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Eröffnung: 21. November 2008, 20 Uhr

Frances Stark schreibt Texte und Gedichte. Stark macht ebenfalls Collagen auf Papier und auf Leinwand. Aus der Kombination von Text, Wort, Schrift und Bild, oft aus gesammelten Bildmaterialien bildet sich Frances Starks künstlerische Stilistik. Ausgangspunkt für ihre Arbeitsweise ist die selbstreferenziell angelegte Verwendung literarischer oder visueller Vorlagen, die sie meist auf ironische oder auch metaphorische Weise zu sich selbst, beziehungsweise zu ihren verschiedenen (Lebens)Rollen als Künstlerin, Frau, Mutter, Professorin und auch als Teil einer (Kunst)Community in Beziehung setzt. Die Verwandlung der Vorlagen kulminiert in einer ausgesprochen eigenen Sprache, die sowohl visuell, als auch auf der inhaltlichen Ebene äußerst fragil erscheint. Die inhaltliche Fragilität lässt sich mit Sicherheit darauf zurückführen dass Frances Stark sehr selbstironisch arbeitet, und Zustände wie Unentschlossenheit, Zaghaftigkeit, zu etwas Werden, Verwandlung, Stagnation oder auch ein Gaukler seiner selbst zu sein, zum inhaltlichen Mittelpunkt ihrer Arbeit macht.

Die für den Portikus neu erarbeitete Werkgruppe mit dem Titel The New Vision zeigt unterschiedliche Werke, die teilweise etwa zu Francisco de Goyas 1798 abgeschlossener Druckserie Caprichos (Launen) in direkter Beziehung stehen. So ist die Künstlerin selbst unter einem Plakat zu einer Ausstellung mit dem Titel Pretty Ugly in kauernder Haltung zu sehen; die Köperhaltung ist aus Goyas Der Schlaf der Vernunft gebiert Ungeheuer (Capricho Nr. 43, 1797) entnommen – die Ausstellung Pretty Ugly, an der die Künstlerin selbst teilgenommen hat, war eine dieser Gruppenausstellungen, die mit namhaften Künstlern, ob schon tot oder noch lebendig, selbst verherrlichend die „Extravaganz“ der Kunstwelt feierte. Eine weitere Referenz zu Goyas Caprichos lässt sich gleich in mehreren Arbeiten finden: Das Capricho Nr. 26, mit dem Titel Sie haben schon ihren Platz, zeigt zwei Mädchen, die von Männern begafft, relativ gelassen dastehen, ihren Rock bis zum Hals hinauf gezogen haben, und einen Stuhl auf dem Kopf tragen. Zusätzlich zum Titel gibt es einen Kommentar Goyas, der sinngemäß sagt: „Wenn von sich selbst eingenommene Mädchen zeigen wollen, dass sie schon einen Platz haben, dann ist es das Beste, wenn sie sich den Stuhl auf den Kopf setzen.“ Das Bildmotiv selbst lässt sich ziemlich präzise in einer Arbeit der Ausstellung wieder finden, aber auch das Motiv des Rocks, und auch des Stoffes überhaupt taucht an verschiedenen Stellen wieder auf. Im freien, metaphorischen, aber auch ironischen Kommentieren Goyas zeigen sich Parallelen zu Starks Umgang mit Sprache bezüglich ihren eigenen Arbeiten. Dass aber Sprache in direktem Bezug zum Bild im Gegensatz zu früheren Arbeiten im Moment eine eher untergeordnete, oder vielleicht auch fehlende Rolle spielt, zeigt die Arbeit mit dem Notenständer, der zwei Briefe befreundeter Künstler zeigt. Der eine Brief ist eine direkte Infragestellung der aktuellen Arbeitsweise Starks, und fordert sie auf, wieder vermehrt zu schreiben, anstatt die Schriften anderer zu appropriieren – der andere Brief wiederum ist eine Lobeshymne an die Künstlerin und die visuelle Kraft ihrer letzten Arbeiten. Außerstande dieser Sandwich-Position zu entweichen, spricht Stark nun direkt aus derselben heraus: die Gewichtigkeit und Solidität der eigenen künstlerischen Entwicklung, oder wie man Rückschläge in etwas Neues umkehren kann, ohne dass eine Aufhebung des Gesamten stattfinden muss, sind gegenwärtige Fragestellungen, die sich in den Arbeiten von The New Vision ablesen lassen.

Zum Titel The New Vision gibt es eine Anekdote die sich erzählen lässt; die Anekdote stammt aus dem unmittelbaren Familienkreis der Künstlerin und verdeutlicht, wie Sprache und Themen (in diesem Fall die Metamorphose) aus dem direkten Umfeld in die Arbeit einfließen: „The New Vision ist eine Art Insider-Witz in der Familie; die Story war die: mein Freund und ich hatten beschlossen, eine Raupe, die obwohl sie ständig unser Gemüse im Garten fraß, doch nicht zu töten – und sie anstatt dessen als „Haustier“ zu behalten. Als ich meinen Sohn von der Schule abholte, erzählte ich ihm, dass wir zu Hause ein neues Haustier hätten; ich fragte ihn nachdem er es gesehen hatte, wie wir es nennen sollen und nach 2 Sekunden sagte er: The New Vision. Ich dachte: sehr außergewöhnlich – jedenfalls verwandelte sich The New Vision dann in einen weißen Kokon, und als es für sie Zeit wurde, sich in einen Schmetterling zu verwandeln, sahen wir wie sie sich unter großen Mühen aus dem Kokon herausschälte. Wir mussten dann aber kurz weg, und als wir wieder kamen, war sie gestorben. Halb drinnen, halb draußen.“

Ein Bild einer solchen nur halb verwandelten Raupe hatte Frances Stark auf dem Cover ihres 2007 veröffentlichten Katalogs Frances Stark. Collected Works als Teil einer Collage verwendet.

Mit freundlicher Unterstützung der Deutschen Bank Stiftung.

Zur Ausstellung wird im kommenden Jahr ein Katalog erscheinen.