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Die retrospektiv angelegte Ausstellung versammelt 64 Werke, darunter zehn Triptychen, aus den Jahren 1945 bis 1991 sowie Arbeitsmaterial wie Fotografien und Skizzen aus dem Atelier des Künstlers. Neben Leihgaben aus öffentlichen und privaten Sammlungen in Europa, Amerika, Australien und Japan werden auch die beiden Gemälde zu sehen sein, die seit 1964 beziehungsweise 1986 in der Kunstsammlung beheimatet sind: Lying Figure No. 3 von 1959 und Man in Blue V aus dem Jahr 1954.

Dramatische Darstellungen von menschlichen Körpern – schmerzhaft sich windend, zerfließend, miteinander ringend, ineinander verschlungen – bestimmen das Motivrepertoire von Francis Bacon (1909–1992), dem bedeutendsten englischen Maler des 20. Jahrhunderts. Wie kein anderer Künstler seiner Generation hat Bacon das Drama des verwundbaren, schutzlos ausgelieferten Körpers inszeniert. Aus seinen Bildern verbannte er alles Anekdotische und Erzählerische und konzentrierte sich auf die physische Präsenz des Fleisches. Bacon setzte Körper in Szene, die wandlungsfähig, verletzbar und hinfällig anmuten, sich zugleich aber auftrumpfend, vital und aggressiv behaupten. In ästhetischer Überhöhung – Bacons Darstellungen sind von suggestiver Schönheit – vermittelt sich solche Widersprüchlichkeit als schockhafte Erfahrung von Größe und Endlichkeit menschlichen Daseins.

„Große Kunst besteht immer darin“, so Bacon, „das sogenannte Faktische, das, was wir über unsere Existenz wissen, zu verdichten und in einem neuen Licht erscheinen zu lassen.“ Die Schleier von falschen Vorstellungen und Ideen, die sich immer wieder über das Faktische legen, suchte der Künstler zu zerreißen. Er zeigt uns Gestalten mit menschlichen Zügen, die in ihrer künstlerischen Erscheinung faszinieren und zugleich durch ihre physische Deformation erschrecken. Seine manchmal ins Zoomorphe abgleitenden Wesen bleiben dabei zumeist isoliert und agieren unsicher auf bühnenartigen Plattformen, in leeren, fensterlosen Räumen oder in käfigartigen Konstruktionen.

Anregungen für seine bewegende Bildwelt fand Bacon bei Künstlern wie Michelangelo, Velázquez, Rembrandt, Degas und van Gogh, wobei ihn nicht die originalen Werke, sondern deren Reproduktionen faszinierten. Die fotografierten Sequenzen menschlicher und animalischer Bewegungsabläufe, die der englische Fotograf Eadweard Muybridge Ende des 19. Jahrhunderts unter dem Titel Animal Locomotion publizierte, dienten dem Maler ebenso als Anregung wie Bücher mit medizinischen Illustrationen und die tagesaktuellen Fotografien der Zeitungen. Wie ein „Mahlwerk“ – in das alles, was er gesehen hatte, Eingang fand – verarbeitete Bacon diese Flut reproduzierter Bilder. Transformiert, stark verfremdet und überlagert von dem eigenen Erleben gingen einzelne Sujets in seine Gemälde ein. So manifestiert sich in seinem Œuvre eine ästhetische Vorstellungswelt, die sich mit einer abgründigen, existentiellen verschränkt. Francis Bacon vergegenwärtigt den Menschen als Subjekt, das seine stabile (männliche) Identität verloren hat. Es ist ein Selbst, das – „unsichtbaren Kräften“ ausgesetzt – in seiner Lebenswelt keinen gesicherten Ort mehr zu finden vermag. Nicht zuletzt darin liegt die anhaltende Aktualität von Bacons Schaffen begründet.

Nach der vieldiskutierten Ausstellung in der Düsseldorfer Kunsthalle 1972, nach der 1985/86 in Berlin und Stuttgart gezeigten Retrospektive und der ersten posthumen Schau 1996 in München sowie einigen thematisch eingegrenzten Ausstellungen, wie beispielsweise die 2005/06 in der Hamburger Kunsthalle präsentierte Ausstellung der Porträts, präsentiert K20 Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen nun das Werk dieses epochalen Malers im Rahmen der Düsseldorfer Quadriennale 06, die sich der Darstellung des Körpers in der bildenden Kunst widmet.

Zur Ausstellung erscheint ein umfassender Katalog (herausgegeben von Armin Zweite in Zusammenarbeit mit Maria Müller) mit Abbildungen aller ausgestellten Werke sowie Texten von Armin Zweite, Peter Bürger, Martin Harrison, Daria Kołacka, Frank Laukötter und Maria Müller.

Die Ausstellung Francis Bacon – Die Gewalt des Faktischen ist Teil des Projektes der „Quadriennale 06“ – ArtCity Düsseldorf.

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Francis Bacon
Die Gewalt des Faktischen
Retrospektive