press release only in german

Die Ausstellung bietet mit rund 130 Kleidungsstücken, Filmen von Modenschauen, Kollektionskatalogen und weiterem Dokumentationsmaterial einen Überblick über die japanische Avantgarde-Mode von den frühen 80er-Jahren bis heute. Europaweit ist es das erste Projekt dieser Art.

Japanische Modedesigner haben seit den 80er-Jahren die Mode von Grund auf neu definiert und weltweit beeinflusst. Visionäre wie Rei Kawakubo (geb. 1942) und Yohji Yamamoto (geb. 1943) führen eine Sprache der Dekonstruktion in die internationale Mode ein. Für ihre Arbeiten kommen fehlerhafte Stoffe oder gealterte Materialien zum Einsatz. Der Modeschöpfer Issey Miyake (geb. 1938) setzt auf opulente Materialien, die die menschliche Gestalt umhüllen und voluminöse Räume zwischen Stoff und Körper schaffen. An die Stelle der schmalen Silhouetten westlicher Couture treten fließende Formen und eine dunklere, monochrome Farbpalette. Die japanischen Modedesigner verwandeln ihre Modelle energisch in Kunst. Die absichtlich nicht auf Kleidsamkeit ausgerichtete Mode steht in starkem Kontrast zur gängigen europäischen Modeästhetik.

Lob der Schatten "Wir lieben auch bei allerhand kunstgewerblichen Gegenständen des täglichen Gebrauchs Farben, die man als Anhäufung von Schatten bezeichnen kann; die Leute im Westen dagegen lieben Farben, in denen sich das Sonnenlicht konzentriert." (Jun'ichiro Tanizaki)

Diese Sektion der Ausstellung ist inspiriert vom gleichnamigen Text des japanischen Autors Jun'ichiro Tanizaki (Lob des Schattens, 1933), der den Schatten als Kern der japanischen Ästhetik betrachtet. Sie beschäftigt sich mit der Passion für dunkle Einfarbigkeit. Das heute längst zur Norm gewordene Schwarz in der Mode hält Anfang der 80er-Jahre Einzug in den Arbeiten von Rei Kawakubo und Yohji Yamamoto.

Yohji Yamamoto wählt bewusst eine dunkle Farbpalette, nichts soll von Schnitt und Proportion des Kleidungsstücks ablenken. Rei Kawakubo gründet 1973 ihre Firma Comme des Garçons. In den 80er-Jahren wird sie international durch ihren Bettler- oder Lumpen-Look bekannt, den sie zum erstenmal 1983 in einer Show in Paris zeigte. Die Modelle ihrer Kollektion sind mit Löchern übersät, teils zerrissen und ohne farbliche Abwechslung. Ihre Arbeiten sind Ausdruck eines japanischen Schönheitskonzepts, des "Wabi-Sabi": Schönheit wird in Unvollkommenheit und Bescheidenheit gefunden. Diese Kollektion erschüttert die westliche Modewelt und Rei Kawakubos bis heute gültiger anarchischer Ansatz macht sie zu einer der einflussreichsten Modeschöpferinnen der Welt.

Flachheit Die Sektion 'Flachheit' widmet sich den einfachen geometrischen Formen und dem Wechselspiel von Zweidimensionalität und Volumen bei Issey Miyake, Rei Kawakubo und Yohji Yamamoto. Gemein ist ihnen die radikale Abkehr von der eng anliegenden, formbetonenden Silhouette. Ebenfalls ausgestellt ist hier eine Fotoserie des Künstlers und Fotografen Naoya Hatakeyama, die in Aufsicht die Formen von Rei Kawakubos ausgebreiteten Kleidern zeigt.

Issey Miyakes Ausgangspunkt ist die Idee des flachen Gewandes, dem traditionellen Schnitt japanischer Kleidung. Miyake nutzt ein einziges Stück Stoff, "a piece of cloth", in das er den Träger wickelt. So wird zwischen Stoff und Körper ein Raum geschaffen, der bei jedem Menschen einzigartig ist. Mit "A-POC" (a piece of cloth), 1999 kreiert er universelle Kleidung für jeden: in einem Strickschlauch sind mit Hilfe computerprogrammierter Maschinen die Formen für Kleidungsstücke eingearbeitet. Der Träger schneidet sich die gewünschte Kleiderform heraus. Größenlose Gewänder werden so zu individuellen Kleidungsstücken. 
Issey Miyakes neueste Arbeiten der "132 5." Kollektion bestehen aus divers gefalteten, flachen Polygonen, die aus PET (Polyethylenterephthalat) geschneidert sind. Angezogen, verwandeln sich diese in Kleidung. Tradition und Innovation Hier steht die radikale Erneuerung von traditionellen japanischen Kleidungsstücken wie Kimono, von Stoffen und von Techniken wie Origami im Mittelpunkt. Viele japanische Designer arbeiten direkt mit Textildesignern zusammen. Die Mode ist geprägt von einer großen Sensibilität für Stoff. Es werden zum Beispiel neue Stoffe durch synthetische Herstellung entwickelt, neue Web- und Färbetechniken erprobt.

Junya Watanabe (geb. 1961) kombiniert synthetische Materialien mit klassischen Schnitten aus der Kostümgeschichte. Zu sehen ist u.a. seine Herbst/Winter-Kollektion "Techno Couture" aus dem Jahr 2000. Hier verwendet Watanabe ein neuartiges Hightechgewebe, eine sehr leichte wasserabweisende Microfaser, die den Träger vor Regen schützt.

Eine Serie von Kleidungsstücken von Tao Kurihara (geb. 1973) / Tao Comme des Garçons, Hiroaki Ohya (geb. 1970) / Ohya und Mintdesigns besteht aus Papier.
Die Verwendung von Papier für Kleidung ist eine alte japanische Tradition, so wurden bereits während der Kamakura-Zeit (1185-1333) Kleider aus Papier getragen; teure Papierkleider galten während der Edo-Zeit (1603-1868) als besonders modisch. Die Kleider können nur einmal getragen werden, was ihre Einzigartigkeit noch unterstreicht.

Kosuke Tsumura (geb. 1959) präsentiert einen Nylonmantel, "Final Home", 1994, der mit über 40 Taschen ausgestattet ist. Diese kann man zum Beispiel mit zerknülltem Papier füllen, so entsteht ein warmer Wintermantel. "Final Home" kann als Art Überlebensjacke in der Stadt genutzt werden.

Bei Rei Kawakubos legendärer Frühjahr/Sommer-Kollektion "Body Meets Dress, Dress Meets Body" von 1997 tauchen Polsterungen an Schultern und Hüften auf, die die natürliche Körperform deformieren. Kawakubo befreit die Kleidung von ihrer Abhängigkeit von der Körperform, ein Schock für unsere standardisierten Vorstellungen von Mode. "Nicht was zuvor gesehen wurde, nicht was zuvor wiederholt wurde; stattdessen neue Entdeckungen, die in die Zukunft blicken, die befreit und lebendig sind", so lautet die schriftliche Botschaft von "Comme des Garçons" im Jahr 1997.

Neben den dekonstruktivistischen Arbeiten von Rei Kawakubo werden moderne Varianten traditioneller japanischer Techniken und Kleidung von Kenzo und Yohji Yamamoto präsentiert. Yamamoto legt die Basis für den so genannten Neo-Japonismus: einer Verbindung von europäischer Mode mit traditionellen japanischen Elementen, zum Beispiel des Kimonos.

Cooles Japan 'Cooles Japan' schließlich untersucht die symbiotische Beziehung von Street Style, Popkultur und Haute Couture. Tokio gilt international als Brennpunkt der Jugendmode: in den 80er-Jahren gründen hier viele junge Designer kleine Labels und eröffnen unabhängige Läden im Bezirk Harajuku. Die Gegend wird bei Jugendlichen immer beliebter und auch heute treffen sich dort an Sonntagen auf den Straßen Jugendliche zum plaudern und zum Vorführen ihrer neuesten sorgfältig ausgewählten Outfits. Ihre Kleidung ist geprägt von verschiedenen Stilen und Einflüssen, zum Beispiel Punk, Gothic, Maskottchen wie Hello Kitty, Manga Figuren oder dem Lolita-Stil. 
Hier sind u.a. Arbeiten von TAO, Naoki Takizawa (geb. 1960) sowie Jun Takahashi (geb. 1969), der 1991 sein Label Undercover gründet, ausgestellt. Entwürfe von Jil Sander für Uniqlo werden präsentiert: eine "Premiummarke zu demokratischen Preisen" (Jil Sander). Für das japanische Preiswert-Label kreierte die Designerin eine limitierte Kollektion namens +J nach dem Motto "Luxury will be simplicity", zum kleinen Preis, gewohnt schlicht und klassisch. Filme von Modenschauen, die in Japan und Europa stattgefunden haben, versetzen die gezeigten Modeentwürfe in Bewegung. Catwalk Shows der Next Generation, Interviews mit Issey Miyake, Rei Kawakubo und Yohji Yamamoto, der Film 'Notebooks on Cities and Clothes' von Wim Wenders runden die Schau ab. Die Ausstellung entsteht in Kooperation mit dem Kyoto Costume Institute in einer Architektur von Sou Fujimoto. Das Kyoto Costume Institut (KCI) wurde 1978 von der Wacoal Corporation gegründet. Das Institut entstand aus dem Wunsch eine Institution in Japan zu schaffen, die westliche Mode systematisch erforscht, sammelt und für Ausstellungen zur Verfügung stellt. Heute ist das KCI eines der führenden japanischen Museen für Kostümgeschichte und zeitgenössische Mode und umfasst eine Sammlung von über 11.000 Kleidungsstücken, die vom frühen 17. Jahrhundert bis in die heutige Zeit reichen. Weltweit veranstaltet das KCI Modeausstellungen und publiziert regelmäßig Kataloge zu Modethemen. Die Sammlung ist eine "Widmung an alle Menschen, die Kleider tragen" (Akiko Fukai). Sou Fujimoto (geb. 1971 in Hokkaido, Japan) gehört zur jüngeren Generation von Architekten in Japan, die an einer Neudefinition des architektonischen Raums arbeiten. Bekannt wurde Fujimoto durch seine "Primitive Architektur", Häuser die sich durch fließende Grundrisse und Übergänge zwischen Innen und Außen auszeichnen. Durch leichte, lichtdurchlässige Stoffbahnen unterteilt er die Ausstellung.

Mit den Designern Rei Kawakubo (Comme des Garçons), Yohji Yamamoto, Jun Takahashi (Undercover), Issey Miyake, Junya Watanabe, Koji Tatsuno, Tao Kurihara, Hiroaki Ohya (Ohya,), Kosuke Tsumura, Kenzo Takada (Kenzo), Fumito Ganryu, Mikio Sakabe, Naoki Takizawa, Akira Naka, Taro Horiuchi, Akira Minagawa (Minä Perhonen) u.w.; mit den Labeln Matohu, Mintdesigns, Anrealage, Né-Net, Sacai, Somarta

Kuratoren der Ausstellung sind Akiko Fukai, Direktorin / Chefkuratorin des Kyoto Costume Institut; Kate Bush, Head of Art Galleries, Barbican Centre und Chris Dercon, Direktor Haus der Kunst

Die Ausstellung hatte ihre Premiere in der Barbican Art Gallery in London (15. Oktober 2010 - 6. Februar 2011).

Es erscheint ein Katalog zur Ausstellung im Prestel Verlag.

only in german

Future Beauty
30 Jahre japanische Mode
Kuratoren: Akiko Fukai, Kate Bush, Chris Dercon

Künstler: Rei Kawakubo (Comme des Garçons), Yohji Yamamoto, Jun Takahashi (Undercover), Issey Miyake, Junya Watanabe, Koji Tatsuno, Tao Kurihara, Hiroaki Ohya (Ohya), Kosuke Tsumura, Kenzo Takada (Kenzo), Fumito Ganryu, Mikio Sakabe, Naoki Takizawa, Akira Naka, Taro Horiuchi, Akira Minagawa (Minä Perhonen)