internationalen Ausstellungen teilgenommen, u.a. Venedig Biennale 1995; Johannesburg Biennale 1997; São Paulo Biennale 1998; „Contemporary Photography II: Anti-Memory," Yokohama Museum of Art, 2000; „Beyond Paradise," Shanghai Art Museu m, 2003; Liverpool Biennal 2004; "SEEhistory. Der private Blick," Kunsthalle zu Kiel, 2005; „Deutsche Börse Photography Prize", Photographers' Gallery, London und c/o Berlin, 2008 sowie in der Wanderausstellung „Investigations of a dog," die von der Fondazione Sandretto Re Rebaudengo organisiert wurde (2009-2010). Er hatte zahlreiche Ausstellung in der Galerie Nordenhake in Stockholm und Berlin.