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FORT. Sweet Sickness
16.11.2018 - 12.01.2019
17.Eröffnung: 16.11.2018 18:00 - 21:00

Mit Sweet Sickness präsentiert Sies + Höke die zweite Einzelausstellung des Künstlerinnenduos FORT, bestehend aus Alberta Niemann und Jenny Kropp. Die neuen Arbeiten kreisen um die unterschiedlichen Zustandsformen von Liebe, des Irrationalen und der Illusion. FORT interessiert sich dabei für den schmalen Grat zwischen rauschender Euphorie, Wirklichkeitsverlust und erlesenem Schmerz, den das Gefühl aufkeimender Liebe beinhaltet. Dabei sind es vornehmlich inszenierte Objekte und adaptierte Readymades, die die Geschichten entfalten.

Bei einer Reihe von Werken steht der süße Wahn des Verliebtseins und die damit verbundene Sehnsucht im Vordergrund. Gleich am Eingang singt eine übergroße Muschel an einer Wand verträumt vor sich hin und lässt hin und wieder eine Seifenblase aufsteigen, die nach kurzer Zeit zerplatzt. Ariel's Dreaming greift Bezüge zu Hans Christian Andersens Märchen von der kleinen Meerjungfrau auf, das emblematisch für bedingungslose und unerwiderte Liebe steht. Die Arbeit spricht aber auch von Einbildung und Verblendung, die beinahe unumstößlich die frühe Phase des Verliebtseins begleiten, welche ebenso fragil ist wie die Träume aus Seifenblasen, die die Wandarbeit beständig produziert.

Nebenan spielt die Arbeit The Visit mit der Spannung eines mysteriösen Besuchers. Hinter einem Vorhang lugen zwei Schuhspitzen hervor, die sich kaum merklich bewegen. Es bleibt offen, wer sich hier verborgen hat, ob es sich um einen realen oder imaginierten Gast handelt und hier Bedrohung oder Vorfreude im Spiel ist. Ganz im Stil des Film Noir bildet die Arbeit einen Spannungsbogen, löst diesen aber nicht auf, sondern lässt den Betrachter im Ungewissen.

Miteinander verbundene Telefonpaare verhandeln auf poetische Weise Aspekte partnerschaftlicher Kommunikation. Für Liaison hat FORT Telefone unterschiedlichster Herkunft in Zweierkombinationen arrangiert. Dabei sind die Hörerkabel auf vielfältige Weise miteinander verbunden und in kleinen Gesten sorgfältig inszeniert. Die alltäglichen Objekte werden zu aussagekräftigen Porträts von gedachten Personen in Beziehungen, deren Grad an Harmonie, Intimität oder auch Distanz sich allein an den ausgewählten Telefonmodellen und deren Interaktion miteinander ablesen lässt.

Second Floor Temptation ist ein Spiel mit Verführung. Auf einem Treppengeländer liegen verlockend arrangierte Pralinen, deren Spur man nur zu gerne folgen würde. Allerdings führt das Geländer nirgends hin, so dass sich ein Gefühl von Ambivalenz einstellt, das die freudigen Erwartungen mit Leere und Enttäuschung paart.

Eine kleine, aber ausdrucksstarke Geste manifestiert sich auch bei der Arbeit Guilty Flowers als quasi Readymade. Ein Strauß frischer Nelken ragt aus einem öffentlichen Mülleimer hervor. Schönheit und Vergänglichkeit paaren sich in einem merkwürdigen Bild. Die Blumen als Liebesbeweis sprechen hier von Desillusion und Schuld, wobei der eigentliche Tathergang unklar bleibt.

Auf der Empore verbildlicht die Serie Symptoms Of The Universe den Drang, Klarheit über die Koordinaten der eigenen Liebessituation zu erlangen. Auf vergrößerten Spielkarten stehen Botschaften, die an vage gehaltene Deutungen von WahrsagerInnen und eigenen Projektionen erinnern und in denen weniger nach einer realistischen Antwort als nach einer Bestätigung von Ideen, Wünsche und Hoffnungen gesucht wird.

Ein zugemauerten Hauseingang vermittelt im Souterrain der Galerie etwas Gespenstisches. Mit der Arbeit Ghosting schafft FORT die physische Entsprechung zu einem Phänomen, das sich insbesondere mit dem Aufkommen des Internets ausgeprägt hat. Der titelgebende Begriff beschreibt das abrupte und einseitige Abbrechen jeglicher Kommunikation in einer Partnerschaft. Der Titel der Arbeit bezieht sich nicht nur auf die zeitgenössische Kommunikationserscheinung, sondern auch auf den Spuk im eigenen Kopf, wenn man mit solch plötzlichem Ende konfrontiert ist.

Nebenan sind Herzen hinter dem Gitter einer untergehenden Sonne eingesperrt. FORTs fortlaufende Serie One In A Million sind Nachbauten real existierender Fenster, die als Stand-in oder Projektionsfläche für nicht erzählte Geschichten dienen. Als Schnittstelle zwischen Innen und Außen geben sie durch vereinzelte Details Informationen über das Leben dahinter. Gleichzeitig vermitteln sie aus ihrem Kontext gelöst ebenso ein Gefühl von Verlassenheit und Befremdung.

Ebenso herausgelöst aus ihrem ursprünglichen Umfeld sind die Rückwände eines Schießstands mit dem Titel Crush. Auf Jahrmärkten dienen diese vornehmlich dem Versuch junger Männer eine Rose zu schießen, um dem aktuellen Date zu imponieren. Die weit verteilten Einschusslöcher auf der Wand zeugen dabei von nicht wenigen Fehlversuchen und einer Ungeschicklichkeit bei der Eroberung. FORT interessiert sich hier für den Gegensatz zwischen der Rose als klassischem Liebesbeweis und dem martialischen Akt des Schießens, was das Duo auch über die Mehrdeutigkeit des Titels transportiert. „Crush“ bezeichnet einerseits den Vorgang des Vernichtens und ist andererseits ein weit verbreiteter Begriff für einen neuen Schwarm.

Text Tobias Peper